Paris (esa) - Die ESA-Kometensonde Rosetta wird am 26. Februar 2004 mit einer Trägerrakete des Typs
Ariane-5 von Kourou in Französisch-Guayana aus gestartet. Ursprünglich sollte dies vor etwa einem Jahr
stattfinden; nach dem Fehlstart einer leistungsstärkeren Ausführung der Ariane-5 im Dezember 2002 wurde
jedoch vorsichtshalber beschlossen, die Reise der Sonde zu verschieben. Die Mission sieht erstmals die Landung
auf einem Kometen vor, einem jener eisigen Himmelskörper, die durch das Sonnensystem wandern und bei der Annäherung
an unser Zentralgestirn einen charakteristischen Schweif entfalten.
Wegen der Startverzögerung kann Rosetta ihren ursprünglichen Zielkometen Wirtanen nicht mehr anfliegen.
Inzwischen wurde jedoch ein Ersatzkomet gefunden, 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, den sie nach einer mehr als zehnjährigen
Reise durch das Sonnensystem im Jahr 2014 erreichen wird. Die Sonde wurde nach dem berühmten Stein von Rosette
benannt, der vor nahezu 200 Jahren die Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen ermöglicht hat.
In Anlehnung daran hoffen die Wissenschaftler, daß Rosetta helfen wird, die Geheimnisse des Sonnensystems
zu enträtseln.
Für die Wissenschaftler sind Kometen deshalb interessant, weil ihre Zusammensetzung Aufschluß über
den Zustand des Sonnensystems gibt, als es noch sehr jung und „unfertig“ war. In den seither vergangenen 4,6 Milliarden
Jahren haben sich Kometen nur wenig verändert.
Rosetta soll bei der Umrundung des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko und nach der Landung auf seinem Kern Informationen
sammeln, die für das Verständnis des Ursprungs und der Entwicklung unseres Sonnensystems von entscheidender
Bedeutung sind. Die Sonde soll auch die Frage beantworten helfen, ob Kometen zu den Anfängen des Lebens auf
der Erde beigetragen haben. Kometen sind Träger komplexer organischer Moleküle, die möglicherweise
bei Einschlägen auf die Erde gelangt sind und so vielleicht eine Rolle bei der Entstehung von Lebensformen
gespielt haben. Denkbar wäre auch, daß von Kometen transportierte „flüchtige“ Elemente einen bedeutenden
Beitrag zur Bildung der Atmosphäre und Ozeane der Erde leisteten.
„Rosetta ist eine der anspruchsvollsten Missionen, die je unternommen worden sind“, meint Professor David Southwood,
der Wissenschaftsdirektor der ESA. „Niemand hat bisher ein ähnliches Vorhaben gewagt, das wegen seiner wissenschaftlichen
Bedeutung, aber auch wegen seiner komplexen und spektakulären Raumflugmanöver einzigartig ist“. Vor der
Ankunft an ihrem Ziel im Jahr 2014 wird Rosetta die Sonne vier Mal auf weiten Schleifen im inneren Sonnensystem
umkreisen, wobei sie zum Teil extremen Temperaturen ausgesetzt sein wird. Bei der Annäherung an den Kometen
Tschurjumow-Gerasimenko werden die Wissenschaftler die Sonde behutsam abbremsen und auf eine niedrige Bahn um den
Kometen lenken, von wo aus ein Landegerät sanft auf dem Kern des Kometen abgesetzt werden soll. Dies ist mit
der Landung auf einer kleinen kosmischen Kugel vergleichbar, deren „Geographie“ - zumindest jetzt noch - nahezu
unbekannt ist.
Mühseliger zehnjähriger Anflug
Rosetta ist eine 3 Tonnen schwere, rund 3 m hohe kastenförmige Sonde mit zwei 14 m langen Solarzellenauslegern.
Die Sonde besteht aus einem Orbiter und einem Landegerät. Das Landegerät hat einen Durchmesser von rund
1 m und ist 80 cm hoch. Während der Reise zum Kometen Tschurjumow-Gerasimenko ist es seitlich am Rosetta-Orbiter
befestigt. Rosetta führt insgesamt 21 Instrumente mit, davon 10 auf dem Landegerät. Sie bleiben während
des zehnjährigen Anflugs fast ständig abgeschaltet.
