Innenausschuß: Abgeordnete diskutieren über geplante Polizeireform  

erstellt am
18. 02. 04

Strasser. Sicherheitsbehörden werden Exekutive weiter kontrollieren
Wien (pk) - Die geplante Polizeireform und die Situation im Flüchtlingslager Traiskirchen standen am Dienstag (17. 02.) im Mittelpunkt einer Aktuellen Aussprache im Innenausschuss des Nationalrats. Innenminister Ernst Strasser trat dabei Befürchtungen entgegen, dass es in Zukunft zu einer Entkoppelung des Exekutivkörpers von den Sicherheitsbehörden kommen werde. Er wolle nicht ausschließen, dass der eine oder andere Mitarbeiter seines Ressorts für einen autonomen Wachkörper sei, erklärte Strasser, er hielte einen solchen Schritt aber für "fehlgeleitet". Seiner Meinung nach ist auch in Zukunft eine entsprechende Balance zwischen dem Auftrag durch die Sicherheitsbehörden, der Ausführung durch den Exekutivkörper und der Kontrolle durch die Behörden erforderlich.

Zuvor hatten sich Abgeordnete der SPÖ besorgt über die geplante Polizeireform gezeigt und Überlegungen, den Wachkörper völlig von den Sicherheitsbehörden abzukoppeln, strikt zurückgewiesen. So meinte etwa Abgeordneter Anton Gaal, es wäre demokratiepolitisch bedenklich und würde vermutlich auch nicht im Einklang mit der Verfassung stehen, würde man keine Rechtskontrolle des Exekutivkörpers mehr vorsehen. Seiner Auffassung nach müssen die Behörden ein uneingeschränktes Kontrollrecht behalten, die Exekutive müsse weiter ein Hilfsorgan der Behörde bleiben. Gaal ortet auch ein großes Informationsdefizit über die Reformvorschläge des "Team 04".

Ähnlich wie Gaal argumentierte auch sein Fraktionskollege Otto Pendl, der betonte, dass im Vordergrund aller Reformüberlegungen die Behördenstruktur stehen müsse und der primäre Zugang zur Polizeireform nur die Rechtsstaatlichkeit sein könne. Kein Mensch sei gegen Reformen, auch nicht in der Exekutive, sagte Pendl, es sei aber die Frage, wie man die Reformen mache.

Seitens der ÖVP verwies Abgeordneter Werner Miedl auf die Notwendigkeit einer Polizeireform. Auch die SPÖ erkenne deren Notwendigkeit, zeigte er sich überzeugt. Sowohl Miedl als auch sein Fraktionskollege Günter Kößl räumten ein, dass die Betroffenen, vor allem die Polizeijuristen, durch die Reformdiskussion verunsichert seien, Miedl machte aber geltend, dass Reformen immer mit Verunsicherung verbunden sind. Kößl gab zu bedenken, dass Polizeijuristen nicht unbedingt erforderlich seien und verwies in diesem Zusammenhang auf das Dienstsystem der Gendarmerie. Die SPÖ erinnerte er daran, dass diese die letzte Budgeterhöhung für das Innenministerium nicht mitgetragen habe.

Sowohl Abgeordneter Johann Maier (S) als auch Abgeordnete Terezija Stoisits (G) wiesen auf den engen Zusammenhang zwischen der anstehenden Strafprozessreform und der geplanten Polizeireform hin. Stoisits bedauerte, dass Innenminister Strasser bei den sieben Unterausschusssitzungen des Justizausschusses zur Vorberatung der StPO-Reform "gefehlt" habe, und hielt fest, diese erhalte durch die Vorschläge des "Team 04" zur Polizeireform zusätzliche Brisanz. Skeptisch äußerte sich Stoisits etwa zu Überlegungen des Justizressorts, PolizeijuristInnen künftig zu StaatsanwältInnen umzuschulen.

