Neue Grabungsfunde aus Usbekistan beispielhaft für erfolgreiche Zusammenarbeit
in der Forschung
Wien (bm:bwk) - Den hohen Stellenwert der Forschung betonte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer am
Donnerstag (15. 01.) bei einer Pressekonferenz mit Univ. Prof. Dr. Horst Seidler, Vorstand
des Instituts für Anthropologie der Universität Wien und den beiden Wissenschaftern Dr. Andrei Krivoshapkin
und Mag. Bence Viola. Die im Rahmen der Pressekonferenz präsentierten neuen Grabungsfunde aus Usbekistan seien
beispielgebend für die erfolgreiche internationale Zusammenarbeit in der Spitzenforschung. „Die Funde werfen
die Frage auf, ob die Geschichte der Menschheit neu geschrieben werden muss“, so Gehrer.
Im Sommer 2003 wurde in Usbekistan eine Grabung durchgeführt, die vom Bundesministerium für Bildung,
Wissenschaft und Kultur unterstützt wurde. Gefunden wurden rund 50.000 Jahre alte Menschenreste und Werkzeuge.
Während die menschlichen Überreste den Neandertalern zugeschrieben werden, verfügten die Werkzeuge
über Gestaltungsmerkmale, die normalerweise erst beim zeitlich späteren Homo sapiens festgestellt werden.
Die Ausgrabung in Usbekistan wirft damit eine Fülle neuer Fragen auf. War man bisher der Ansicht, Neandertaler
und Homo sapiens hätten sich ohne Bezug zueinander entwickelt, so stellt man diese Hypothese nunmehr in Frage.
Die durch die neuen Funde zu erwartenden neuen Erkenntnisse für die Wissenschaft wären ohne internationale
Kooperation und ohne interdisziplinäre Forschungsarbeit in Österreich nicht möglich, betonte die
Bildungsministerin.
Zwei Entwicklungen ließen sich anhand der präsentierten Forschungsarbeit aufzeigen: zum einen den hohen
Stellenwert der Forschung in Österreich. In die Forschungsinitiative werden 1,2 Milliarden zusätzlich
investiert. Grundsätzlich konzentriere sich die Forschung auf Schwerpunkte wie Biotechnologie oder Informations-
und Kommunikationstechnologie. Daneben fördere man aber auch Spezialgebiete wie im Bereich der Anthropologie.
Die Evolutionsforschung rücke auch in der Öffentlichkeit immer mehr ins Zentrum des Interesses. Die Frage
nach den Wurzeln der Menschheit bewege die Bevölkerung. Antworten darauf zu finden, sei Aufgabe der Forschung.
Letztere sei vor allem in diesem Bereich einem ständigen Wandel unterworfen. „Es gibt immer wieder neue Erkenntnisse,
die das Geschichtsbild verändern."
Gehrer dankte dem Leiter des Wiener Instituts für Anthropologie, Univ.-Prof. Dr. Horst Seidler. „Professor
Seidler ist nicht nur ein international anerkannter Wissenschafter, dessen Kontakte wesentliche neue wissenschaftliche
Erkenntnisse ermöglichen. Durch seine enge Zusammenarbeit mit Forschungspersönlichkeiten im Ausland gelingt
es ihm immer wieder, international anerkannte Kapazitäten nach Österreich zu bringen.“ So werde etwa
dieses Jahr wieder einer der renommiertesten Anthropologen, Prof. Philip Tobias aus Südafrika, für Vorlesungen
in Österreich zur Verfügung stehen.
Die Grabungsfunde seien zum anderen auch ein Beleg für die Vernetzung wissenschaftlicher Arbeit in Österreich
und die Interdisziplinarität der Forschungsarbeit. Die Analyse derartiger Funde sei nur in Zusammenarbeit
verschiedener Universitäten und Institute möglich, die ihre dafür jeweils nötigen Spezialkenntnisse
einbringen. So erfolge die computertomographische Untersuchung der Knochenreste unter Leitung von Prof. Dieter
zur Nedden an der Medizinischen Universität Innsbruck. Die Analyse der Spurenelemente werde in Zusammenarbeit
mit der Universität für Bodenkultur und der Abteilung für Archäologische Biologie und Anthropologie
am Naturhistorischen Museum in Wien durchgeführt. Prof. Seidler betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung
der Museen für die Forschung. „die Museen leisten international anerkannte Arbeit auf dem Gebiet der Spitzenforschung.
Dieser Aspekt wird in der Öffentlichkeit viel zu wenig anerkannt“, so Seidler.
Grundsätzlich genieße die österreichische Forschungsarbeit international sehr hohes Ansehen. „Entgegen
mancher öffentlichen Kritik stelle ich fest, dass die Spitzenforschung in Österreich einen enormen Stellenwert
genießt. In kaum einem anderen Land der EU wird die Forschung so stark gefördert wie in Österreich.“
Das komme vor allem jungen Menschen zugute. So habe der Leiter des Österreichischen Teams der Grabungen in
Usbekistan, Mag. Bence Viola, durch einen Zeitvertrag die Möglichkeit, internationale Reputation zu gewinnen
und damit den Start in eine wissenschaftliche Karriere.
Die internationale Zusammenarbeit in der Forschung bedeute auch einen finanziellen Lastenausgleich. So seien die
Kosten für die Grabungen in Usbekistan zur Gänze von den russischen Partnern getragen worden. Die Finanzierung
sei durch Stiftungen der EU und der USA erfolgt. „Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre die Teilnahme
an dieser Grabung für uns nicht möglich gewesen“, sagte Seidler.
Gemeinsam mit Mag. Viola habe man über die Grabungsarbeiten auch einen Lehrbehelf für Schulen verfasst.
Die Entwicklung der Menschheit gehöre zur guten Allgemeinbildung und müsse daher auch fester Bestandteil
der Lehrpläne sein, sagte die Bildungsministerin. Seidler forderte ein stärkeres Engagement der Universitäten
bei der Fortbildung von Lehrern. „Hier sind die Universitäten gefordert, von sich aus Programme anzubieten,
um neueste Erkenntnisse der Wissenschaft diskutieren und für die Lehrtätigkeit an Schulen zugänglich
machen zu können. Das ist nicht Aufgabe des Ministeriums, sondern primär der Universitäten.“ |