Österreich-Konvent debattiert über Staatsaufgaben und Staatsziele
Wien (pk) - Auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des Österreich-Konvents am Montag (16. 02.)
stand der vom Konventspräsidium vorgelegte Teilbericht des Ausschusses 1, der sich mit Staatsaufgaben und
Staatszielen befasst. Der Vorsitzende dieses Ausschusse, Heinz Mayer, nahm anfangs zu der bisherigen Arbeit und
zu deren Ergebnis Stellung.
Heinz Mayer: Ausschuss 1 bewegt sich in einem politischen Minenfeld
Mayer ließ in seiner Darstellung keinen Zweifel aufkommen, dass die Diskussion im Ausschuss zwar
sehr divergierend, dennoch aber tief greifend verlaufen sei. Zunächst seien die Meinungen darüber auseinander
gegangen, ob das Ziel eine Spielregelverfassung sein sollte, oder eine, die durch eine Reihe von Staatszielen der
Politik inhaltliche Schranken setzt. Der Verfassungsrechtler betonte in diesem Zusammenhang, dass auch die geltende
Verfassung keine reine Spielregelverfassung darstelle.
Zunächst, so Mayer, habe man darüber Konsens erzielen können, die bestehenden Staatsziele beizubehalten.
Sie sollten aber modernisiert und neuen Verhältnissen angepasst werden. Hinsichtlich neuer Staatsziele sei
jedoch die Divergenz unüberbrückbar gewesen, sodass man sich darauf verstanden habe, neue Staatsziele
zwar zu diskutieren, jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass eine Entscheidung über die Aufnahme eines Staatszielkatalogs
noch aussteht. Viele seien dafür eingetreten, nur einen Grundrechtsschutzkatalog zu formulieren, einige seien
aber dafür gewesen, beides zu tun.
Ein Teil der Mitglieder habe sich für eine präzise Verfassung ausgesprochen, während andere wieder
meinten, die Präzisierung könnte durch die Höchstgerichte erfolgen. Das würde jedoch eine Verschiebung
von Macht und Entscheidungsbefugnissen zu den Höchstgerichten bedeuten, sagte Mayer. Jedenfalls habe der Ausschuss
die überwiegende Auffassung vertreten, genaue Regelungen und Formulierungen zu finden, was ein schwieriges
Unterfangen sei.
Als Ergebnis der bisherigen Ausschussarbeit fasste Mayer einen Konsens in drei Punkten zusammen: Das Staatsziel
des Umweltschutzes müsse in Richtung eines stärkeren ökologischen Ansatzes modernisiert werden;
Artikel 9a Absatz 1 und 2 B-VG, der die umfassende Landesverteidigung betrifft, soll nicht mehr Bestandteil des
Verfassungsrechts sein; das Verbotsgesetz soll unverändert bestehen bleiben. Was die übrigen bestehenden
Staatsziele betrifft, so habe man über deren Neuformulierung keine Übereinstimmung finden können,
berichtete Mayer. Die Ausschussmitglieder seien auch überein gekommen, dass im Falle neuer Staatsziele die
Daseinsvorsorge und die Bildung "Fixstarter" sein sollten. Über alle anderen Vorschläge zu
neuen Staatszielen konnte kein Konsens beziehungsweise ein Konsens, diese nicht in Erwägung zu ziehen, erzielt
werden.
Das vorliegende Diskussionsergebnis als "mager" anzusehen wollte Mayer nicht gelten lassen, da es seiner
Meinung nach irreal wäre, mehr bei einem derartig schwierigen Thema zu erwarten. Schließlich habe man
sich dabei in einem "politischen Minenfeld" bewegt, und dass dabei Meinungen aufeinander prallen, sei
nicht überraschend. Im Ausschuss sei viel, gründlich und ehrlich diskutiert worden, und man habe nicht
nur mit den vorliegenden Ergebnissen Hilfestellung für die Entscheidungsfindung geleistet, sondern auch in
jenen Bereichen, wo man keinen Konsens finden konnte, weil die Diskussion in die Breite und in die Tiefe gegangen
sei.
