Die Verantwortlichkeit juristischer Personen
Wien (bmj) - Eine gerichtliche Strafe kann derzeit in Österreich nur dann ausgesprochen werden,
wenn einer Person eine Straftat und ein persönliches Verschulden nachgewiesen werden kann. Werden Straftaten
im Rahmen von Unternehmen begangen, so kann zwar eine Haftung der juristischen Person oder Gesellschaft für
Geldstrafen ausgesprochen werden, die über einzelne Mitarbeiter verhängt werden, über das Unternehmen
selbst kann jedoch keine Sanktion verhängt werden. Das Ausmaß der Geldstrafen richtet sich ausschließlich
nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des einzelnen Mitarbeiters.
Die meisten vergleichbaren Industriestaaten kennen freilich mittlerweile eine unmittelbare Strafbarkeit von juristischen
Personen und dadurch vor allem hohe Geldsanktionen, die sich nach der Leistungsfähigkeit des Unternehmens
richten. Dabei ist besonders an Betrugs- und Bestechungsdelikte gedacht, die „aus dem Unternehmen heraus“ begangen
werden, aber auch an Umweltdelikte und dergleichen. Eine Unternehmensverantwortlichkeit muss nach zahlreichen internationalen
Rechtsakten (insbesondere der EU, aber auch der UNO, der OECD und des Europarates) auch in Österreich eingeführt
werden.
Das Bundesministerium für Justiz wird in diesem Sinne noch im Frühjahr 2004 einen Entwurf zur allgemeinen
Begutachtung versenden, in dem zwar keine Strafen im engeren Sinne, wohl aber Geldsanktionen für Unternehmen
angedroht werden sollen, dessen Führungsorganen ein strafrechtlicher Vorwurf trifft. Ein persönliches
Fehlverhalten des Geschäftsführers oder sonstiger Führungsorgane wird dabei nicht verlangt, es kann
auch ein Organisationsverschulden vorliegen. Dieser Organisations- oder Überwachungs- und Kontrollmangel muss
das Fehlverhalten des Mitarbeiters konkret herbeigeführt oder erleichtert haben. Dazu genügt auch die
Unterlassung jener Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen, die zur Abwendung von Unregelmäßigkeiten,
Unfällen und dergleichen erforderlich sind. Es muss sich also in jedem Fall um ein dem Gesamtunternehmen oder
seiner Führungskräfte zurechenbares Verschulden handeln. Zufälliges und nicht vorhersehbares Fehlverhalten
von Mitarbeitern oder gar Handlungsweisen, die internen Richtlinien bzw. Weisungen widersprechen, sollen eine Sanktionierung
des Unternehmens nicht rechtfertigen können.
Die Feststellung dieser Verantwortung für betriebliches Fehlverhalten und der Ausspruch von „Sanktionen“ gegen
das Unternehmen soll grundsätzlich im gerichtlichen Strafverfahren gemeinsam mit dem Verfahren gegen die natürliche
Person erfolgen, weil diese Verfahrenskonzentration nicht nur der Beschleunigung, sondern der Vermeidung widersprüchlicher
Entscheidungen dient.
Im Vorfeld der Erstellung eines Ministerialentwurfes wurden bereits eingehende Gespräche mit den Interessenvertretungen
der Wirtschaft geführt. Dabei erzielte man Übereinstimmung über die grundsätzliche Ausrichtung
des Gesetzesvorhabens. Die Einzelheiten der neuen Regelung werden im Zuge des bevorstehenden Begutachtungsverfahrens
noch im Detail zu diskutieren sein, geht es doch um eine grundsätzliche Änderung des Strafrechtssystems,
das sich bisher noch ausschließlich gegen individuelle Personen richtet.
Auf Grund der Ergebnisse dieser Diskussion wird eine Regierungsvorlage erstellt, die der Ministerrat noch im Sommer
2004 verabschieden soll, sodass die parlamentarischen Beratungen im Herbst 2004 abgeschlossen werden können.
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