Kleinere Länder könnten schon 2008 in Euro zahlen Für größere Länder
ist späterer Eurobeitritt wahrscheinlich
Wien (ba-ca) - "Trotz aller Schwierigkeiten erwarten wir den Eurobeitritt von einigen der neuen
EU-Mitglieder im Jahr 2008", meint Stefan Bruckbauer, Volkswirtschaftsexperte bei der Bank Austria Creditanstalt
(BA-CA). Für die großen Beitrittsländer dürfte sich der Termin allerdings nach hinten verschieben.
Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Konzernvolkswirtschaft der BA-CA.
"Der Großteil der Beitrittsländer hat heute trotz kürzlicher Währungsturbulenzen einen
stabileren Wechselkurs als die meisten derzeitigen Euroländer vier Jahre vor der Euroeinführung",
betont Marianne Kager, Chefökonomin der BA-CA. Trotzdem sei dies noch kein Garant dafür, dass diese Länder
bereits eurofit seien.
Obwohl die Beitrittsländer im Jahr 2003 die gleiche Inflationsrate wie der Euroraum erreichten, dürfte
mittelfristig in Osteuropa mit einer höheren Teuerungsrate zu rechnen sein. Dies erklärt sich vor allem
aus der Anpassung des Preisniveaus an das steigende Lohnniveau in weiten Teilen der Wirtschaft, vor allem in der
Industrie. Durch die im Vergleich zum "alten" Euroraum höhere Inflation wird die nominelle Fixierung
des Wechselkurses durch die Euromitgliedschaft zu einer permanenten realen Aufwertung führen, weshalb es bei
mangelnder Steigerung der Produktivität zu Wettbewerbsproblemen kommen kann. Laut BA-CA-Studie besteht in
den zentral- und osteuropäischen Ländern (CEE) jedoch noch genügend Spielraum für Produktivitätssteigerungen.
Das BIP pro Erwerbstätigem liegt derzeit zwischen 20 und 40 Prozent des Eurodurchschnitts.
Keine unüberwindlichen Hindernisse
Grundsätzlich gehen die BA-CA-Ökonomen davon aus, dass weder die Inflation noch die Leistungsbilanzdefizite
für den Eurobeitritt ein unüberwindliches Hindernis darstellen. "Die Schwierigkeit, Preissteigerungen
und Produktivität in Einklang zu bringen, ist nicht nur vom nominellen Wechselkurs abhängig", so
Marianne Kager. Die teilweise hohen Leistungsbilanzdefizite der CEE-Länder sind nicht auf mangelnde Wettbewerbsfähigkeit,
sondern auf hohe Investitionsquoten zurückzuführen.
Aus ökonomischer Sicht bestehen trotz vieler Bedenken wenig Alternativen zu einem raschen Eurobeitritt. "Für
die CEE-Länder dürfte es schwierig sein, auch bei einem Nichtbeitritt zur Eurozone eine eigenständige
Wechselkurspolitik zu verfolgen. Das Land würde dadurch nur unwesentlich wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum
gewinnen", meint Stefan Bruckbauer.
Maastrichtkriterien
Für den Eurobeitritt müssen die sogenannten Konvergenzkriterien erfüllt werden. Das Defizitkriterium
(maximal 3 Prozent des BIP) wird derzeit von den baltischen Staaten und Slowenien erfüllt, von den größeren
Ländern zum Teil deutlich verfehlt. Das Kriterium der Verschuldung (maximal 60 Prozent) erfüllen nach
aktueller Datenlage alle Beitrittsländer.
Dem Wechselkurskriterium entspricht derzeit noch kein Land, weil die Beitrittskandidaten nicht Mitglied im Wechselkursmechanismus
II (WKM II) sind. "Wären sie im WKM II vertreten, würden bereits alle neuen Mitglieder außer
Lettland und Polen das Kriterium erfüllen", so Kager.
Das Inflationskriterium (maximal 1,5 Prozent über dem Durchschnitt der drei preisstabilsten Länder des
Euroraumes) wird aktuell von allen Beitrittsländern mit Ausnahme von Ungarn, der Slowakei und Slowenien erfüllt.
Künftig wird es allerdings wieder schwieriger werden, dieses Kriterium zu erfüllen.