Abgeordneter Maier wollte von Strasser überdies wissen, ob tatsächlich geplant sei, dass für Gendarmeriebeamte künftig nicht mehr wie derzeit der jeweilige Posten die Dienststelle sein und dadurch der Versetzungsschutz wegfallen werde. Überdies erkundigte er sich danach, wie das Innenministerium die Sicherheit seiner Computernetzwerke gewährleiste.

Abgeordnete Katharina Pfeffer (S) fragte den Innenminister, nach welchen Kriterien welche Zollwachebeamten vom Innenministerium übernommen würden und welche nicht. Abgeordneter Walter Posch (S) interessierte sich dafür, ob Gehaltseinbußen durch die Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei ausgeschlossen werden können.

Innenminister Ernst Strasser erklärte, er sei mit den Abgeordneten der SPÖ völlig einer Meinung, wonach die Sicherheitsbehörden gegenüber der Sicherheitswache nicht an Einfluss verlieren sollten. Auftrag und Kontrolle müssten auch weiterhin Aufgabe der Behörde sein. Sehr gut funktioniere das derzeit im Bereich der Sicherheitsverwaltung erster Instanz bei der Gendarmerie, wo die Sicherheitswache im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft agiere.

Es möge den einen oder anderen Mitarbeiter in seinem Ressort geben, der für einen autonomen Wachkörper sei, führte Strasser weiter aus, er selbst halte solche Überlegungen aber für "fehlgeleitet". Auch im Diskussionspapier des "Team 04" sei eine entsprechende Balance zwischen Auftrag und Kontrolle durch die Behörde auf der einen Seite und der Ausführung durch den Exekutivkörper auf der anderen Seite klar verankert.

Was den Vorwurf des Informationsdefizits betrifft, erklärte Strasser, es habe in der Geschichte der Zweiten Republik kaum ein Reformprojekt gegeben, das derartig ausführlich und genau mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ressorts diskutiert worden sei, bevor ein "Endpapier" vorgelegt wurde. In diesem Zusammenhang betonte Strasser auch, dass bei der Erstellung der Reformvorschläge auf ExpertInnenwissen aus seinem Ressort zurückgegriffen und "kein einziger Cent" für Beratungshonorare ausgegeben worden sei.

Die geplante Strafprozessreform ist Strasser zufolge "im guten Einvernehmen" mit Experten des Innenministeriums ausgearbeitet worden, er halte sie für sinnvoll. Einzelne Ermittlungsfehler könnten durch das beste Gesetz nicht verhindert werden, sagte der Minister, sie könnten aber durch gesetzliche Bestimmungen und eine gute Ausbildung minimiert werden.

Mit Gehaltseinbußen für Exekutivbeamte durch die Polizeireform rechnet Strasser nicht. Es könne nie ganz ausgeschlossen werden, dass es in Einzelfällen zu irgendwelchen Nachteilen komme, erklärte er, er sehe es aber als Pflicht des Dienstgebers, dafür zu sorgen, dass es keine Härten geben werde. Auch bei der Polizeireform in Wien sei mit "99,9 %" der Mitarbeiter eine einvernehmliche Lösung zustande gekommen, und auch bei den restlichen 0,1 % bemühe man sich darum. Am Versetzungsschutz soll sich laut Strasser nichts ändern.

In Richtung Abgeordneter Stoisits meinte der Minister, in die Frage welche Voraussetzungen Staatsanwälte bräuchten, wolle er sich nicht einmischen. Das sei Angelegenheit des Justizministers und des Gesetzgebers.

In Bezug auf die teilweise Überführung der Zollwache in das Innenministerium erklärte der Innenminister, er sei bereit, alle ZollwachebeamtInnen, die optiert haben, "zu nehmen". Diese Frage müsse aber der Finanzminister entscheiden. An den Grenzkontrollen zu Ungarn wird sich seiner Auskunft nach mit der EU-Erweiterung am 1. Mai nichts ändern, weder bei den Grenzübergängen noch bei der grünen Grenze, da die Schengen-Grenze aufrecht bliebe.

