Prof. Ebertz: Neue Unbekümmertheit im Umgang mit Kirche und Religion  

erstellt am
10. 02. 04

Linz (diözese) - „Einen Wandel in der kirchenbezogenen Religiosität und ein Auseinandertriften von institutioneller und individueller Gestalt des Glaubens“ sieht Professor Michael N. Ebertz, Soziologe und Theologe in Freiburg und Konstanz, als realistische Ausgangsbasis dafür, heute über neue Ansätze und Aufbrüche in der Kirche nachzudenken. Beim gemeinsamen Studientag des Religionspädagogischen Institutes Linz, des Institutes für pastorale Fortbildung und des Bildungshauses Schloss Puchberg am Samstag (07. 02.) sieht Ebertz heute auch eine „neue Unbekümmertheit im Umgang mit der Kirche, ihren Geboten, Regeln und Riten.“

„Die Formatierung eines Menschen zum regelmäßigen Gottesdienstbesuch geschieht familiär in der Kindheit und später noch prägender zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Dort sind heute die Kirchen im Dilemma“, so Ebertz. Wurde früher die Kirche in ihrer Sozialgestalt als „Gnadenanstalt und Überzeugungsorganisation“ geführt und erlebt, so wandelt sich heute die Kirche „hin zur Dienstleistungsgemeinschaft, zur assoziativen Gruppenkirche und eine gewisse „Eventisierung“ des Kirchlichen ist ebenfalls nicht zu übersehen.“

Wenn heute mehr als 50 % der Bevölkerung den primären Sinn darin sehen, „das Leben zu genießen“ und objektiv der Bereich Wellness, Gesundheit und Schönheitschirurgie boomen, „das Badezimmer zum neuen Kultort des Körpers aufsteigt“, so betont Ebertz ohne Zögern, dass „auch in der modernen Gesellschaft das Religiöse eine Wachstumsbranche sein kann“. Die Sinngebung ist zwar heute von der Institution auf das Individuum übergegangen, doch suchen gerade hier Menschen eine Hilfe, einen Sinn gebenden Rahmen, den die Kirche geben kann. Auch im Bereich der neuen Vergemeinschaftung braucht der Mensch Anstöße und Hilfestellung. „Die Kirche kann hier mit ihrer konsequenten Solidaritätslogik eine Stütze sein, ja wird direkt zum Hoffnungsträger bei der immer weniger werdenden Solidarität.“

Ebertz spricht sich für neue Formen der Volkskirche aus. „Pfarren müssen sich in Zukunft mehr im Verbund begreifen und mit anderen pastoralen Knotenpunkten zusammen für eine differenzierte Sammlung und Sendung der Menschen sorgen“. Klöster, Orte der Pflege, Hospize, besondere Formen der Citypastoral, Betriebsseelsorgezentren oder Krankenhäuser sind nur einige dieser neuen Bezugspunkte, „wo neue pastorale Räume für Menschen geöffnet werden können.“ Genau an diesen Orten kann Kirche eine neue Gestalt gewinnen und „wieder attraktiv werden“, ist Ebertz überzeugt.
     
zurück