Beim Kriterium hinsichtlich der langfristigen Zinsen, die höchstens 2 Prozent über dem Durchschnitt der
drei preisstabilsten Länder liegen dürfen, liegen derzeit nur Ungarn und Polen außerhalb des Limits.
Stabilitäts- und Wachstumspakt
Neben der Erfüllung der Maastrichtkriterien kommt auch der dauerhaften Erfüllung des Stabilitäts-
und Wachstumspaktes entscheidende Bedeutung zu. So sind die neuen Mitglieder bereits nach dem EU-Beitritt und noch
vor einem Eurobeitritt verpflichtet, das mittelfristige Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes anzustreben, um auch
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Defizitgrenze von 3 Prozent nicht zu überschreiten. Für Nichteuromitglieder
zieht eine Nichterfüllung allerdings deutlich geringere Konsequenzen nach sich.
Damit stellt die Erfüllung des Stabilitäts- und Wachstumspakts in seiner derzeitigen Form und unabhängig
vom Eurobeitritt eine Herausforderung für alle neuen EU-Mitglieder dar. Wie restriktiv der Pakt in den CEE-Ländern
wirken könnte, zeigt sich an folgender Berechnung: Würden die CEE-Länder dem Stabilitäts- und
Wachstumspakt bereits ab 2004 voll entsprechen, würde ihr Schuldenstand von derzeit 44 Prozent des BIP auf
34 Prozent im Jahr 2006 und auf unter 20 Prozent im Jahr 2013 sinken.
Mehr Spielraum
Die Experten der BA-CA gehen davon aus, dass das höhere reale und nominelle Wachstum in Zentral- und Osteuropa,
verbunden mit der geringen Verschuldung (CEE: 44 Prozent, Eurodurchschnitt: 70 Prozent) mehr Spielraum bei der
Interpretation des Stabilitäts- und Wachstumspakts ermöglichen würde. Würden die alten Euroländer
ihr Nulldefizit einhalten und die neuen Mitglieder 3 Prozent erreichen, würde die gesamte Verschuldung des
Euroraums sofort um etwa 1,5 Prozentpunkte sinken. Erst nach zehn Jahren würde die Verschuldung wieder auf
jenen Wert ansteigen, den der Euroraum derzeit aufweist.
Allerdings sind die Ökonomen der BA-CA pessimistisch, dass mit großem Entgegenkommen seitens der EU
zu rechnen sei. Ob und in welchem Ausmaß man den Beitrittskandidaten entgegenkommt, könnte davon abhängen,
wie ehrgeizig die einzelnen Länder ihre Europläne verfolgen. Es ist davon auszugehen, dass die EU bereit
sein wird, den Ländern bei der Erfüllung der wirtschaftspolitischen Vorgaben umso mehr entgegenzukommen,
je weniger ehrgeizig die Europläne der Länder sind. "Für jene Länder, die deutliche Budgetkonsolidierungen
vor sich haben, wäre ein zu ehrgeiziger Weg wachstumshemmend", erklärt Bruckbauer. Sinnvolle und
der Situation in den CEE-Ländern angepasste Vorgaben der EU können jedoch nach Meinung der BA-CA für
einige Länder auch bei verschobenen Eurobeitritt positiven "Druck" verursachen, ihr öffentliches
Haushaltsdefizit wieder zu stabilisieren.
Wenig Risken durch Erweiterung
Für den heutigen Euroraum sieht die aktuelle Studie der BA-CA wenig Risken durch dessen Erweiterung.
Wären die neuen Länder bereits 2003 Euromitglieder gewesen, hätte das Wirtschaftswachstum des Euroraumes
statt 0,5 Prozent den Wert von 0,7 Prozent erreicht. Die Inflation wäre unverändert geblieben, das Defizit
der öffentlichen Haushalte läge um 0,1 Prozentpunkte höher, die Verschuldung wäre um etwa einen
Prozentpunkt geringer gewesen.
Insgesamt erwarten die Volkswirte der BA-CA keinen sehr raschen Beitritt zur Eurozone. "Die wirtschaftspolitischen
Realitäten und der zu erwartende Druck seitens der Wirtschaft lässt jedoch ein Beitrittsdatum 2008 für
zumindest einige Beitrittsländer als realistisch erscheinen", resümiert Bruckbauer.
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