Bildungspolitik  

erstellt am
04. 03. 04

 Grubich-Müller: Schule ohne Noten ist nicht Schule ohne Leistung
Wien (sk) - Die derzeitige Diskussion um Noten, wie sie konservative Bildungspolitiker in den letzten Tagen geführt haben, versteht Regina Grubich-Müller, Vorsitzende des Zentralvereins der Wiener Lehrer/innen (S), nicht. "Wenn Noten als Garant für Leistung gesehen werden, dann steckt das österreichische Schulsystem in einer großen Krise. Ich unterstütze daher voll die Vorschläge von Alfred Gusenbauer und Susanne Brandsteidl, den Notenfetischismus früherer Tage grundlegend in Frage zu stellen", so Grubich-Müller Mittwoch (03. 03.) gegenüber dem Pressedienst der SPÖ. Sie setzt entgegen, dass seit Jahren verschiedenste Beurteilungs- systeme von Wiener LehrerInnen mit großem Engagement erfolgreich angewendet werden. Neben verbalen Beurteilungen hebt sie besonders die Form der Bildungsdokumentation hervor. In dieser sammeln die SchülerInnen ihre eigenen erbrachten Leistungen. Grubich-Müller weiß aus Erfahrung: "Diese individuelle Leistungsdokumentation sagt über das Kind viel mehr aus als eine bloße Ziffernnote. Der Anreiz sich zu verbessern, ist viel größer als sonst."

Jeder Schüler und jede Schülerin habe ihre/seine eigenen Stärken und Schwächen, hat eine eigene Persönlichkeit. Eine moderne Pädagogik habe das längst erkannt und gibt individuelles Feedback. Schulnoten in ihrer herkömmlichen Form seien Relikte eines ungerechten selektionsorientierten Schulsystems. Ein zeitgemäßes Schulsystem hingegen teile das Leistungspotenzial auf den ganzen Tag auf und komprimiere nicht den Unterricht in einem 6-Stunden-Leistungsmarathon am Vormittag. Nur im Modell der Ganztagsschule sei das möglich sinnvoll verwirklicht zu werden. "Dort findet Lernen und Freizeit in einem pädagogisch strukturierten Wechsel statt." Dass das noch nicht alle erkannt haben, findet Grubich-Müller äußerst bedauerlich.

 

 Molterer: Vorwärts Genossen, wir müssen zurück - auch in der Bildungspolitik
Bildungspolitische Vorschläge der SPÖ tauchen seit 60ern wie Ungeheuer von Loch Ness immer wieder auf
Wien (övp-pk) - Als "alte Hüte" bezeichnete ÖVP- Klubobmann Mag. Wilhelm Molterer die unlängst von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer vorgebrachten SPÖ-Vorschläge zur Bildungs- politik. Seit den 60er Jahren kämen "wie das Ungeheuer von Loch Ness" immer wieder die gleichen alten Forderungen nach Abschaffung der Noten, Gesamtschule und Ganztagsschule - "aber das allein macht sie noch nicht richtiger", sagte der ÖVP-Klubobmann bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ÖAAB-Generalsekretär ÖVP- Bildungssprecher Abg.z.NR Werner Amon am Mittwoch (03. 03.).

Dies sei ein Beweis dafür, dass Gusenbauer offenbar ein Motto für seine Partei definiert habe: "Vorwärts Genossen, wir müssen zurück!". Die bildungspolitischen Vorschläge, die die SPÖ nun wiederum bemühe, seien "weltfremd: Das Leben findet nicht unter der Käseglocke statt", erklärte Molterer. "Es wäre fatal, wenn wir den Eindruck erwecken würden, dass die Schule unter der Käseglocke stattfindet, wo doch die Schule auf das Leben vorbereiten" solle. Die ÖVP erteile diesen Ideen daher eine ganz klare Absage.

Für die Volkspartei sei klar, dass die Frage der Qualifikation und der Bildung "die Zukunft des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes Österreich, die Zukunft des Forschungsstandortes Österreich, die Zukunft des Entwicklungsstandortes Österreich ganz zentral bestimmen", sagte Molterer. Daher sei die Frage der bestmöglichen Qualifikation und Bildung für die jungen Menschen vorrangiges Ziel der Österreichischen Volkspartei.

Die Qualität unseres Bildungssystems werde auch in nationalen und internationalen Studien bestätigt. So liege Österreich etwa beim Global Competitiveness Report, einer Umfrage unter 4.800 internationalen Führungskräften, gleichauf mit Finnland an der ersten Stelle. Auch eine aktuelle "market"-Umfrage bestätige, dass 90 Prozent der Eltern mit dem Schulsystem zufrieden seien. "Selbstverständlich" aber habe sich das Bildungssystem zu verändern und anzupassen an die Notwendigkeiten, die sich in Zukunft ergäben.

