Paris (esa) - Die europäische Kometensonde Rosetta wurde erfolgreich in eine Sonnenumlauf- bahn befördert,
von der aus sie im Jahr 2014 nach drei Vorbeischwüngen an der Erde und einem am Mars den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko
erreichen wird. Während ihres 10-jährigen Flugs wird die Sonde mindestens einem Asteroiden nahekommen.
Rosetta ist die erste Sonde, die dazu bestimmt ist, einen Kometen zu umkreisen und ein Landegerät auf ihm
abzusetzen. Mindestens ein Jahr lang soll sie dieses Relikt aus der Geburtszeit unseres Sonnensystems vor knapp
5 Milliarden Jahren gründlichst unter die Lupe nehmen.
Die Mission begann am 2. März um 08.17 Uhr MEZ mit dem erfolgreichen Start einer Ariane-5 vom Raumfahrtzentrum
Guayana, die die Oberstufe und die Nutzlast sicher auf eine exzentrische Umlaufbahn (200 x 4 000 km) brachte. Um
10.14 Uhr MEZ, also rund zwei Stunden später, wurde das Triebwerk der Oberstufe gezündet, um die Sonde
aus dem Schwerefeld der Erde in eine heliozentrische Umlaufbahn zu befördern. Etwa 18 Minuten später
wurde Rosetta ausgesetzt.
„Nach seinem jüngsten Erfolg mit Mars Express ist Europa nun mit einer weiteren spannenden Mission unterwegs
in die Tiefen des Weltraums. Zwar müssen wir Geduld haben, da das Rendezvous der Sonde mit dem Kometen erst
in einigen Jahren ansteht, aber ich glaube, daß sich das Warten lohnen wird“, sagte ESA-Generaldirektor Jean-Jacques
Dordain, der beim Start in Kourou dabei war.
Das Raumflugkontrollzentrum der ESA in Darmstadt (ESOC), das während der gesamten Dauer der Mission für
den Betrieb und die Orbitalmanöver von Rosetta zuständig sein wird, hat Kontakt mit der Sonde aufgenommen,
die sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 3,4 km/s von der Erde entfernt. Während der nächsten acht
Monate werden die Bordsysteme überprüft und die wissenschaftlichen Instrumente geeicht.
Flugzeit von 10 Jahren
Für ihre Planetenvorbeischwünge zur Richtungsänderung und ihre Vorbeiflüge an Asteroiden,
deren Erkundung eines der sekundären Ziele der Mission ist, soll Rosetta reaktiviert werden.
Der erste dieser Vorbeischwünge ist für März 2005 geplant, wenn die Sonde erstmals an der Erde vorbeifliegen
und dadurch auf eine Umlaufbahn gelangen wird, auf der sie knapp zwei Jahre später den Mars ansteuern wird.
Während ihres Vorbeischwungs am Mars im Februar 2007 wird sie sich dem Roten Planeten bis auf etwa 200 km
nähern und mehrere wissenschaftliche Beobachtungen durchführen. Im November desselben Jahres wird die
Sonde erneut an der Erde vorbeifliegen; diese beiden Vorbeischwünge werde ihre orbitale Energie stark erhöhen
und sie tief in den Asteroidengürtel katapultieren. Der dritte und letzte Vorbeischwung der Sonde an der Erde
im November 2009 wird Rosetta endgültig auf ihren Weg zur Umlaufbahn des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko bringen.
Mitte 2011 wird Rosetta, die sich dann in einer Entfernung von rund 800 Millionen km von der Sonne befinden wird,
ihr Haupttriebwerk für ein umfangreiches Bahnkorrekturmanöver zünden und Kurs auf den Kometen nehmen,
den sie nach weiteren drei Jahren erreichen wird.
Im Januar 2014 wird die Sonde voll reaktiviert. Dann beginnt ihre sechsmonatige Annäherungsphase an den Kern
des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko. Der Komet wird zu diesem Zeitpunkt noch weit von der Sonne entfernt sein und
dürfte noch keinerlei Aktivität aufweisen.
Rendezvous mit einem Kometen
Wie der Komet 46P/Wirtanen, den Rosetta ursprünglich hätte anfliegen sollen, so gehört auch der
Ersatzkomet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, der nach der Anfang 2003 beschlossenen Startverschiebung ausgewählt
wurde, zu den periodischen Kometen, die sich im inneren Sonnensystem „verfangen“ haben, nachdem sie dem Jupiter
zu nahe gekommen sind. Er wurde im September 1969 am Astrophysischen Institut Almaty in Kasachstan vom Astronomen
Klim Tschurjumow von der Universität Kiew, Ukraine, auf Fotos entdeckt, die seine Kollegin Svetlana Gerasimenko
vom Institut für Astrophysik in Duschanbe, Tadschikistan, aufgenommen hatte.