Mayer berichtete auch, dass in der dreizehnten Sitzung des Ausschusses am 1. Februar ein Endbericht des Ausschusses
1 verabschiedet werden konnte, der den Ausschussmitgliedern bereits weitergeleitet worden sei. Dem Präsidium
werde dieser spätestens Mittwoch vorgelegt.
Khol: Staatsziele, Präambel und Grundrechtskatalog sind eine Einheit
Nationalratspräsident Andreas Khol griff die Bewertung Mayers über das bisherige Ergebnis auf
und meinte, dass in der ersten Phase der Konventsarbeit nicht mehr als eine Themensammlung, eine Dissens- und Konsenssammlung
möglich sei. Khol sah die Arbeit des Konvents in drei Phasen: Die erste Phase betreffe die Erfassung des Umfangs
von Konsens und Dissens, was für den Ausschuss 1 am schwierigsten gewesen sei. Denn hier gehe es um eine "zu
Wort gebrachte Ideologie". Die zweite Phase diene der Konsenssuche in Zusammenarbeit zwischen Präsidium
und Arbeitsausschüssen, was den Sommer bis in den September dauern werde. In der Schlussphase werde der Präsident
dem Konvent einen konsensfähigen Entwurf vorlegen, so die Erwartung des Nationalratspräsidenten. Khol
kritisierte in diesem Zusammenhang Aussagen, die ein Scheitern des Konvents prognostizieren, als verfrüht.
Hinsichtlich einer künftigen Verfassung meinte Khol, dass man Staatsziele, Präambel und Grundrechtskatalog
nur als eine Einheit bewerten könne. Er schloss sich dabei dem von Christoph Grabenwarter vorgelegten Diskussionsentwurf
für einen Grundrechtskatalog an. Khol sprach sich dafür aus, eine Spielregelverfassung mit einem umfangreichen
und kompletten Grundrechtskatalog zu schaffen, in dem es auch Gewährleistungsrechte für soziale Belange
gibt. Für weitere Staatsziele sollte man seiner Ansicht nach den Weg einer Präambel nehmen. Dies hätten
80 % der 191 bestehenden Staatsverfassungen auch getan, und aufgrund einer ähnlichen Philosophie eine Präambel
aufgenommen.
Verzetnitsch für soziale Grundrechte in der Verfassung
Fritz Verzetnitsch betonte, eine moderne Verfassung müsse auf grundlegende Bedürfnisse der Menschen
eingehen, weshalb er für eine Ergänzung der Staatsziele in Bezug auf Arbeit, soziale Sicherheit, Bildung
und Daseinsvorsorge eintrat. Liberale Grundrechte müssen, so der Gewerkschaftspräsident, durch soziale
Grundrechte ergänzt werden. Sie stellten eine entsprechende Antwort des Staates auf die Anliegen der Menschen
dar. Verzetnitsch forderte auch die Verankerung der Sozialpartnerschaft in der Verfassung und wies auf den Entwurf
der EU-Verfassung als Vorbild hin. Auch er hoffte auf eine weitere gedeihliche Arbeit des Konvents und kritisierte
Meldungen in der Öffentlichkeit, die ein Scheitern der Arbeit zum jetzigen Zeitpunkt vorhersagen.
Hochhauser: Zurückhaltung bei der Formulierung von Staatszielen
Anna Maria Hochhauser trat aus der Sicht der Wirtschaftskammer für eine Zurückhaltung bei der
Verankerung von Staatszielen in der Verfassung ein. Diese bewirkten ihrer Meinung nach mehr Staatstätigkeit
und damit auch mehr Verwaltungstätigkeit. Außerdem gebe es dabei kein widerspruchsfreies System, was
eine Gesetzgebung, die allen Staatszielen gerecht werde, schwierig mache. Die Folge davon sei eine unberechenbare
Judikatur. Hochhauser favorisierte daher eine Spielregelverfassung. Entscheide man sich aber für Staatsziele,
so müssten diese ausgewogen sein und auch wirtschaftliche Ziele zum Inhalt haben. Ob Staatsziele aufgenommen
werden, werde auch vom Ergebnis der anderen Ausschüsse abhängen, sagte Hochhauser, die sich, wie ihr
Vorredner, ebenfalls für die Aufnahme der Sozialpartnerschaft in der Verfassung stark machte.
