Extremste Bedingungen in der Eiswüste und Innsbrucker Know-how im Gepäck
Innsbruck (universität) - 42 Tage lang werden seit dieser Woche 16 Freiwillige aus Dänemark
und mit ihnen auch Inuit aus Grönland unter extremsten Bedingungen die Eiswüste Nordgrönlands durchwandern
und dabei unter permanenter wissenschaftlicher Beobachtung stehen. Mit modernster Technik will man im Rahmen dieser
Expedition unter anderem den komplexen Mechanismen auf die Spur kommen, die zu Diabetes II, Volkskrankheit Nummer
1 in den westlichen Industriestaaten, führen. Mit dabei ein hochkomplexes Diagnosegerät aus Innsbruck
und sein Entwickler, der Wissenschaftler Prof. Erich Gnaiger, Arbeitsgruppenleiter am D. Swarovski Forschungslabor
an der Transplantationschirurgie der Innsbrucker Universitätsklinik für Chirurgie.
Hintergrund für die Expedition ist der dreißigste Jahrestag der Unabhängigkeit Grönlands,
der heuer gefeiert wird. Unter Führung des weltberühmten Copenhagen Muscle Research Center der Universität
Kopenhagen (Prof. Bengt Saltin) und unter Schirmherrschaft des dänischen Kronprinzen werden Wissenschaftler
aus Dänemark, Kanada und Österreich im Rahmen der „Greenland Expedition 2004“, begleitet von einem Filmteam
des dänischen Fernsehens, eine Gruppe von Freiwilligen aus Dänemark und Grönland bis hinein in die
kleinsten Bausteine des Körpers physiologisch erforschen.
Wichtige Erkenntnisse über physiologische Abläufe im menschlichen Körper
Ziel dieser Kombination von Abenteuer und Wissenschaft ist nicht zuletzt die Erforschung der Zusammenhänge,
die zum vermehrten Auftreten von Diabetes II führen. Von 800 BewerberInnen wurden dazu in Dänemark 16
Frauen und Männer im Alter zwischen 25 und 35 Jahren ausgewählt, die über eine durchschnittliche
Fitness verfügen. Sie sollen in den 42 Tagen in Grönland unter extremsten klimatischen Bedingungen und
hoher körperlicher Anstrengung hochtrainiert werden. Dazu werden Herz-Kreislauffunktionen permanent aufgezeichnet
und in regelmäßigen Abständen auch das Muskelgewebe untersucht. Denn aus vielen Studien weiß
man, dass aerobe Muskelarbeit das Risiko für eine Diabeteserkrankung senkt. Um dabei bis hinein in die Zellstruktur
testen zu können und auch die Mitochondrien (aeroben Kraftwerke der Zelle) und deren Veränderungen, beispielsweise
die Erhöhung des Sauerstoffumsatzes durch das Training untersuchen zu können, kommt mit dem Oroboros
Oxygraph-2k ein Gerät zum Einsatz, das von Prof. Erich Gnaiger und seinem Team in Innsbruck entwickelt wurde
und weltweit das einzige dieser Qualität auf dem Markt ist.
Der Diabetes auf der Spur
Verglichen werden die Ergebnisse der dänischen Probanden mit denen von traditionell lebenden Inuit,
bei denen es keine Diabetes-Erkrankungen gibt. Wenige Ureinwohner Grönlands leben noch als Nomaden in althergebrachten
Strukturen, ernähren sich traditonell und wohnen in Iglus. Diese Kultur am Rande der Auslöschung umfasst
noch ungefähr 180 Menschen. Als weitere Referenzgruppe dienen Inuit, die einen westlichen Lebensstil pflegen
und deren Diabetes–Risiko bis zu 50 % ansteigt, also deutlich höher als in unseren Breiten. Die Mitglieder
der „traditionellen“ Gruppe werden bei den Wanderungen durch Grönland auch die Rolle der Führer übernehmen
und somit für die Sicherheit der gesamten Gruppe sorgen.
Von den Untersuchungen erwarten sich die Wissenschaftler Aufschlüsse darüber, warum die aerobe Muskelarbeit
das Risiko von Diabetes herabsetzt und, welche Mechanismen dabei in den Zellen insbesondere in deren Kraftwerken,
den Mitochondrien, ablaufen. Für Erich Gnaiger bietet sich zusätzlich die Chance, sein Gerät, das
mit den Tiroler Firmen Philipp Gradl und Lukas Gradl als ausgeklügelte Kombination aus Elektronik, Mechanik
und Software entwickelt wurde, unter Extrembedingungen einzusetzen und dabei zusätzlich zu den wissenschaftlichen
Informationen auch ganz praktische Erfahrungen sammeln zu können. Schon jetzt zeigen sich österreichische
Stellen höchst interessiert an den Ergebnissen, könnten sie doch ganz wichtige Impulse im Bereich des
Schul- und Breitensports geben und damit langfristig auch zur Gesundheitsvorsorge beitragen. |