Fragestunde mit Finanzminister Karl-Heinz Grasser  

erstellt am
30. 01. 04

Vom Verein zur Förderung der New Economy bis zu Privatisierungen
Wien (pk) - In der heutigen Fragestunde hatte Finanzminister Karl-Heinz Grasser an ihn gerichtete Fragen zu beantworten.

Abgeordneter Mag. MOSER (S): Wann wurde Ihnen als Minister bekannt, dass engste persönliche Mitarbeiter von Ihnen einen Verein gegründet haben, der mit umfangreichen Spendemitteln der Industriellenvereinigung eine Homepage mit Ihrem Namen betreibt?

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Finanzminister Mag. GRASSER bemerkte, er habe bereits in vielen Dringlichen Anfragen und Debatten im Hohen Haus sowie in den Sitzungen des Rechnungshof-Unterausschusses zu dieser Frage ausführlich Stellung genommen und verweise daher auf die diesbezüglichen Aussagen. Es gebe zudem mehrere Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft, die unabhängigen Behörden sollten nun die Materie prüfen.

Auf eine pointierte Frage des Abgeordneten Dr. Pilz, wie denn die Organisation heiße, die das Gesetz des Schweigens praktiziere, replizierte Grasser Lenin zitierend, wenn man jemandem mit politischen Argumenten nicht beikommen könne, dann müsse man ihn offenbar kriminalisieren. Die Opposition werde jedoch mit dieser Strategie keinen Erfolg haben, betonte er mit Nachdruck.

In Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung protestierten die Abgeordneten Dr. VAN DER BELLEN (G) und Dr. KRÄUTER (S) gegen die Vorgangsweise Grassers und stellten fest, dies sei ein Bruch der Geschäftsordnung.

Die Abgeordneten Mag. MOLTERER (V) und SCHEIBNER (F) wiesen diesen Vorwurf hingegen scharf zurück, wobei Molterer meinte, die Antwort hänge immer von der Qualität der Frage ab.

Präsident Dr. KHOL vertrat die Ansicht, das Parlament habe sich mit der Beantwortung zufrieden zu geben, zumal die Geschäftsordnung keinerlei Aussagen über den möglichen Inhalt einer Beantwortung treffe.

Abgeordneter DI AUER (V): Welche Schwerpunkte enthalten die Konjunktur- bzw. Wachstumspakete der Bundesregierung für den Arbeits- und Wirtschaftsstandort Kärnten?

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Grasser erinnerte an die beiden Konjunkturbelebungspakete, deren Wachstumseffekt für das abgelaufene Jahr er mit 0,5 bis 0,75 % des BIP bezifferte. Gerade Maßnahmen wie die vorzeitige Abschreibung von Betriebsgebäuden oder die steuerliche Begünstigung nicht entnommener Gewinne würden sich für das Tourismusland Kärnten positiv auswirken. Dazu komme noch die zweite Etappe der Steuerreform mit der Senkung der Körperschaftssteuer, die nach Einschätzung Grassers sämtlichen Betrieben und damit auch den Beschäftigten zugute komme.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G): Wie genau ist der Wirkungszusammenhang zwischen dem Eintreffen der Spende der Industriellenvereinigung in der Höhe von 283.000 € an den „Verein zur Förderung der New Economy“ mit dem Förderungszweck Karl-Heinz Grasser und dem Regierungsvorschlag zur Senkung der Körperschaftssteuer im Ausmaß von rund 1 Mrd. €?
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Grasser betonte, es gebe nicht den geringsten Wirkungszusammenhang, und bemerkte zudem, eigentlich sollte diese Frage unter der Würde des Abgeordneten Kogler sein. Er, Grasser, lasse sich jedenfalls keine strafrechtlichen Unterstellungen gefallen und weise diese auf das Schärfste zurück. Im Übrigen erinnerte der Finanzminister wie schon bei der ersten Frage an seine zahlreichen Stellungnahmen zu dieser Materie vor dem Hohen Haus.

Abgeordneter Dr. CAP (S) qualifizierte die an den Abgeordneten Kogler gerichteten Formulierungen Grassers als "Skandal".

Präsident Dr. KHOL sah in der Wortwahl des Ministers hingegen ein politisches Werturteil und meinte, die Formulierung sei in Worte gefasst, die mit der Würde des Hauses vereinbar seien.

Die Abgeordneten Dr. VAN DER BELLEN (G) und Dr. CAP (S) warfen daraufhin dem Finanzminister Antwortverweigerung vor und beantragten eine Sitzungsunterbrechung und die Einberufung einer Präsidialkonferenz.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) hielt ebenso wie Abgeordneter SCHEIBNER (F) die sofortige Abhaltung einer Präsidialen für nicht notwendig. Beide sprachen sich aber dafür aus, die Gestaltung der Fragestunden grundsätzlich einmal in einer Präsidiale zu behandeln.

Präsident Dr. KHOL unterbrach daraufhin die Sitzung und berief eine Präsidialkonferenz ein. Nach der Wiederaufnahme der Beratungen appellierte Präsident Khol an alle Abgeordneten, sich im Sinn einer Gesamtverantwortung aller Abgeordneten für die Würde des Hauses zu verhalten.