Voith: Der Verfassung nichts Unmögliches aufbürden
Günther Voith warnte davor, der Verfassung Unmögliches aufzubürden, und meinte, je mehr
Staatsziele man verankere, desto sinnloser würden sie, denn desto weniger seien sie auch erfüllbar. Dies
zeige sich auch an den geltenden Staatszielen, die aus politischen Anlässen entstanden seien und nun als überholt
betrachtet werden könnten. Starke Staatsziele bedeuteten auch eine Präjudizierung der Politik, merkte
Voith. Er räumte aber ein, dass vieles für die geäußerten Wünsche spräche, weshalb
er vorschlug, diese in einer deklamatorischen Weise in eine Präambel aufzunehmen. Für die weitere Arbeit,
merkte Voith an, solle man sich auf konsensfähige juristische Themen konzentrieren.
Scheibner: Umfassende Landesverteidigung soll Staatsziel bleiben
Klubobmann Herbert Scheibner hielt es für unangebracht, zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Scheitern
der Konventsarbeit zu spekulieren. Wichtiger sei es, daran zu erinnern, wie wichtig ergebnisorientiertes Arbeiten
sei. Zum vorliegenden Ergebnis des Ausschusses 1 hielt Scheibner fest, dass für ihn Staatszielbestimmungen
sinnvoll und notwendig seien. Sie seien mehr als eine Deklaration, aber weniger als Grundrechte, von denen auch
individuelle Rechte abgeleitet werden. Bei einigen Bereichen, wie etwa Bildung, gebe es noch Diskussionsbedarf,
ob sie als Staatsziel oder als Grundrecht auf eine bestimmte Ausbildung formuliert werden sollen. Bei anderen Bereichen
wiederum, zum Beispiel bei der Sicherheit, stelle sich diese Frage nicht. Sicherheit sei als Staatszielbestimmung
festzulegen, es sei notwendig, das Gewaltmonopol des Staates zu definieren. Die vom Ausschuss 1 vorgeschlagene
ersatzlose Streichung der umfassenden Landesverteidigung hielt Scheibner für nicht gerechtfertigt. Mit Spannung
sah er auch der Diskussion hinsichtlich der Widersprüchlichkeit zwischen Neutralitätsgesetz und Artikel
23f B-VG entgegen.
Rack: Grundrechtskatalog mit wertorientiertem Menschenbild
Reinhard Rack wollte sich auch nicht mit der in der Öffentlichkeit geäußerten Kritik am
Konvent identifizieren. Vor allem die Arbeit im Ausschuss 1, wo prononcierte Interessenvertreter ungebremste Begehrlichkeiten
geäußert hätten, hätte deutlich gemacht, wo eine solche Diskussion hätte enden können.
Eine derartige Fülle von Wünschen hätte nicht nur Unbeweglichkeit hervorgerufen sondern auch Entscheidungen
an Richter abgeschoben. Einen Richterstaat wolle aber keiner.
Angesichts dieses Befundes habe der Ausschuss 1 das einzig Richtige getan: beim Auflisten vieler Staatsziele keinen
Konsens festgestellt; diskutiert, welche Anliegen es gibt, und was man dazu alternativ überlegen müsse;
Übereinstimmung, dass die Verfassung im wesentlichen eine Struktur und Verfahrensordnung für ein politisches
System bleibe. Dabei müsse die Wertorientierung einer Verfassung nicht zu kurz kommen, sagte Rack, denn mit
einem modernen Grundrechtskatalog könne man ansprechen und schützen, was für die Menschen in der
Republik wichtig sei. Dieser Grundrechtskatalog sollte auf einem wertorientierten Menschenbild aufgebaut werden,
die Menschenwürde sollte expressis verbis festgeschrieben werden, Freiheitsrechte seien zu garantieren, durch
soziale Rechte zu ergänzen und durch Gewährleistungsverpflichtungen abzusichern. Weitere Anliegen sollten
in einer Präambel verankert werden.
Fischer: Verfassung mit Signalen für Behinderte und Minderheiten
Der Zweite Nationalratspräsident Heinz Fischer betonte, er sei mit einem optimistischen Realismus
beziehungsweise mit einem realistischen Optimismus in die Konventsarbeit gegangen, und daran habe sich nichts geändert.
