erstellt am
17. 02. 04

Österreich-Konvent debattiert über Staatsaufgaben und Staatsziele
Wien (pk) - Auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des Österreich-Konvents am Montag (16. 02.) stand der vom Konventspräsidium vorgelegte Teilbericht des Ausschusses 1, der sich mit Staatsaufgaben und Staatszielen befasst. Der Vorsitzende dieses Ausschusse, Heinz Mayer, nahm anfangs zu der bisherigen Arbeit und zu deren Ergebnis Stellung.

Heinz Mayer: Ausschuss 1 bewegt sich in einem politischen Minenfeld
Mayer ließ in seiner Darstellung keinen Zweifel aufkommen, dass die Diskussion im Ausschuss zwar sehr divergierend, dennoch aber tief greifend verlaufen sei. Zunächst seien die Meinungen darüber auseinander gegangen, ob das Ziel eine Spielregelverfassung sein sollte, oder eine, die durch eine Reihe von Staatszielen der Politik inhaltliche Schranken setzt. Der Verfassungsrechtler betonte in diesem Zusammenhang, dass auch die geltende Verfassung keine reine Spielregelverfassung darstelle.

Zunächst, so Mayer, habe man darüber Konsens erzielen können, die bestehenden Staatsziele beizubehalten. Sie sollten aber modernisiert und neuen Verhältnissen angepasst werden. Hinsichtlich neuer Staatsziele sei jedoch die Divergenz unüberbrückbar gewesen, sodass man sich darauf verstanden habe, neue Staatsziele zwar zu diskutieren, jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass eine Entscheidung über die Aufnahme eines Staatszielkatalogs noch aussteht. Viele seien dafür eingetreten, nur einen Grundrechtsschutzkatalog zu formulieren, einige seien aber dafür gewesen, beides zu tun.

Ein Teil der Mitglieder habe sich für eine präzise Verfassung ausgesprochen, während andere wieder meinten, die Präzisierung könnte durch die Höchstgerichte erfolgen. Das würde jedoch eine Verschiebung von Macht und Entscheidungsbefugnissen zu den Höchstgerichten bedeuten, sagte Mayer. Jedenfalls habe der Ausschuss die überwiegende Auffassung vertreten, genaue Regelungen und Formulierungen zu finden, was ein schwieriges Unterfangen sei.

Als Ergebnis der bisherigen Ausschussarbeit fasste Mayer einen Konsens in drei Punkten zusammen: Das Staatsziel des Umweltschutzes müsse in Richtung eines stärkeren ökologischen Ansatzes modernisiert werden; Artikel 9a Absatz 1 und 2 B-VG, der die umfassende Landesverteidigung betrifft, soll nicht mehr Bestandteil des Verfassungsrechts sein; das Verbotsgesetz soll unverändert bestehen bleiben. Was die übrigen bestehenden Staatsziele betrifft, so habe man über deren Neuformulierung keine Übereinstimmung finden können, berichtete Mayer. Die Ausschussmitglieder seien auch überein gekommen, dass im Falle neuer Staatsziele die Daseinsvorsorge und die Bildung "Fixstarter" sein sollten. Über alle anderen Vorschläge zu neuen Staatszielen konnte kein Konsens beziehungsweise ein Konsens, diese nicht in Erwägung zu ziehen, erzielt werden.

Das vorliegende Diskussionsergebnis als "mager" anzusehen wollte Mayer nicht gelten lassen, da es seiner Meinung nach irreal wäre, mehr bei einem derartig schwierigen Thema zu erwarten. Schließlich habe man sich dabei in einem "politischen Minenfeld" bewegt, und dass dabei Meinungen aufeinander prallen, sei nicht überraschend. Im Ausschuss sei viel, gründlich und ehrlich diskutiert worden, und man habe nicht nur mit den vorliegenden Ergebnissen Hilfestellung für die Entscheidungsfindung geleistet, sondern auch in jenen Bereichen, wo man keinen Konsens finden konnte, weil die Diskussion in die Breite und in die Tiefe gegangen sei.