Die Sicherheit der Computernetzwerke im Innenministerium wird laut Strasser regelmäßig überprüft.
     
Auf eine Frage von Abgeordneter Helene Partik-Pable (F) hinsichtlich der getroffenen Vorkehrungen gegen mögliche Opernball-Demonstrationen hielt Strasser fest, es würden rund 1000 Mitarbeiter für die öffentliche Sicherheit sorgen. Die Polizei gehe davon aus, dass die Zahl der Demonstranten ungefähr gleich hoch sein werde wie im letzten Jahr.

Die Diskussion über die aktuelle Situation im Flüchtlingslager Traiskirchen eröffnete Abgeordneter Walter Posch (S). Er unterstrich, es wäre Aufgabe des Staates, die Sicherheit der Bevölkerung und der Insassen des Flüchtlingslagers zu gewährleisten. Ihm zufolge vergeht jedoch keine Woche, ohne dass es zu "irgendwelchen Gewaltexzessen" komme. Die SPÖ habe von Vornherein Zweifel gehabt, ob es klug sei, eine private Organisation mit der Flüchtlingsbetreuung zu betrauen, noch dazu, wo die Ersparnis pro Flüchtling und Tag nicht größer sei als ein Euro, bekräftigte Posch und wollte vom Innenminister wissen, ob dieser eine Neuausschreibung der Flüchtlingsbetreuung veranlassen werde.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) verwies auf die "Unsummen", die "European Homecare" für die Betreuung der Flüchtlinge in Traiskirchen erhalte - nicht weniger als 9,6 Millionen S pro Monat, das wären immerhin rund 115 Millionen S pro anno, so die Abgeordnete, die in diesem Zusammenhang die Frage stellte, worin konkret die Gegenleistung dieser Firma bestehe. Es stehe außer Zweifel, dass die Qualität der Unterbringung sinke, was auch logisch sei, da sich gegenwärtig fast 1.800 Menschen auf dem Areal befänden, wo doch bereits 1.000 Personen eine absolute Obergrenze darstellten. "European Homecare" sei mit zahlreichen Vorwürfen verschiedenster Art konfrontiert und sie, Stoisits, glaube mittlerweile, dass die ganze Angelegenheit vom Innenministerium weit besser gehandhabt werden könnte als von dieser Firma.

Nach einer Detailfrage der Abgeordneten Gisela Wurm (S) wollte deren Fraktionskollegin Andrea Kuntzl wissen, ob, da die Bilanz von Traiskirchen zeige, dass die Privatisierung der Flüchtlingsbetreuung sich als untauglicher Versuch erwiesen habe, der Minister gewillt sei, "diesem Spuk" ein Ende zu bereiten. Zudem verwies Kuntzl darauf, dass sich bundesweit nur 900 Personen dazu entschlossen hätten, die obligatorischen Deutschkurse des Innenministeriums zu besuchen, während allein 5.000 Personen das freiwillige Angebot in Wien nützen würden. Hier stelle sich die Frage, welche Schlüsse der Minister aus diesem Faktum ziehe.

S-Abgeordneter Otto Pendl (S) forderte schließlich noch eine Aufstockung des Wachkörpers in Traiskirchen als Konsequenz aus der dortigen Situation. Die private Betreuung der Flüchtlinge in Traiskirchen habe sich nicht bewährt, vielmehr brauche es eine menschliche Lösung im Sinn aller Beteiligten, meinte Pendl.