Warum dauert der Anflug so lange? Um zum Kometen Tschurjumow-Gerasimenko zu gelangen, muß die Sonde weit
in den Weltraum hinausfliegen, bis sie etwa dieselbe Entfernung wie Jupiter von der Sonne erreicht. Keine Trägerrakete
der Welt könnte sie auf direktem Wege dorthin befördern. Deshalb muß die ESA-Sonde viermal durch
Vorbeiflüge an Planeten Schwung holen: einmal am Mars im Jahr 2007 und dreimal an der Erde in den Jahren 2005,
2007 und 2009. Auf ihrem Flug wird Rosetta zweimal den Asteroidengürtel durchqueren, wo ein Vorbeiflug an
einem oder mehreren dieser primitiven Objekte möglich ist. Es wurde bereits eine Reihe möglicher Ziele
ausgemacht; die endgültige Auswahl wird jedoch erst nach dem Start erfolgen, wenn die Missionsingenieure genau
festgestellt haben, wieviel Treibstoff verbleibt. Während dieser Begegnungen wollen die Wissenschaftler die
Bordinstrumente für die wissenschaftliche Untersuchung dieser noch nahezu unerforschten Körper des Sonnensystems
einschalten.
Lange Reisen durch den Weltraum bringen viele Beschwernisse wie z.B. extreme Temperaturschwankungen mit sich. Rosetta
wird aus den milden Umgebungsbedingungen des erdnahen Weltraums in die dunklen, eiskalten Regionen jenseits des
Asteroidengürtels eintauchen. Um sich zu vergewissern, daß die Sonde diesen schweren thermischen Belastungen
standhält, haben die Ingenieure sie vor dem Start harten Tests unterworfen. So haben sie ihre Außenflächen
beispielsweise auf über 150° C erhitzt und sie dann rasch wieder auf -150° C abgekühlt.
Vor dem Rendezvous mit dem Kometen im Jahr 2014 wird die Sonde voll reaktiviert. Rosetta wird den Kometen - ein
nur rund 4 km breites Objekt - dann ständig umrunden, während er sich mit einer Geschwindigkeit von 135
000 km/h durch das innere Sonnensystem bewegt. Im Zeitpunkt des Rendezvous - in etwa 675 Millionen km Entfernung
von der Sonne - dürfte Tschurjumow-Gerasimenko noch wenig Oberflächenaktivität aufweisen, d.h. die
charakteristische Koma (die Gashülle des Kometen) und der Schweif dürften sich wegen der großen
Entfernung von der Sonne noch nicht gebildet haben. Der Kometenschweif entsteht ja aus Staubkörnern und gefrorenen
Gasen an der Oberfläche des Kometenkerns, die unter dem Einfluß der Sonnenwärme verdampfen. Sechs
Monate lang wird Rosetta die Oberfläche des Kometenkerns genau kartieren, worauf ein Landeplatz ausgewählt
wird. Im November 2014 wird das Landegerät automatisch aus einer Höhe von nur 1 km abgeworfen. Das Aufsetzen
wird bei Gehgeschwindigkeit - weniger als 1 m/s -erfolgen. Unmittelbar danach wird das Landegerät eine Harpune
in den Boden schießen, um ein Zurückprallen in den Weltraum zu verhindern, da die Schwerkraft des Kometenkerns
nicht ausreichen würde, um das Landegerät festzuhalten. Die wissenschaftlichen Untersuchungen und Beobachtungen
auf der Oberfläche des Kometenkerns sollen mindestens eine Woche dauern, können sich eventuell aber über
mehrere Monate erstrecken. Das Landegerät wird nicht nur Bilder aus nächster Nähe aufnehmen, sondern
auch Bohrungen in der dunklen organischen Kruste vornehmen und Proben der wichtigsten Eise und Gase entnehmen.
Während und nach dem Betrieb des Landegeräts wird der Rosetta-Orbiter den Kometen weiter umkreisen und
beobachten. Rosetta wird damit das erste Raumfluggerät sein, das aus nächster Nähe die an einem
Kometen eintretenden Veränderungen erfaßt, wenn dieser sich der Sonne nähert, wobei er seine Koma
und seinen Schweif bildet, und sich anschließend wieder von ihr entfernt. Die Mission wird nach einem zwölf
Jahre währenden Abenteuer im Dezember 2015 enden, wenn der Komet seinen sonnennächsten Punkt überschritten
und seinen Weg in Richtung äußeres Sonnensystem eingeschlagen hat.