Mayer berichtete auch, dass in der dreizehnten Sitzung des Ausschusses am 1. Februar ein Endbericht des Ausschusses 1 verabschiedet werden konnte, der den Ausschussmitgliedern bereits weitergeleitet worden sei. Dem Präsidium werde dieser spätestens Mittwoch vorgelegt.

Khol: Staatsziele, Präambel und Grundrechtskatalog sind eine Einheit
Nationalratspräsident Andreas Khol griff die Bewertung Mayers über das bisherige Ergebnis auf und meinte, dass in der ersten Phase der Konventsarbeit nicht mehr als eine Themensammlung, eine Dissens- und Konsenssammlung möglich sei. Khol sah die Arbeit des Konvents in drei Phasen: Die erste Phase betreffe die Erfassung des Umfangs von Konsens und Dissens, was für den Ausschuss 1 am schwierigsten gewesen sei. Denn hier gehe es um eine "zu Wort gebrachte Ideologie". Die zweite Phase diene der Konsenssuche in Zusammenarbeit zwischen Präsidium und Arbeitsausschüssen, was den Sommer bis in den September dauern werde. In der Schlussphase werde der Präsident dem Konvent einen konsensfähigen Entwurf vorlegen, so die Erwartung des Nationalratspräsidenten. Khol kritisierte in diesem Zusammenhang Aussagen, die ein Scheitern des Konvents prognostizieren, als verfrüht.

Hinsichtlich einer künftigen Verfassung meinte Khol, dass man Staatsziele, Präambel und Grundrechtskatalog nur als eine Einheit bewerten könne. Er schloss sich dabei dem von Christoph Grabenwarter vorgelegten Diskussionsentwurf für einen Grundrechtskatalog an. Khol sprach sich dafür aus, eine Spielregelverfassung mit einem umfangreichen und kompletten Grundrechtskatalog zu schaffen, in dem es auch Gewährleistungsrechte für soziale Belange gibt. Für weitere Staatsziele sollte man seiner Ansicht nach den Weg einer Präambel nehmen. Dies hätten 80 % der 191 bestehenden Staatsverfassungen auch getan, und aufgrund einer ähnlichen Philosophie eine Präambel aufgenommen.

Verzetnitsch für soziale Grundrechte in der Verfassung
Fritz Verzetnitsch betonte, eine moderne Verfassung müsse auf grundlegende Bedürfnisse der Menschen eingehen, weshalb er für eine Ergänzung der Staatsziele in Bezug auf Arbeit, soziale Sicherheit, Bildung und Daseinsvorsorge eintrat. Liberale Grundrechte müssen, so der Gewerkschaftspräsident, durch soziale Grundrechte ergänzt werden. Sie stellten eine entsprechende Antwort des Staates auf die Anliegen der Menschen dar. Verzetnitsch forderte auch die Verankerung der Sozialpartnerschaft in der Verfassung und wies auf den Entwurf der EU-Verfassung als Vorbild hin. Auch er hoffte auf eine weitere gedeihliche Arbeit des Konvents und kritisierte Meldungen in der Öffentlichkeit, die ein Scheitern der Arbeit zum jetzigen Zeitpunkt vorhersagen.

Hochhauser: Zurückhaltung bei der Formulierung von Staatszielen
Anna Maria Hochhauser trat aus der Sicht der Wirtschaftskammer für eine Zurückhaltung bei der Verankerung von Staatszielen in der Verfassung ein. Diese bewirkten ihrer Meinung nach mehr Staatstätigkeit und damit auch mehr Verwaltungstätigkeit. Außerdem gebe es dabei kein widerspruchsfreies System, was eine Gesetzgebung, die allen Staatszielen gerecht werde, schwierig mache. Die Folge davon sei eine unberechenbare Judikatur. Hochhauser favorisierte daher eine Spielregelverfassung. Entscheide man sich aber für Staatsziele, so müssten diese ausgewogen sein und auch wirtschaftliche Ziele zum Inhalt haben. Ob Staatsziele aufgenommen werden, werde auch vom Ergebnis der anderen Ausschüsse abhängen, sagte Hochhauser, die sich, wie ihr Vorredner, ebenfalls für die Aufnahme der Sozialpartnerschaft in der Verfassung stark machte.