Man könne bei Projekten ähnlicher Art mit so etwas wie einem Durchbruch nicht in der Halbzeit rechnen.
Dieser werde erst in der Schlussphase möglich sein, sagte Fischer. Vor diesem Hintergrund unterstrich er,
wie wertvoll die Sammlung von Materialien, Gedanken, Argumenten und Formulierungen sei. Auch seien die VertreterInnen
verschiedener Organisationen im Bericht berücksichtigt.
Der Ausschuss habe auch so etwas wie eine Pionierrolle geleistet, indem er in ungespurtem Gelände gefahren
sei. Das Grundproblem sei, dass einerseits alle eine schlanke Verfassung wollten, andererseits aber viele Wünsche
an sie gerichtet würden. Fischer sprach sich daher dafür aus, da und dort Handschrift zu zeigen und etwa
für Behinderte oder Minderheiten Signale zu setzen. Was die umfassende Landesverteidigung betrifft, so hätte
er nichts dagegen, wenn diese auch weiterhin Teil der Verfassung bleibt. Die Meinung von Nationalratspräsident
Khol, Staatsziele, Grundrechtskatalog und Präambel bildeten eine Einheit, wollte Fischer in dieser dezidierten
Form nicht stehen lassen. Diese Auffassung, so Fischer, stelle eine Position dar, sei aber kein Muss.
Die weitere Debatte
Klaus Wejwoda unterstützte aus der Sicht der Landwirtschaftskammern ausdrücklich den Vorschlag der Verankerung
der Sozialpartnerschaft in der Verfassung. Mit Nachdruck sprach er sich wiederum gegen die Streichung der umfassenden
Landesverteidigung aus, wobei er meinte, dies sei ein falsches Signal zur falschen Zeit. Er erinnerte an die laufenden
Arbeiten der Bundesheer-Reformkommission und betonte zudem, gerade das Bündel aus militärischer, geistiger
und wirtschaftlicher Landesverteidigung habe bleibende Aktualität.
Peter Wittmann rief dazu auf, Staatsziele nicht in eine unverbindliche Präambel abzuschieben, sondern sie
vielmehr als normative Ziele in die Verfassung aufzunehmen. Besondere Anliegen Wittmanns waren die Verankerung
von sozialen Staatszielen und die Berücksichtigung der Daseinsvorsorge.
Peter Bußjäger wandte sich gegen eine verfassungsrechtliche Festschreibung von Staatszielen in taxativer
Form und verwies auf einen diesbezüglichen Konsens des Konventes. Die Festlegung der Staatsaufgaben sei jedenfalls
Sache der Politik, unterstrich er. Eine Präambel schloss Bußjäger nicht a priori aus. Sie könnte
ein Instrument sein, die Vielzahl der an den Konvent herangetragenen Wünsche nach Staatszielen zusammenzufassen,
meinte er.
Theodor Öhlinger verwies die Staatsziele und Staatsaufgaben ebenfalls in das Reich der Politik und betonte,
die Verfassung habe bloß die Regeln für die Formulierung und Umsetzung der Staatsaufgaben vorzugeben.
Das dünne Ergebnis des Ausschusses bezeichnete Öhlinger nicht als Katastrophe, gab jedoch zu bedenken,
die Trennung zwischen Staatszielen und Grundrechten sei unglücklich. Die meisten Staatszielbestimmungen haben
seiner Einschätzung nach in einem modernen Grundrechtskatalog Platz. Zur Präambel hielt Öhlinger
fest, diese Frage sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Beratungen kein zentrales Problem.
Evelin Lichtenberger plädierte dafür, Grundrechte durch Staatsziele zu ergänzen, und äußerte
sich im übrigen skeptisch hinsichtlich einer Präambel. Ein vorrangiges Anliegen der Rednerin war weiters
der Umweltschutz. Lichtenberger sah die Zeit gekommen, das bisher eher allgemein gehaltene Ziel des umfassenden
Umweltschutzes nun zu präzisieren.
