Rote Traumfabriken  

erstellt am
18. 02. 04

Filmschau »Österreicher bei der DEFA« und Retrospektive »Die Wien-Film am Rosenhügel 1950–1955«
Wien (filmarchiv) - Unter dem Themenschwerpunkt "Rote Traumfabriken" zeigt das Filmarchiv Austria im März 2004 die Filmschau "Österreicher bei der DEFA" und die Retrospektive "Die Wien-Film am Rosenhügel 1950-1955". Vor dem historischen Hintergrund der Weltkriegserfahrung und der neuen politischen Verhältnisse im Nachkriegseuropa, gekennzeichnet vom Klima des Kalten Krieges, waren Moskau, Wien und Berlin die Gravitationszentren eines in Filmproduktionen manifest gewordenen Selbstverständnisses, über das Kino explizit auch einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen zu wollen.

ÖSTERREICHER BEI DER DEFA
1. bis 21. März 2004, Metro Kino

ÖSTERREICHER BEI DER DEFA thematisiert ein fast schon vergessenes Kapitel österreichischer Künstleremigration nach 1945. Als nach dem Krieg die Neue Wiener Scala im ehemals repräsentativsten Kinobetrieb der Stadt 1948 ihren Betrieb aufnahm, avancierte sie bald zu einer gesellschaftlich engagierten Volksbühne. Mit Unterzeichnung des Staatsvertrages musste das im russischen Sektor gelegene Haus an den Österreichischen Gewerkschaftsbund übergeben werden, das Theater wurde gekündigt. Praktisch geschlossen wechselte das hochkarätige Ensemble von Wien nach Ostberlin. Schauspieler wie Wolfgang Heinz, Karl Paryla, Erika Pelikowsy, Lilly Schmuck, Peter Sturm, Otto Tausig oder Rudolf Wessely wurden dort von der DEFA engagiert.

Die 1946 gegründete Produktionsfirma verstand sich nicht nur als filmkulturelle, sondern vor allem auch als gesellschaftspolitische Kraft, die auf die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges mit antifaschistischem und demokratischem Engagement reagieren wollte. In über 50 Programmen zeigt die von Ralf Schenk und Raimund Fritz kuratierte Schau ÖSTERREICHER BEI DER DEFA nicht nur Klassiker des deutschsprachigen Nachkriegskinos (WOZZECK, PROFESSOR MAMLOCK, DER GETEILTE HIMMEL), sondern präsentiert auch echte (Wieder-)Entdeckungen: etwa das schmale, aber einflussreiche Œuvre des Wiener Kameramanns und Regisseurs Hugo Hermann, der für die DEFA herausragende Dokumentarfilme schuf, oder die Arbeiten des ebenfalls aus Wien gebürtigen Georg C. Klaren, der bei der DEFA erster Chefdramaturg wurde.

Zahlreiche Filme werden dabei als österreichische Erstaufführungen gezeigt. Als Gäste werden u. a. Gerhard Klingenberg, Siegfried Kühn, Otto Tausig, Lilly Schmuck und Rudolf Wessely erwartet.

ÖSTERREICHER BEI DER DEFA ist ein Projekt, das mit großzügiger Unterstützung der DEFA-Stiftung, Berlin, der Progress-Film, Berlin und dem Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin
realisiert wird.


DIE WIEN-FILM AM ROSENHÜGEL 1950-1955
Retrospektive 22. bis 31. März 2004, Metro Kino

Von 1946 bis 1955 hatten die sowjetischen Besatzer die Kontrolle über die Wien-Film Ateliers am Rosenhügel übernommen, ab 1950 entstanden dort 16 Eigenproduktionen - eine rote Traumfabrik zumindest als Intention. In dieser von Stefan Grissemann kuratierten Schau werden erstmals alle Filme der "roten Rosenhügelproduktion" zu sehen sein.

Die Rosenhügelfilme nehmen im österreichischen Nachkriegsfilm einen besonderen Status ein. Sie berichten von proletarischen Lebensumständen, kritisieren die herrschende Obrigkeit und stellen soziale Hierarchien in Frage. Trotzdem halten viele dieser Filme am "traditionellen österreichischen Filmgenre", dem Musik- und Revuefilm, fest. So etwa DAS KIND DER DONAU, ein Film von Georg Jacoby mit Marika Rökk in der Hauptrolle.

Doch auch anspruchsvolle Literatur- und Musiktheateradaptionen wie Louis Daquins BEL AMI, Alberto Cavalcantis HERR PUNTILA UND SEIN KNECHT MATTI und Karl Parylas GASPARONE sind Teil dieser Produktionsgeschichte. Opernverfilmungen wie Walter Felsensteins FIDELIO und Walter Kolm-Veltées DON JUAN und das Gegenwartsdrama SCHICKSAL AM LENKRAD - ein Film, der sich dem Thema Jugendarbeitslosigkeit widmet - sind weitere bemerkenswerte Produktionen dieser Periode.

Nicht wenige der später bei der DEFA engagierten österreichischen Schauspieler übrigens erprobten schon am Rosenhügel ihre Kinokarriere unter "roter" Studioleitung. Solche Kontinuitäten, Übergänge und Wechselwirkungen sind es, die mit dem Themenschwerpunkt ROTE TRAUMFABRIKEN veranschaulicht und im begleitenden Programmheft vertieft werden.

Weitere Informationen sowie Material (Fotos, Ansichts-Videos) zum gesamten Programm stellen wir gerne zur Verfügung.

Informationen: http://www.filmarchiv.at
     
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