Voith: Der Verfassung nichts Unmögliches aufbürden
Günther Voith warnte davor, der Verfassung Unmögliches aufzubürden, und meinte, je mehr Staatsziele man verankere, desto sinnloser würden sie, denn desto weniger seien sie auch erfüllbar. Dies zeige sich auch an den geltenden Staatszielen, die aus politischen Anlässen entstanden seien und nun als überholt betrachtet werden könnten. Starke Staatsziele bedeuteten auch eine Präjudizierung der Politik, merkte Voith. Er räumte aber ein, dass vieles für die geäußerten Wünsche spräche, weshalb er vorschlug, diese in einer deklamatorischen Weise in eine Präambel aufzunehmen. Für die weitere Arbeit, merkte Voith an, solle man sich auf konsensfähige juristische Themen konzentrieren.

Scheibner: Umfassende Landesverteidigung soll Staatsziel bleiben
Klubobmann Herbert Scheibner hielt es für unangebracht, zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Scheitern der Konventsarbeit zu spekulieren. Wichtiger sei es, daran zu erinnern, wie wichtig ergebnisorientiertes Arbeiten sei. Zum vorliegenden Ergebnis des Ausschusses 1 hielt Scheibner fest, dass für ihn Staatszielbestimmungen sinnvoll und notwendig seien. Sie seien mehr als eine Deklaration, aber weniger als Grundrechte, von denen auch individuelle Rechte abgeleitet werden. Bei einigen Bereichen, wie etwa Bildung, gebe es noch Diskussionsbedarf, ob sie als Staatsziel oder als Grundrecht auf eine bestimmte Ausbildung formuliert werden sollen. Bei anderen Bereichen wiederum, zum Beispiel bei der Sicherheit, stelle sich diese Frage nicht. Sicherheit sei als Staatszielbestimmung festzulegen, es sei notwendig, das Gewaltmonopol des Staates zu definieren. Die vom Ausschuss 1 vorgeschlagene ersatzlose Streichung der umfassenden Landesverteidigung hielt Scheibner für nicht gerechtfertigt. Mit Spannung sah er auch der Diskussion hinsichtlich der Widersprüchlichkeit zwischen Neutralitätsgesetz und Artikel 23f B-VG entgegen.

Rack: Grundrechtskatalog mit wertorientiertem Menschenbild
Reinhard Rack wollte sich auch nicht mit der in der Öffentlichkeit geäußerten Kritik am Konvent identifizieren. Vor allem die Arbeit im Ausschuss 1, wo prononcierte Interessenvertreter ungebremste Begehrlichkeiten geäußert hätten, hätte deutlich gemacht, wo eine solche Diskussion hätte enden können. Eine derartige Fülle von Wünschen hätte nicht nur Unbeweglichkeit hervorgerufen sondern auch Entscheidungen an Richter abgeschoben. Einen Richterstaat wolle aber keiner.

Angesichts dieses Befundes habe der Ausschuss 1 das einzig Richtige getan: beim Auflisten vieler Staatsziele keinen Konsens festgestellt; diskutiert, welche Anliegen es gibt, und was man dazu alternativ überlegen müsse; Übereinstimmung, dass die Verfassung im wesentlichen eine Struktur und Verfahrensordnung für ein politisches System bleibe. Dabei müsse die Wertorientierung einer Verfassung nicht zu kurz kommen, sagte Rack, denn mit einem modernen Grundrechtskatalog könne man ansprechen und schützen, was für die Menschen in der Republik wichtig sei. Dieser Grundrechtskatalog sollte auf einem wertorientierten Menschenbild aufgebaut werden, die Menschenwürde sollte expressis verbis festgeschrieben werden, Freiheitsrechte seien zu garantieren, durch soziale Rechte zu ergänzen und durch Gewährleistungsverpflichtungen abzusichern. Weitere Anliegen sollten in einer Präambel verankert werden.

