Unternehmensstrafrecht  

erstellt am
23. 02. 04

Die Verantwortlichkeit juristischer Personen
Wien (bmj) - Eine gerichtliche Strafe kann derzeit in Österreich nur dann ausgesprochen werden, wenn einer Person eine Straftat und ein persönliches Verschulden nachgewiesen werden kann. Werden Straftaten im Rahmen von Unternehmen begangen, so kann zwar eine Haftung der juristischen Person oder Gesellschaft für Geldstrafen ausgesprochen werden, die über einzelne Mitarbeiter verhängt werden, über das Unternehmen selbst kann jedoch keine Sanktion verhängt werden. Das Ausmaß der Geldstrafen richtet sich ausschließlich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des einzelnen Mitarbeiters.

Die meisten vergleichbaren Industriestaaten kennen freilich mittlerweile eine unmittelbare Strafbarkeit von juristischen Personen und dadurch vor allem hohe Geldsanktionen, die sich nach der Leistungsfähigkeit des Unternehmens richten. Dabei ist besonders an Betrugs- und Bestechungsdelikte gedacht, die „aus dem Unternehmen heraus“ begangen werden, aber auch an Umweltdelikte und dergleichen. Eine Unternehmensverantwortlichkeit muss nach zahlreichen internationalen Rechtsakten (insbesondere der EU, aber auch der UNO, der OECD und des Europarates) auch in Österreich eingeführt werden.

Das Bundesministerium für Justiz wird in diesem Sinne noch im Frühjahr 2004 einen Entwurf zur allgemeinen Begutachtung versenden, in dem zwar keine Strafen im engeren Sinne, wohl aber Geldsanktionen für Unternehmen angedroht werden sollen, dessen Führungsorganen ein strafrechtlicher Vorwurf trifft. Ein persönliches Fehlverhalten des Geschäftsführers oder sonstiger Führungsorgane wird dabei nicht verlangt, es kann auch ein Organisationsverschulden vorliegen. Dieser Organisations- oder Überwachungs- und Kontrollmangel muss das Fehlverhalten des Mitarbeiters konkret herbeigeführt oder erleichtert haben. Dazu genügt auch die Unterlassung jener Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen, die zur Abwendung von Unregelmäßigkeiten, Unfällen und dergleichen erforderlich sind. Es muss sich also in jedem Fall um ein dem Gesamtunternehmen oder seiner Führungskräfte zurechenbares Verschulden handeln. Zufälliges und nicht vorhersehbares Fehlverhalten von Mitarbeitern oder gar Handlungsweisen, die internen Richtlinien bzw. Weisungen widersprechen, sollen eine Sanktionierung des Unternehmens nicht rechtfertigen können.

Die Feststellung dieser Verantwortung für betriebliches Fehlverhalten und der Ausspruch von „Sanktionen“ gegen das Unternehmen soll grundsätzlich im gerichtlichen Strafverfahren gemeinsam mit dem Verfahren gegen die natürliche Person erfolgen, weil diese Verfahrenskonzentration nicht nur der Beschleunigung, sondern der Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen dient.

Im Vorfeld der Erstellung eines Ministerialentwurfes wurden bereits eingehende Gespräche mit den Interessenvertretungen der Wirtschaft geführt. Dabei erzielte man Übereinstimmung über die grundsätzliche Ausrichtung des Gesetzesvorhabens. Die Einzelheiten der neuen Regelung werden im Zuge des bevorstehenden Begutachtungsverfahrens noch im Detail zu diskutieren sein, geht es doch um eine grundsätzliche Änderung des Strafrechtssystems, das sich bisher noch ausschließlich gegen individuelle Personen richtet.

Auf Grund der Ergebnisse dieser Diskussion wird eine Regierungsvorlage erstellt, die der Ministerrat noch im Sommer 2004 verabschieden soll, sodass die parlamentarischen Beratungen im Herbst 2004 abgeschlossen werden können.
     
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