Johanna Ettl betrachtete es als Aufgabe des Staates, nicht nur die wesentlichen bürgerlichen Freiheiten zu
garantieren, sondern auch die Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Menschen eine Chance haben, ein selbstbestimmtes
Leben zu führen. Der blinde Glaube an die Allmacht des Marktes dürfe, wie Ettl warnte, nicht Eingang
in die Verfassung finden. In diesem Sinne bedauerte sie, dass über die Verankerung des Sozialstaates oder
den diskriminierungsfreien Zugang zur Bildung kein Konsens gefunden werden konnte.
Christine Gleixner unterstrich aus der Sicht der Kirchen die Bedeutung der Unantastbarkeit der Menschenwürde
und trat dafür ein, die Menschenwürde als Fundamentalnorm des Verfassungsrechtes zu gestalten und in
Form eines Grundrechtes zu verankern. Ferner schlug Gleixner die Aufnahme einer Verfassungsbestimmung hinsichtlich
der kollektiven Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften vor.
Elisabeth Gehrer beurteilte das Ergebnis des Ausschusses als "keinesfalls dünn" und ortete eine
große Mehrheit für die Verankerung von Staatsaufgaben in möglichst normativer Form. Nun gehe es
darum, den Konvent als Prozess der offenen Planung weiterhin mit positiven Argumenten zu begleiten und an einem
gemeinsamen Konsens zu arbeiten, sagte sie.
Ulrike Schebach-Huemer forderte die Verankerung eines Staatsziels der Daseinsvorsorge als Antwort auf die Liberalisierungstendenzen
der EU. Dies hätte eine gewisse Signalwirkung nach Brüssel, dass Österreich nicht bereit sei, jedem
Privatisierungsdruck undifferenziert stattzugeben, argumentierte sie.
Bernd-Christian Funk verstand Grundrechte und Staatsziele nicht als "entweder-oder" sondern im Sinne
eines "sowohl als auch" und bedauerte, mit dieser Meinung in der Minderheit geblieben zu sein. Die bisherigen
Ergebnisse ließen es für ihn nicht sinnvoll erscheinen, die Ausschüsse I und IV weiter miteinander
zu koordinieren. Dies würde bloß den Dissens kartografieren, bemerkte er. Funk trat vielmehr dafür
ein, die Vorschläge nun im Grundrechtsausschuss ohne flankierende Hilfe von Staatszielbestimmungen zu prüfen.
Leopold Specht befasste sich mit dem Staatsziel der immerwährenden Neutralität und meinte, gerade an
diesem Beispiel zeige sich, dass es angebracht sei, der Politik inhaltliche Vorgaben an die Seite zu stellen. So
schlug er vor, die Teilnahme Österreichs an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU an
Beschlüsse der Vereinten Nationen zu binden.
Madeleine Petrovic merkte eingangs zur Optimismus/Pessimismus-Debatte an, es sei nun jedenfalls Zeit, ergebnisorientiert
zu arbeiten, wobei ihre Kritik jenen Konventsmitgliedern galt, denen der Villacher Fasching wichtiger sei als der
Österreich-Konvent.
Auf den Inhalt des vorliegenden Zwischenberichts eingehend, hielt es Petrovic für verfehlt, einen versteinerten
Staatszielkatalog festzuschreiben und appellierte an die Wirtschaft, den Widerstand gegen die Aufnahme ökologischer
und sozialer Interessen in die Verfassung aufzugeben. Es liege auch in deren Interesse, zu verhindern, dass sich
solche Interessen nur noch auf der Strasse artikulieren können. Angesichts der großen Zahl gut ausgebildeter
und hoch motivierter Frauen, die keine Perspektive haben, ihre Ausbildung nutzbringend umzusetzen, hielt es Petrovic
für wichtig, die Gleichstellung von Frauen und Männern verbindlich in der Verfassung festzuschreiben.
Auf diesem Gebiet habe Österreich im internationalen Vergleich besonders großen Nachholbedarf.
Manfred Matzka stellte einleitend fest, es wäre verkürzt, hier und heute bereits einen Konsens in der
Frage der Staatsziele zu verlangen. Der Bericht lege die Perspektiven für die Diskussion klar, daher sei er
ein Fortschritt. Hinter der Frage "Spielregelverfassung oder Grundrechte" steht für Matzka eine
sehr reale Frage, nämlich "Will man kodifizieren was ist, oder will man darüber hinaus gehen?"