Fischer: Verfassung mit Signalen für Behinderte und Minderheiten
Der Zweite Nationalratspräsident Heinz Fischer betonte, er sei mit einem optimistischen Realismus beziehungsweise mit einem realistischen Optimismus in die Konventsarbeit gegangen, und daran habe sich nichts geändert. Man könne bei Projekten ähnlicher Art mit so etwas wie einem Durchbruch nicht in der Halbzeit rechnen. Dieser werde erst in der Schlussphase möglich sein, sagte Fischer. Vor diesem Hintergrund unterstrich er, wie wertvoll die Sammlung von Materialien, Gedanken, Argumenten und Formulierungen sei. Auch seien die VertreterInnen verschiedener Organisationen im Bericht berücksichtigt.

Der Ausschuss habe auch so etwas wie eine Pionierrolle geleistet, indem er in ungespurtem Gelände gefahren sei. Das Grundproblem sei, dass einerseits alle eine schlanke Verfassung wollten, andererseits aber viele Wünsche an sie gerichtet würden. Fischer sprach sich daher dafür aus, da und dort Handschrift zu zeigen und etwa für Behinderte oder Minderheiten Signale zu setzen. Was die umfassende Landesverteidigung betrifft, so hätte er nichts dagegen, wenn diese auch weiterhin Teil der Verfassung bleibt. Die Meinung von Nationalratspräsident Khol, Staatsziele, Grundrechtskatalog und Präambel bildeten eine Einheit, wollte Fischer in dieser dezidierten Form nicht stehen lassen. Diese Auffassung, so Fischer, stelle eine Position dar, sei aber kein Muss.

Die weitere Debatte
Klaus Wejwoda unterstützte aus der Sicht der Landwirtschaftskammern ausdrücklich den Vorschlag der Verankerung der Sozialpartnerschaft in der Verfassung. Mit Nachdruck sprach er sich wiederum gegen die Streichung der umfassenden Landesverteidigung aus, wobei er meinte, dies sei ein falsches Signal zur falschen Zeit. Er erinnerte an die laufenden Arbeiten der Bundesheer-Reformkommission und betonte zudem, gerade das Bündel aus militärischer, geistiger und wirtschaftlicher Landesverteidigung habe bleibende Aktualität.

Peter Wittmann rief dazu auf, Staatsziele nicht in eine unverbindliche Präambel abzuschieben, sondern sie vielmehr als normative Ziele in die Verfassung aufzunehmen. Besondere Anliegen Wittmanns waren die Verankerung von sozialen Staatszielen und die Berücksichtigung der Daseinsvorsorge.

Peter Bußjäger wandte sich gegen eine verfassungsrechtliche Festschreibung von Staatszielen in taxativer Form und verwies auf einen diesbezüglichen Konsens des Konventes. Die Festlegung der Staatsaufgaben sei jedenfalls Sache der Politik, unterstrich er. Eine Präambel schloss Bußjäger nicht a priori aus. Sie könnte ein Instrument sein, die Vielzahl der an den Konvent herangetragenen Wünsche nach Staatszielen zusammenzufassen, meinte er.

Theodor Öhlinger verwies die Staatsziele und Staatsaufgaben ebenfalls in das Reich der Politik und betonte, die Verfassung habe bloß die Regeln für die Formulierung und Umsetzung der Staatsaufgaben vorzugeben. Das dünne Ergebnis des Ausschusses bezeichnete Öhlinger nicht als Katastrophe, gab jedoch zu bedenken, die Trennung zwischen Staatszielen und Grundrechten sei unglücklich. Die meisten Staatszielbestimmungen haben seiner Einschätzung nach in einem modernen Grundrechtskatalog Platz. Zur Präambel hielt Öhlinger fest, diese Frage sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Beratungen kein zentrales Problem.

Evelin Lichtenberger plädierte dafür, Grundrechte durch Staatsziele zu ergänzen, und äußerte sich im übrigen skeptisch hinsichtlich einer Präambel. Ein vorrangiges Anliegen der Rednerin war weiters der Umweltschutz. Lichtenberger sah die Zeit gekommen, das bisher eher allgemein gehaltene Ziel des umfassenden Umweltschutzes nun zu präzisieren.