Innenminister Ernst Strasser verteidigte seine Entscheidung der Auslagerung der Flüchtlingsbetreuung. Zudem habe es sich bei "European Homecare" um den Bestbieter gehandelt, die Firma habe daher gesetzeskonform den Zuschlag erhalten. Sollte sich freilich herausstellen, dass die in den Verträgen festgelegten Leistungen seitens des Vertragspartners nicht erbracht werden, dann werde es Konsequenzen geben, kündigte der Minister an, der auch meinte, es sei besser gewesen, allen Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten, auch wenn dies vorübergehend zu einem Mehrbelag führe. Ausgelagert werde im Übrigen nur, was nicht Kernaufgabe der Exekutive sei, das Gewaltmonopol müsse jedoch erhalten bleiben.

Zur Integration merkte Strasser an, entscheidend sei, dass die ausländischen Mitbürger die deutsche Sprache beherrschen lernten, um sich im Alltag verständigen zu können. Auf welche Art sie diese Kenntnisse erwürben, sei dabei von sekundärer Bedeutung.

SPÖ-Anträge erneut vertagt
Weiters befasste sich der Innenausschuss heute mit insgesamt vier Anträgen der SPÖ betreffend das Zentrale Melderegister, die teilweise Überführung der Zollwache vom Finanz- in das Innenministerium und die Vergleichbarkeit von Kriminalitätsstatistiken. Die Anträge standen heute nach einer Vertagung der Beratungen Mitte Jänner erneut auf der Tagesordnung des Ausschusses. Eine Einigung über die Forderungen der SPÖ konnte nicht erzielt werden, die Anträge wurden wieder vertagt.

Im Zusammenhang mit Datenabfragen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) hat die SPÖ sowohl einen Antrag auf Änderung des Meldegesetzes als auch einen Entschließungsantrag vorgelegt. Geht es nach ihr, sollen in Hinkunft nur mehr dann Abfragen aus dem ZMR erlaubt werden, wenn ein rechtliches Interesse nachgewiesen wird. Damit wollen die Abgeordneten einen (unkontrollierten) Datenverkauf von Meldedaten verhindern.

Darüber hinaus fordern Abgeordneter Johann Maier und seine FraktionskollegInnen die Rücknahme zweier Verordnungen des Innenministers, die u.a. vorsehen, dass kostenpflichtige Abfragen aus dem Zentralen Melderegister durch Werbemaßnahmen gefördert werden sollen, um für das Ministerium Einnahmen zu lukrieren. Maier hält diesen "Datenhandel" mit Daten österreichischer BürgerInnen nicht nur für verwerflich, dieser hat ihm zufolge nachgewiesener Maßen auch bereits zu rechtswidrigen Praxen geführt.

Sowohl der Gesetzesantrag als auch der Entschließungsantrag der SPÖ wurden mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt, nachdem Abgeordneter Johann Maier (S) nochmals die zentralen Anliegen seiner Fraktion unter Verweis auf eine Stellungnahme der Datenschutzkommission unterstrichen hatte. Ein Experte des Innenministeriums stellte die Sicht seines Hauses dar, Abgeordneter Günter Kößl (V) meinte, die Datenschutzkommission habe die Gegebenheiten geprüft und keinen Anlass zur Sorge gesehen.

Ebenfalls vertagt wurde ein Entschließungsantrag der SPÖ betreffend die geplante teilweise Überführung der Zollwache in das Innenministerium. Die Sozialdemokraten treten darin dafür ein, dass kein Bediensteter der Zollwache gegen seinen Willen den Status des Exekutivbeamten verliert und die im Finanzministerium verbleibenden Mitarbeiter der Zollwache, die im Wesentlichen gleichwertige Tätigkeiten wie bisher verrichten, keine Gehaltskürzungen erfahren.

Vertagt wurde letztlich auch ein Entschließungsantrag der Sozialdemokraten, in dem die SPÖ die Vergleichbarkeit von im Sicherheitsbericht enthaltenen Kriminalitätsstatistiken einmahnt. Die Abgeordneten geben zu bedenken, dass das Führen solcher Statistiken nicht zuletzt genau den Sinn habe, Vergleichswerte zur Verfügung zu haben, um im Falle negativer Entwicklungen entsprechend Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
     
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