Die Vorschläge Gusenbauers seien allerdings rein ideologisch motiviert. "Darin ist kein Bekenntnis zur Leistungsfähigkeit im Schulsystem vorhanden", obwohl Gusenbauer selbst noch vor wenigen Monaten von der solidarischen Hochleistungsgesellschaft gesprochen habe. Weiters widersprechen die aufgewärmten SPÖ-Forderungen dem pädagogisch so wichtigen Ansatz der Vielfalt, indem "der Einheitsbrei offensichtlich wiederentdeckt wird", und sie widersprechen "unserem wesentlichen Prinzip der Freiwilligkeit", etwa beim Nachmittagsangebot an Schulen. "Das ist nicht unser Weg. Wir werden daher auch ganz klar diese politische Auseinandersetzung führen" und den Diskussionsprozess um Qualität in Schulen, den Bildungsministerin Elisabeth Gehrer mit der Plattform "klasse:zukunft" eingeleitet habe, zu einem guten Ergebnis führen, sagte der ÖVP-Klubobmann abschließend.

 

 Rossmann: Schule: Jeweiliges Lernziel muß erreicht werden
Wien (fpd) - Es sei sicher wichtig, die Kinder beim Schuleinstieg nicht zu sehr unter Notendruck zu setzen. Gerade in der Volksschule könne eine verbale Beurteilung der Leistungen oft sinnvoller sein als eine Benotung. Man müsse hier pädagogisch sehr sensibel vorgehen, so FPÖ-Bildungssprecherin Mares Rossmann am Mittwoch (03. 03.).

In jedem Fall müsse das jeweilige Lernziel erreicht werden. Ob dies ohne Noten bis zum Ende der Unterstufe möglich sei, sei aber eher zu bezweifeln, so die FPÖ Bildungssprecherin. Einem gewissen Leistungsdruck würden die Schüler aber früher oder später ausgesetzt werden müssen. Auch im späteren Berufsleben würden die Leistungen beurteilt, und gerade in der Schule müsse man darauf vorbereitet werden.

 

 ÖVP und SPÖ betonieren sich in Schuldiskussion ein
Brosz: Es ist Zeit für eine offene Diskussion
Wien (grüne) - "Die Schuldiskussion verläuft in den leider seit Jahren gewohnten Bahnen. Reformen werden durch das gegenseitige Einbetonieren verunmöglicht. Es wird Zeit, das endlich Bereitschaft für eine offene Diskussion über die Schwächen des österreichischen Schulsystems stattfindet", kritisiert der Bildungssprecher der Grünen, Dieter Brosz, die aktuelle Schuldiskussion am Mittwoch (03. 03.).

Die ÖVP grabe die alten Kalauer von 'Zwangstagsschule' und 'Einheitsbrei' aus, obwohl in allen europäischen Ländern außer Deutschland ganztägige Schulformen Standard sind und Schulsysteme mit einer gemeinsamen Schule bei der PISA-Studie besser abgeschnitten haben. "Die ÖVP wäre gut beraten, wenn sie die soziale Schieflage in Österreichs Schulsystem zur Kenntnis nehmen würde anstatt sich laufend selbst zu beweihräuchern," so Brosz.

"Demgegenüber gehen viele Vorschläge von SPÖ-Chef Gusenbauer in die richtige Richtung, auch wenn er zuweilen über das Ziel schießt. Ganztagsschulen sind keine pädagogischen Allheilmittel. Bei der Forderung nach bilingualem Unterricht ab der 1. Klasse sollte er berücksichtigen, dass gerade MigrantInnen und Kinder, die zuvor wenig gefördert wurden, dadurch belastet würden," so Brosz.

Der Vorschlag einer verbalen Beurteilung in der Volksschule und einer Abschaffung des Durchfallens während der ersten acht Klassen werde von den Grünen unterstützt. Es sei nicht einzusehen, weshalb der gesamte Stoff eines Schuljahrs wiederholt werden soll, nur weil in einem Fach das Lernziel nicht erreicht wurde. "Wenn in fast allen europäischen Ländern flächendeckendes Durchfallen durch Fördermaßnahmen ersetzt wurde, wird das auch in Österreich möglich sein. Noten in der Volksschule sind zu hinterfragen, sie sind aber die logische Folge der Selektion nach der 4. Klasse. Die SPÖ hat es in den letzten Jahren vermieden, sich klar zu einer gemeinsamen Schule zu bekennen," so Brosz.
     
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