Johanna Ettl betrachtete es als Aufgabe des Staates, nicht nur die wesentlichen bürgerlichen Freiheiten zu garantieren, sondern auch die Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Menschen eine Chance haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Der blinde Glaube an die Allmacht des Marktes dürfe, wie Ettl warnte, nicht Eingang in die Verfassung finden. In diesem Sinne bedauerte sie, dass über die Verankerung des Sozialstaates oder den diskriminierungsfreien Zugang zur Bildung kein Konsens gefunden werden konnte.

Christine Gleixner unterstrich aus der Sicht der Kirchen die Bedeutung der Unantastbarkeit der Menschenwürde und trat dafür ein, die Menschenwürde als Fundamentalnorm des Verfassungsrechtes zu gestalten und in Form eines Grundrechtes zu verankern. Ferner schlug Gleixner die Aufnahme einer Verfassungsbestimmung hinsichtlich der kollektiven Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften vor.

Elisabeth Gehrer beurteilte das Ergebnis des Ausschusses als "keinesfalls dünn" und ortete eine große Mehrheit für die Verankerung von Staatsaufgaben in möglichst normativer Form. Nun gehe es darum, den Konvent als Prozess der offenen Planung weiterhin mit positiven Argumenten zu begleiten und an einem gemeinsamen Konsens zu arbeiten, sagte sie.

Ulrike Schebach-Huemer forderte die Verankerung eines Staatsziels der Daseinsvorsorge als Antwort auf die Liberalisierungstendenzen der EU. Dies hätte eine gewisse Signalwirkung nach Brüssel, dass Österreich nicht bereit sei, jedem Privatisierungsdruck undifferenziert stattzugeben, argumentierte sie.

Bernd-Christian Funk verstand Grundrechte und Staatsziele nicht als "entweder-oder" sondern im Sinne eines "sowohl als auch" und bedauerte, mit dieser Meinung in der Minderheit geblieben zu sein. Die bisherigen Ergebnisse ließen es für ihn nicht sinnvoll erscheinen, die Ausschüsse I und IV weiter miteinander zu koordinieren. Dies würde bloß den Dissens kartografieren, bemerkte er. Funk trat vielmehr dafür ein, die Vorschläge nun im Grundrechtsausschuss ohne flankierende Hilfe von Staatszielbestimmungen zu prüfen.

Leopold Specht befasste sich mit dem Staatsziel der immerwährenden Neutralität und meinte, gerade an diesem Beispiel zeige sich, dass es angebracht sei, der Politik inhaltliche Vorgaben an die Seite zu stellen. So schlug er vor, die Teilnahme Österreichs an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU an Beschlüsse der Vereinten Nationen zu binden.

Madeleine Petrovic merkte eingangs zur Optimismus/Pessimismus-Debatte an, es sei nun jedenfalls Zeit, ergebnisorientiert zu arbeiten, wobei ihre Kritik jenen Konventsmitgliedern galt, denen der Villacher Fasching wichtiger sei als der Österreich-Konvent.

Auf den Inhalt des vorliegenden Zwischenberichts eingehend, hielt es Petrovic für verfehlt, einen versteinerten Staatszielkatalog festzuschreiben und appellierte an die Wirtschaft, den Widerstand gegen die Aufnahme ökologischer und sozialer Interessen in die Verfassung aufzugeben. Es liege auch in deren Interesse, zu verhindern, dass sich solche Interessen nur noch auf der Strasse artikulieren können. Angesichts der großen Zahl gut ausgebildeter und hoch motivierter Frauen, die keine Perspektive haben, ihre Ausbildung nutzbringend umzusetzen, hielt es Petrovic für wichtig, die Gleichstellung von Frauen und Männern verbindlich in der Verfassung festzuschreiben. Auf diesem Gebiet habe Österreich im internationalen Vergleich besonders großen Nachholbedarf.