Abgeordneter BUCHER (F): Welches Volumen wurde/wird im Rahmen der beiden Etappen der Steuerreform sowie der drei Konjunkturbelebungs- bzw. Wachstumspakete insgesamt bewegt?
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In der ersten Etappe der Steuerreform betrage die Nettoentlastung 500 Mill. €, mit den Konjunkturpaketen etwas mehr als 1 Mrd. €, mit der 2. Etappe der Steuerreform 2,5 Mrd. €, in Summe ergebe das Entlastungen von als 4 Mrd. €. Dies entspreche einem Volumen der Steuerreformen seit dem Jahr 1989, sagte Grasser. Mehr denn je würde auch für die Forschung getan: bis 2006 1,2 Mrd. € für die Forschungsstiftung, dazu die Einführung eines Freibetrags von 25 % und einer Prämie von 8 %. Österreich liege damit im Schnitt des europäischen Niveaus, das Ziel sei, bis 2006 auf 2,5 % zu kommen. Als unrichtig wies der Finanzminister die Ansicht zurück, dass die großen Unternehmungen gegenüber den ArbeitnehmerInnen bevorzugt würden: Die Entlastung durch die KöSt betrage 975 Mill. €, die Tarifreform hingegen 1,380 Mrd. €.

Abgeordnete BURES (S): Entsteht eine Steuerpflicht, wenn sich ein Errichter eines Fonds gemäß Bundesstiftungs- und Fondsgesetz Teile des erforderlichen Gründungskapitals anstelle der Aufbringung aus seinem Privatvermögen durch Dritte zuwenden lässt?
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Der Errichter eines Fonds ziehe keinerlei Vorteile aus dem Fonds, weshalb der Errichter keiner Einkommensteuerpflicht unterliegen könne. Eine Schenkungssteuer falle dann nicht an, wenn der Fonds gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken diene, erklärte Grasser. Wenn für einen Vortrag kein Honorar verlangt werde, seien Spenden aus Anlass dieses Vortrags an gemeinnützige Institutionen beim Vortragenden nicht steuerpflichtig. Ein ausdrücklich verlangtes Honorar hingegen sei auch dann steuerpflichtig, wenn es in gleicher Weise zugewendet würde.

Abgeordneter HAUBNER (V): Welche familienpolitischen Effekte erwarten Sie sich durch das Familienpaket der Bundesregierung im Rahmen der Steuerreform?

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230 Mill. € würden für eine Erhöhung des Kinderabsetzbetrages im Bereich der Alleinverdiener bzw. Alleinerzieher eingesetzt, und es gebe eine Kinderstaffel von 130, 175 und 220 € für das 1., 2. und 3. Kind. Die Maßnahme sei auf diese Gruppe hin orientiert, weil Haushalte, in denen beide Elternteile verdienen, zweimal von der Tarifentlastung profitierten, sagte Grasser und illustrierte dies an einem Beispiel. Frauen profitierten - weil sie tendenziell niedrigere Einkommen haben als Männer - von der Tarifentlastung stärker. Auch die Anhebung der Freigrenzen wirke sich positiv für die Frauen aus. Auf die Vorhaltung, mit der Steuerreform würden genau jene Familien benachteiligt, in denen sich beide Eltern Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit aufteilten, antwortete Grasser, dies stimme mit den Fakten nicht überein: Beidverdienerhaushalte mit kleinem Einkommen würden entlastet, sagte Grasser, und nannte Zahlen: 1,07 Mrd. € für die allgemeine Tarifentlastung würden Steuerzahler in diesem Bereich entlasten, und zwar zusammen mit der 1. Etappe der Reform im Ausmaß von 500 € netto pro Jahr, und anderseits seien 230 Mill. € für die Entlastung der Alleinverdiener vorgesehen.

Abgeordneter Dr. PILZ (G): Gegen wie viele und welche MitarbeiterInnen Ihres Kabinetts laufen derzeit gerichtliche Strafverfahren?

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Die Antwort des Bundesministers lautete wörtlich: "Gegen keinen einzigen". In seiner Antwort auf eine Zusatzfrage wies der Minister Aussagen über eine Intervention bei der Generalprokuratur zurück und stellte klar, dass sein Sozialfonds armen und kranken Kindern und somit sozialem Engagement diene. Abgeordneter Dr. Kräuter (S) erfuhr vom Ressortleiter, dass die von ihm genannte Homepage die Homepage des privaten Vereins zur Förderung der New Economy sei.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F): Worin liegen die wesentlichen Unterschiede in der Privatisierungspolitik der SPÖ-geführten Regierungen bis Ende 1999 und der zwischen ÖVP- und FPÖ-gebildeten Regierungen ab 2000?

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Finanzminister Grasser informierte darüber, dass frühere Bundesregierungen 4,3 Mrd. € an Steuergeldern in verstaatlichte Unternehmen haben fließen lassen, dort dennoch 30.000 bis 40.000 Arbeitsplätze verloren gingen und letztlich ein Schuldenstand von 6,3 Mrd. € hinterlassen worden sei. Heute sind die ÖIAG-Betriebe wirtschaftlich saniert - das ist für Grasser eine gute Entwicklung für die Unternehmen und für die Steuerzahler. In den Jahren 1996 bis 1999 wurden Privatisierungserlöse in der Höhe von 1,2 Mrd. € erzielt, im Zeitraum 2000 bis 2003 aber 3,9 Mrd. €. Die Dividendenerlöse stiegen im selben Zeitvergleich von 301,7 Mill. € auf 921,7 Mill. €, erfuhren die Abgeordneten.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Mag. KOGLER (G), die sich pointiert auf Absichten des Finanzministers bezog, das Finanzministerium zu privatisieren und in den Verein New Economy überzuführen, wies der Finanzminister zurück.

Gegenüber Abgeordnetem Dr. BAUER (S), der sich gegen den Ausverkauf öffentlichen Eigentums wandte, machte der Finanzminister geltend, dass die Privatisierungserlöse seit 2000 verdreifacht werden konnten.

Mit Abgeordnetem LEDOLTER (V) stimmte Finanzminister Grasser in der Auffassung überein, dass Privat besser sei als Staat und belegte dies mit dem Hinweis auf den Verlust von mehr als 50.000 Arbeitsplätzen in den ÖIAG-Betrieben seit 1986.
     
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