Im August 2014 wird Rosetta in eine Umlaufbahn über dem Kometenkern einschwenken. Von dort aus wird die Sonde
eine gründliche Kartierung der Oberfläche vornehmen, woraufhin ein Landeplatz für das rund 100 kg
schwere Landegerät Philae ausgewählt werden soll. Philae wird dann aus einer Höhe von etwa 1 Km
ausgesetzt und sich dem Kern aufgrund dessen sehr geringer Schwerkraft im Schrittempo nähern und auf ihm landen.
Um nicht vom Kern abzuprallen, muß sich das Landegerät nach dem Aufsetzen mit zwei Harpunen verankern.
Während mehrerer Wochen soll es Bilder in sehr hoher Auflösung von der Oberfläche aufnehmen und
die Schichten unter der Oberfläche erkunden. Seine Daten werden vom Orbiter zur Erde weitergeleitet.
Der Orbiter soll den Kometenkern mehr als ein Jahr lang - mindestens bis Dezember 2015 - beobachten. Mit ihm wird
Europa das „Erwachen“ der Aktivität des Kerns bei seiner Annäherung an die Sonne und beim Erreichen seines
sonnennächsten Punkts im Oktober 2015 aus der ersten Reihe miterleben.
Erkundung des Kometen
Rosetta wurde im Auftrag der ESA von einem Industrieteam aus mehr als 50 europäischen Unternehmen unter der
Leitung von EADS Astrium gebaut. Die Solarzellenflügel der 3 Tonnen schweren Sonde haben eine beeindruckende
Spannweite von 32 m; zum ersten Mal wird eine Sonde, deren Ziel jenseits der Umlaufbahn des Mars liegt, ihren Strombedarf
mit Solarzellen decken. Neben dem Landegerät Philae hat Rosetta 11 wissenschaftliche Instrumente mit einem
Gesamtgewicht von 165 kg an Bord, die in Partnerschaft von den Mitgliedstaaten der ESA und den USA entwickelt wurden.
Vier dieser Instrumente dienen der Erforschung des Kerns: das Ultraviolett-Spektrometer ALICE, die hochauflösende
Kamera OSIRIS, das abbildende Spektrometer VIRTIS und das Mikrowellen-Radiometer/-Spektrometer MIRO. Drei weitere
Instrumente sollen die Zusammensetzung des Kerns und der von ihm freigesetzten Teilchen bestimmen: die Spektrometer
COSIMA und ROSINA und das Mikroskop MIDAS. Der Kollektor GIADA soll den Staub in der Umgebung des Kerns analysieren,
während die RPC-Sensoren die interne Struktur der Koma und ihre Wechselwirkungen mit dem Sonnenwind untersuchen
sollen. Die Instrumente CONSERT und RSI schließlich werden mit Hilfe von Radiowellen die interne Struktur
des Kerns bzw. die Massenverteilung im Kern und die Struktur der Koma erkunden.
Das unter der Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte Landegerät Philae
führt neun Instrumente mit, die von den ESA-Mitgliedstaaten in Partnerschaft mit den USA, Ungarn, und Rußland
bereitgestellt wurden. Das Kamerasystem CIVA/ROLIS wird Panorama- und Stereoskopieaufnahmen in hoher Auflösung
liefern, während die Instrumente APXS, COSAC und PTOLEMY die Zusammensetzung der Materie der Kometenoberfläche
bestimmen sollen. Das Instrument SESAME dient der elektrischen und akustischen Sondierung der Kometenoberfläche
bis in 2 m Tiefe, während an der Harpune angebrachte Sensoren die Erkundung der Oberflächeneigenschaften
durch das Instrument MUPUS ermöglichen werden. Das Magnetometer ROMAP und ein Duplikat des Instruments CONSERT
sollen das Magnetfeld des Kometen und seine Wechselwirkung mit dem Sonnenwind untersuchen.
Der Namensgeber der Sonde, der vor über 200 Jahren in Ägypten ausgegrabene Stein von Rosette, verschaffte
den Ägyptologen des 19. Jahrhunderts den Schlüssel zur Entzifferung der Hieroglyphen und damit zur Offenlegung
von drei Jahrtausenden in Vergessenheit geratener ägyptischer Geschichte und Kultur. Ähnlich soll die
gründliche Untersuchung eines Kometenkerns und eines oder mehrerer Asteroiden durch die ESA-Sonde Rosetta
die Wissenschaftler von heute in die Lage versetzen, das Geheimnis der Ursprünge unseres Sonnensystems zu
lüften und die Mechanismen nachzuvollziehen, die der Entstehung von Planetensystemen in der Umgebung anderer
Sterne zugrunde liegen. |