Manfred Matzka stellte einleitend fest, es wäre verkürzt, hier und heute bereits einen Konsens in der Frage der Staatsziele zu verlangen. Der Bericht lege die Perspektiven für die Diskussion klar, daher sei er ein Fortschritt. Hinter der Frage "Spielregelverfassung oder Grundrechte" steht für Matzka eine sehr reale Frage, nämlich "Will man kodifizieren was ist, oder will man darüber hinaus gehen?" Manfred Matzka will den Menschen in den Mittelpunkt der Verfassung stellen und ihm sehr konkret sagen, was er sich von einer Verfassung erwarten könne. Daher sei über soziale und existenzielle Sicherung zu reden, die sich die Menschen erwarten. Man wird die Menschen nur überzeugen können, wenn sie sich von der Verfassung eine Verbesserung ihrer konkreten Lebenssituation erwarten können - denn das sei die Aufgabe der Politik und einer Verfassung.

Terezija Stoisits schloss sich der Kritik gegenüber Konventsmitgliedern an, denen Faschingsveranstaltungen wichtiger sind als der Österreich-Konvent, wobei sie pointiert anmerkte, in Niederösterreich sei offenbar ganzjährig Fasching.

Der Prioritätenreihung Präambel-Staatsziele-Grundrechte, wie sie Präsident Khol vorgenommen habe, widersprach Stoisits heftig und nannte als Beispiel einer Staatszielbestimmung, die zwar nicht schade, aber auch niemandem etwas nütze, jene über die kulturelle und sprachliche Vielfalt des Landes aus dem Jahr 2000. Demgegenüber appellierte die Rednerin an die Konventsmitglieder, den Mut aufzubringen, einen konkreten Grundrechtskatalog zu formulieren und schloss sich Manfred Matzka an: Es gehe darum, durchsetzbare Rechte für die Menschen zu verankern. Diesen Mut vermisste Stoisits am vorliegenden Vorschlag der ÖVP - sie sei aber nicht pessimistisch, sondern hoffe auf eine produktive Arbeit und auf sehr viel Konsens in der Frage der Grundrechte.

Rüdiger Schender sah den Wert des Zwischenberichts aus dem Ausschuss darin, darzustellen, wo Meinungsverschiedenheiten und wo Konsensmöglichkeiten bestehen, auch wenn noch sehr wenig Konsens sichtbar sei. Hinsichtlich des Spannungsverhältnisses zwischen einer "Spielregelverfassung" und einer Verfassung, die darüber hinausgehe, bekannte sich Schender dazu, Spielregeln im Sinne von Regeln für politisches Handeln festzulegen, darüber hinaus aber auch besonders wichtige politische Ziele in der Verfassung aufzunehmen.

Hinsichtlich der politischen Grundsatzpositionen, die im Ausschuss aufeinander getroffen seien, sei klar, dass es nicht die Aufgabe des Ausschusses sei, solche Differenzen aufzulösen. Zur Frage einer Präambel sagte Schender, er halte dies für eine Möglichkeit Staatszielbestimmungen umzusetzen, betonte aber zugleich, dass er für einen starken verbindlichen Grundrechtskatalog eintrete. Wichtig sei es, die EU-Konformität von Staatszielen zu beachten, dabei nannte Schender die Neutralität als Beispiel.

Eva Glawischnig lobte den Vorsitzenden des Ausschusses, Heinz Mayer, und würdigte die präzise Vorgangsweise, die beim systematischen Abarbeiten der Vorschläge der Zivilgesellschaft Platz gegriffen hätten. Das Ergebnis sei dennoch gering, kein einziger Punkt der Vorschläge der Zivilgesellschaft sei aufgenommen worden. Als Begründung dafür werden ideologische Auffassungsunterschiede genannt. Diese Begründung wollte Glawischnig nicht gelten lassen, denn welche ideologischen Unterschiede sollten den Konvent daran hindern, die Gleichstellung von Mann und Frau oder die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Menschen in die Verfassung aufzunehmen? lautete ihre Frage. Dasselbe gelte für soziale Grundrechte, sagte Glawischnig, die sich in der Frage Optimismus/Pessimismus eher auf die Seite der Pessimisten schlug, denn sie konnte sich nur schwer vorstellen, wer der große Zauberer sein könnte, der den Gordischen Knoten auseinander schlagen soll. Daher Glawischnigs Appell an alle Konventsmitglieder, sich von den Interessen der jeweiligen Organisation zu lösen, aus der jeder komme, und statt dessen über die Anliegen der Menschen zu diskutieren.
     
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