Fasslabend: Europa ohne Kroation ist unvollständig  

erstellt am
11. 03. 04

Kroatische Parlamentarier bei Mitgliedern des EU-Unterausschusses
Wien (pk) - Die Delegation des kroatischen Parlaments, des Sabor, unter der Leitung von dessen Präsident Vladimir Seks, traf am Mittwoch (10. 03.) Vormittag zu einem Gedankenaustausch mit Mitgliedern des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union zusammen. An der Aussprache nahmen der Vorsitzende des Ständigen Unterausschusses, Abgeordneter Werner Fasslabend (V), der Präsident des Europarates, Abgeordneter Peter Schieder (S) sowie die Abgeordneten Caspar Einem (S), Klaus Wittauer (F) und Wolfgang Pirklhuber (G) teil.

Im Mittelpunkt des Gesprächs standen naturgemäß die Bemühungen Kroatiens um eine baldige Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Seitens der österreichischen Politiker wurde unisono betont, dass man die Entwicklung Kroatiens mit großer Aufmerksamkeit und großem Respekt verfolge und man Kroatien auf seinen Weg in die EU tatkräftig unterstützen werde, damit dieser Weg ein möglichst kurzer ist. Europa ohne Kroatien sei "unvorstellbar und unvollkommen", so Fasslabend. Präsident Vladimir Seks merkte an, dass Kroatien die Kopenhagener Kriterien bereits erfüllt habe. Schwierigkeiten gebe es bei der Umsetzung und Konkretisierung der Gesetze, weshalb man großen Wert auf die Erfahrungen Österreichs lege. Seks unterstrich auch die Wichtigkeit der Integration Kroatiens in die EU und in die NATO in Hinblick auf eine stabile Entwicklung in den Nachbarstaaten seines Heimatlandes.

Als eines der wichtigsten Reformvorhaben bezeichnete der kroatische Parlamentspräsident die Reform des Justizwesens und der Staatsverwaltung. Man sei um mehr Effizienz bemüht und strebe vor allem an, eine einzige staatliche Agentur für die Unternehmen und Investoren zu schaffen. Das Justizwesen müsse Einzelpersonen und die Freiheit des Unternehmertums schützen, sagte Seks, die anderen Kopenhagener Kriterien könnten nicht zu Stande kommen, wenn sie nicht vom Rechtssystem gesichert werden.

Die Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal werde von der Regierung unterstützt und es sei gelungen, dies von der politischen Ebene ausschließlich auf die gesetzliche Ebene zu transferieren, stellte Seks fest.

Angesprochen auf die Minderheitenfrage wurde seitens der kroatischen Delegation beteuert, dass es keine besonderen Probleme gebe, zumal es hier gute gesetzliche Regelungen und eine entsprechende finanzielle Unterstützung gebe. So bestehe auch auf lokaler Ebene die Möglichkeit der Selbstverwaltung für Minderheiten.

Als ein schwieriges Problem stuften die kroatischen Gäste die Agrarpolitik ein, da 20 % der kroatischen Bevölkerung von der Landwirtschaft abhingen und die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion hoch seien. Kroatien wehre sich auch gegen die Einfuhr und die Verwendung gentechnisch veränderter Organismen und Lebensmittel, man stehe aber in dieser Frage unter Druck einiger Länder. Jedenfalls reagiere die kroatische Öffentlichkeit außerordentlich sensibel, wenn es um die Gentechnik gehe. Die Importsperre für österreichisches Rindfleisch sei in der Zwischenzeit aufgehoben worden, bestätigte Seks.

Er betonte auch, die Wichtigkeit des Umweltschutzes in der Arbeit aller politischen Parteien und im Bewusstsein der Bevölkerung. So würden eine Reihe von Maßnahmen gegen die Zubetonierung der adriatischen Küste gesetzt. Um strukturell und wirtschaftlich benachteiligten Gebieten Kroatiens, wo auch die Arbeitslosenrate sehr hoch sei, unter die Arme zu greifen, habe man steuerliche Maßnahmen und Investitionsförderungen in die Wege geleitet.

Im Anschluss an dieses Gespräch traf die kroatische Delegation mit der Vizepräsidentin des Bundesrates, Anna Elisabeth Haselbach, zusammen.
   

Den Schlusspunkt im Reigen der Gespräche, die der Präsident des Sabors der Republik Kroatien, Vladimir Seks, und seine Delegation im österreichischen Parlament absolvierten, bildete heute Vormittag ein Gedankenaustausch mit Bundesräten. Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach begrüßte die Gäste herzlich und leitete das Gespräch auf Wunsch der kroatischen Parlamentarier mit einer Darstellung der österreichischen Länderkammer hinsichtlich Zusammensetzung, Zuständigkeiten und Arbeitsweise ein.

Eines der spezifischen Themen der Unterredung bildete dann die Abschaffung der zweiten Kammer des kroatischen Parlaments, des Hauses der Gespanschaften, im Jahr 2000. Als Gründe für diese vom Sabor mit Zweidrittelmehrheit getroffene Entscheidung nannte Präsident Seks auf eine diesbezügliche Frage von Bundesrat Karl Boden (S) erstens die Änderung der Mehrheitsverhältnisse nach den Wahlen des Jahres 2000, die zu unterschiedlichen Mehrheiten im Sabor und im Gespanschaftshaus geführt hatten, zweitens das Ziel einer "Rationalisierung" und kostengünstigeren Gestaltung des kroatischen Parlamentarismus und drittens die Erfahrung, dass das Haus der Gespanschaften sich in der kroatischen Gesetzgebung nicht als die ursprünglich konzipierte Interessenvertretung der Regionen erwiesen hatte.

Den zweiten Themenschwerpunkt bildeten die EU-Ambitionen Kroatiens. Vizepräsidentin Haselbach gab ihrer Freude darüber Ausdruck, dass Kroatien nach den entsetzlichen Erfahrungen der Balkankriege der Friedensgemeinschaft EU beitreten wolle und zeigte sich überzeugt, dass Österreich Kroatien beim Beitritt Erfahrungshilfen geben könne.

Bundesrat Herwig Hösele (V) erinnerte an die vielen Jahre zurückreichende Unterstützung von Menschenrechten, Demokratie und Selbständigkeit in Kroatien durch die Volkspartei und das Bundesland Steiermark. Diese Unterstützung gelte auch einem raschen EU-Beitritt des "mittel- und zentraleuropäischen Kernlandes Kroatien", betonte Hösele.

Bundesrat Peter Böhm (F) schloss sich seinen Vorrednern an und zollte Kroatien hohen Respekt für die Einbeziehung der deutschen und altösterreichischen Minderheit in die Regelungen des Entschädigungsgesetzes. Auf Böhms Frage nach dem rechtlichen Status der Volksgruppen in Kroatien sagte der altösterreichische Minderheitenvertreter des Sabors, Abgeordneter Nikola Mak, die Minderheitenprobleme seien in Kroatien mittlerweile gut geregelt. Auch die deutsche und die altösterreichische Minderheit, die vor 1991 nicht anerkannt waren, sind nun rechtlich gut ausgestattet und nehmen ihre Rechte wahr; noch offene Fragen werden in diesem Jahr gelöst werden können, zeigte sich Abgeordneter Mak zuversichtlich.
     
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