Wien (rk) - Milo Dor, Schriftsteller, Essayist und Übersetzer, und Ortolf Harl,
Stadtarchäologe, wurden am Donnerstag (22. 01.) im Wiener Rathaus von Kulturstadtrat
Andreas Mailath-Pokorny das "Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien", überreicht.
Er freue sich, mit Milo Dor und Ortolf Harl zwei Persönlichkeiten auszuzeichnen, die sich beide mit der Vergangenheit
beschäftigen, die Licht in die Vergangenheit bringen, um aus ihr zu lernen, um an sie zu erinnern und um sie
besser zu verstehen, sagte Mailath-Pokorny in seiner Einleitung. Milo Dor sei eine Stimme der Vernunft, eine aufgeklärte
Stimme, während des Balkankriegs, aber auch jetzt, wo sich Europa neu konstituiert. Ortolf Harl habe das Amt
des Stadtarchäologen geformt; er habe mit seiner Arbeit ein Fundament geliefert, auf das wir heute aufbauen.
Professor Franz Leo Popp, Direktor der Literar-Mechana, würdigte Milo Dor nicht nur als Schriftsteller, sondern
auch als Übersetzer und als Standesvertreter: Milo Dor verhalf vielen serbischen Autoren zu einem zweiten
Leben in deutscher Sprache. Bei Verhandlungen, in denen es um die Durchsetzung standespolitischer Interessen gegangen
ist, sei es Milo Dor gelungen, mit fachlicher Kompetenz, natürlicher Autorität und persönlichem
Charme eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens aufzubauen.
Ortolf Harl sei ein Leben lang ein Forschender gewesen, ein Suchender, nicht nur für sich selbst, sondern
auch für andere. Seine wichtigsten Projekte seien die Ausgrabungen in Unterlaa, am Michaelerplatz und am Judenplatz,
sagte Senatsrat Dr. Bernhard Denscher, der das Lebenswerk Ortolf Harls Revue passieren ließ. Ortolf Harl
sei in seiner Arbeit erfrischend unkonventionell und schöpferisch gewesen. Als Stadtarchäologe habe er
ein hervorragendes Team von überaus couragierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgebaut, das seinen Weg
fortsetzt.
Seit nunmehr sechzig Jahren lebe er in Wien, in das er unfreiwillig gekommen war, erzählte Milo Dor in seinen
Dankesworten: Es habe lange gedauert, bis er sich an Wien gewöhnt hat. "Diese Auszeichnung verstärkt
in mir das Gefühl, dass sich dazugehöre".
Ortolf Harl dankte der Stadt für die vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten, die sie ihm geboten
hat. Eigentlich müsste es umgekehrt sein, dass er der Stadt einen Orden verleihe.
Biographie Milo Dor
Milo Dor, eigentlich Milutin Doroslovac, wurde am 7. März 1923 in Budapest als Kind serbischer Eltern
geboren. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in Novisad, dann zog die Familie nach Belgrad, wo er auch 1941
maturierte. Schon als Schüler betätigte er sich als Redakteur serbischer Zeitschriften. Als Widerstandskämpfer
wurde er während des Zweiten Weltkrieges verhaftet und 1943 als Zwangsarbeiter nach Wien deportiert. Milo
Dor kehrte nach Kriegsende nicht nach Jugoslawien zurück, sondern studierte in Wien Theaterwissenschaft. Er
begann in deutscher Sprache zu schreiben und war als Journalist tätig. In diesen Jahren arbeitete er als Autor
sehr eng mit Reinhard Federmann zusammen; aus dieser Gemeinschaft ging in den Jahren 1953 bis 1963 eine große
Zahl an Kriminal- und Unterhaltungsromanen hervor. Einen großen selbständigen Erfolg konnte Dor mit
dem Roman "Tote auf Urlaub" (1952) verbuchen. Diesem ersten Teil einer Trilogie folgte 1959 der Roman
"Nichts als Erinnerung" und 1969 "Die weiße Stadt". Diese drei in Erzählhaltung
und Stil recht unterschiedlichen Romane wurden später unter dem Titel "Die Raikow-Saga" zusammengefasst
und gelten als Milo Dors Hauptwerk. Das literarische Werk Milo Dors ist umfangreich und vielfältig, daneben
betätigte er sich als Herausgeber und Übersetzer. Eine Auswahl: "Die Verbannten", "Ein
Orden für Argil. Jugoslawien in Erzählungen seiner besten zeitgenössischen Autoren", "Der
Flug des Ikaros. Hörspiel jugoslawischer Autoren von heute", "Der galante Witz" und "Der
groteske Witz"; "Meine Reisen nach Wien" (1974), "Auf dem falschen Dampfer" (1991), "Mitteleuropa
- Mythos oder Wirklichkeit. Auf der Suche nach der größeren Heimat" (1996). 1999 übersetzte
Milo Dor die Erinnerungen von Bogdan Bogdanovic, dem Architekten und ehemaligen Bürgermeister von Belgrad,
der seit 1993 in Wien lebt. Der Zerfall Jugoslawiens bewog Dor zur Veröffentlichung der Essaysammlungen "Leb
wohl, Jugoslawien" (1993) und "Irren ist menschlich und patriotisch. Serbische Aphorismen aus dem Krieg"
(1994), in denen er auf die Grausamkeit des Bürgerkrieges aufmerksam machte und einen Aufruf zu Frieden und
Menschlichkeit setzte. 1979 gehörte Dor zu den Mitbegründern der "IG österreichischer Autoren"
und ist seitdem deren Präsident. Milo Dor erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. die "Ehrenmedaille
der Bundeshauptstadt Wien in Gold" (1989), den "Bruno Kreisky-Preis für das politische Buch"
und zuletzt das "Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich"
(2003).
Biographie Ortolf Harl
Universitätsdozent Dr. Ortolf Harl wurde 1941 in Bregenz geboren. Nach dem Studium der Klassischen
Archäologie in Graz nahm er an österreichischen, griechischen und amerikanischen Ausgrabungen in Griechenland
und der Türkei teil. 1973 trat er als Kustos in das Historische Museum ein; in dieser Funktion gestaltete
er Ausstellungen, führte Ausgrabungen durch und initiierte interdisziplinäre Forschungsprojekte. 1988
wurde Ortolf Harl schließlich zum Stadtarchäologen von Wien ernannt. Besonders die archäologischen
Ausgrabungen in Unterlaa, am Michaelerplatz und am Judenplatz sind untrennbar mit ihm verbunden. 1986 habilitierte
sich Harl an der Universität Graz für das Fach "Antike Topographie im Rahmen der Klassischen Archäologie".
Ortolf Harl publizierte zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften. 1992 gründete er die Forschungsgesellschaft
Wiener Stadtarchäologie zur finanziellen und wissenschaftlichen Unterstützung archäologischer Aktivitäten
sowie die Publikationsreihe "Wiener Archäologische Studien". Im Rahmen der Forschungsgesellschaft
Wiener Stadtarchäologie begann er 1994 mit dem Aufbau der Datenbank "Ubi erat Lupa", der Erfassung
römischer Steindenkmäler. Seit 1998 fungiert er auch als Herausgeber der Publikationsreihe "Fundort
Wien", das jährlich erscheint und die archäologischen Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit
vorstellt. Im April 2003 organisierte er mit "Enter the Past" einen Internationalen Archäologiekongress
im Wiener Rathaus, an dem 540 Fachleute aus 52 Nationen teilnahmen. |