Manfred Matzka will den Menschen in den Mittelpunkt der Verfassung stellen und ihm sehr konkret sagen, was er sich
von einer Verfassung erwarten könne. Daher sei über soziale und existenzielle Sicherung zu reden, die
sich die Menschen erwarten. Man wird die Menschen nur überzeugen können, wenn sie sich von der Verfassung
eine Verbesserung ihrer konkreten Lebenssituation erwarten können - denn das sei die Aufgabe der Politik und
einer Verfassung.
Terezija Stoisits schloss sich der Kritik gegenüber Konventsmitgliedern an, denen Faschingsveranstaltungen
wichtiger sind als der Österreich-Konvent, wobei sie pointiert anmerkte, in Niederösterreich sei offenbar
ganzjährig Fasching.
Der Prioritätenreihung Präambel-Staatsziele-Grundrechte, wie sie Präsident Khol vorgenommen habe,
widersprach Stoisits heftig und nannte als Beispiel einer Staatszielbestimmung, die zwar nicht schade, aber auch
niemandem etwas nütze, jene über die kulturelle und sprachliche Vielfalt des Landes aus dem Jahr 2000.
Demgegenüber appellierte die Rednerin an die Konventsmitglieder, den Mut aufzubringen, einen konkreten Grundrechtskatalog
zu formulieren und schloss sich Manfred Matzka an: Es gehe darum, durchsetzbare Rechte für die Menschen zu
verankern. Diesen Mut vermisste Stoisits am vorliegenden Vorschlag der ÖVP - sie sei aber nicht pessimistisch,
sondern hoffe auf eine produktive Arbeit und auf sehr viel Konsens in der Frage der Grundrechte.
Rüdiger Schender sah den Wert des Zwischenberichts aus dem Ausschuss darin, darzustellen, wo Meinungsverschiedenheiten
und wo Konsensmöglichkeiten bestehen, auch wenn noch sehr wenig Konsens sichtbar sei. Hinsichtlich des Spannungsverhältnisses
zwischen einer "Spielregelverfassung" und einer Verfassung, die darüber hinausgehe, bekannte sich
Schender dazu, Spielregeln im Sinne von Regeln für politisches Handeln festzulegen, darüber hinaus aber
auch besonders wichtige politische Ziele in der Verfassung aufzunehmen.
Hinsichtlich der politischen Grundsatzpositionen, die im Ausschuss aufeinander getroffen seien, sei klar, dass
es nicht die Aufgabe des Ausschusses sei, solche Differenzen aufzulösen. Zur Frage einer Präambel sagte
Schender, er halte dies für eine Möglichkeit Staatszielbestimmungen umzusetzen, betonte aber zugleich,
dass er für einen starken verbindlichen Grundrechtskatalog eintrete. Wichtig sei es, die EU-Konformität
von Staatszielen zu beachten, dabei nannte Schender die Neutralität als Beispiel.
Eva Glawischnig lobte den Vorsitzenden des Ausschusses, Heinz Mayer, und würdigte die präzise Vorgangsweise,
die beim systematischen Abarbeiten der Vorschläge der Zivilgesellschaft Platz gegriffen hätten. Das Ergebnis
sei dennoch gering, kein einziger Punkt der Vorschläge der Zivilgesellschaft sei aufgenommen worden. Als Begründung
dafür werden ideologische Auffassungsunterschiede genannt. Diese Begründung wollte Glawischnig nicht
gelten lassen, denn welche ideologischen Unterschiede sollten den Konvent daran hindern, die Gleichstellung von
Mann und Frau oder die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Menschen in die Verfassung aufzunehmen?
lautete ihre Frage. Dasselbe gelte für soziale Grundrechte, sagte Glawischnig, die sich in der Frage Optimismus/Pessimismus
eher auf die Seite der Pessimisten schlug, denn sie konnte sich nur schwer vorstellen, wer der große Zauberer
sein könnte, der den Gordischen Knoten auseinander schlagen soll. Daher Glawischnigs Appell an alle Konventsmitglieder,
sich von den Interessen der jeweiligen Organisation zu lösen, aus der jeder komme, und statt dessen über
die Anliegen der Menschen zu diskutieren. |