Untersuchung eines Kometen vor Ort
Rosetta soll den Kometen gründlichst unter die Lupe nehmen. Zu diesem Zweck ist der Rosetta-Orbiter mit mehreren
Kameras und Spektrometern unterschiedlicher Wellenlängenbereiche - Infrarot, Ultraviolett, sichtbarer Bereich,
Mikrowellen - sowie einer Reihe von Instrumenten für Analysen vor Ort ausgestattet. Diese Instrumente werden
unter anderem hochauflösende Aufnahmen sowie Informationen über die Form, Dichte, Temperatur und chemische
Zusammensetzung des Kometenkerns liefern. Sie werden auch die Gase und Staubkörner in der sogenannten „Koma“,
die sich bei der Annäherung an die Sonne bildet, analysieren und die Wechselwirkung mit dem Sonnenwind untersuchen.
Die 10 Instrumente auf dem Landegerät werden die Zusammensetzung und Struktur der Kometenoberfläche sowie
Material unterhalb der Oberfläche analysieren. Eine Bohrvorrichtung wird Bodenproben bis in 30 cm Tiefe entnehmen
und den Analysegeräten zuführen. Andere Instrumente werden Eigenschaften wie die oberflächennahe
Festigkeit, Dichte, Porosität, Eisphasen und thermische Eigenschaften messen. Mikroskopische Untersuchungen
von Einzelkörnern werden Auskunft über die Textur geben.
Bodenbetrieb
Sämtliche wissenschaftlichen Daten einschließlich der vom Landegerät gelieferten werden
vom Orbiter zwischengespeichert und beim nächsten Kontakt mit der Bodenstation zur Erde übertragen. Die
ESA hat in New Norcia nahe Perth in Westaustralien eine neue Antenne für interplanetare Missionen errichtet,
die die Hauptverbindung zwischen der Kometensonde und dem Missionskontrollzentrum ESOC der ESA in Darmstadt (Deutschland)
wahrnimmt. Mit dieser 35 m durchmessenden Parabolantenne können Funksignale bis in über 1 Million km
Entfernung von der Erde gesandt werden. Die sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegenden Funksignale legen die
Entfernung zwischen der Sonde und der Erde in bis zu 50 Minuten zurück.
Das Rosetta-Wissenschaftsbetriebszentrum, das für die Sammlung und Verteilung der wissenschaftlichen Daten
verantwortlich ist, ist auf das ESOC und die ESA-Niederlassung ESTEC in Noordwijk (Niederlande) aufgeteilt. Das
Kontrollzentrum für das Landegerät befindet sich beim DLR in Köln (Deutschland), während das
Wissenschaftszentrum für das Landegerät beim CNES in Toulouse (Frankreich) angesiedelt ist. Bau von Rosetta
Die Mission Rosetta wurde 1993 ausgewählt. Die Raumsonde wurde von Astrium Deutschland als Hauptauftragnehmer
unter Beteiligung von über 50 Auftragnehmern aus 14 europäischen Ländern, Kanada und den Vereinigten
Staaten - darunter Astrium UK (Plattform der Sonde), Astrium Frankreich (Avionik) und Alenia Spazio (Zusammenbau,
Integration und Erprobung) - gebaut.
Die Instrumente für den Rosetta-Orbiter wurden von wissenschaftlichen Konsortien aus Instituten in Europa
und den USA bereitgestellt. Ein europäisches Konsortium unter der Federführung des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) steuerte das Landegerät bei. Rosetta kostet die ESA 770 Millionen Euro
zum Preisstand von 2000. In diesem Betrag sind der Start, die Entwicklungsarbeiten ab 1996 und der Missionsbetrieb
bis 2015 eingeschlossen. Das Landegerät und die Instrumente, die sogenannte „Nutzlast“, sind nicht eingerechnet,
da sie von den Mitgliedstaaten über wissenschaftliche Institute finanziert werden. |