Vielversprechender Fortschritt im Bereich der Katalyse
Neuenburg/Schweiz (alphagalileo) - Ein neuartiger chemischer Katalysator, der die Eigenschaften zweier
Arten von Katalysatoren – natürliche Enzyme und synthetische Katalysatoren – vereint: Diese Premiere gelang
dem Chemieprofessor Thomas Ward und seiner Gruppe an der Universität Neuenburg mit Unterstützung des
Schweizerischen Nationalfonds und des Nationalen Forschungsprogramms «Supramolekulare funktionale Materialien»
(NFP 47). Für die Ergebnisse und das angemeldete Patent interessiert sich nun die chemische und pharmazeutische
Industrie.
Obwohl sie keine Baseball-Fans sind, inspiriert ein Baseball-Handschuh eine Chemikergruppe der Universität
Neuenburg bei der Beschreibung ihrer Entdeckung im Bereich der Katalyse. Die Bedeutung der Katalyse ist in der
Chemie, Pharmazie oder Physiologie schon lange bekannt, und es gibt weltweit unzählige Forschungsarbeiten
zu diesem Thema. Doch vor kurzem gelang der Gruppe des Chemie-professors Thomas Ward mit Unterstützung des
Schweizerischen Nationalfonds und des Nationalen Forschungsprogramms «Supramole-kulare funktionale Materialien»
(NFP 47)* die Entwicklung eines neuartigen Katalysators. Er vereinigt nämlich die Eigenschaften zweier bestehender
Arten von Katalysatoren: natürliche Katalysatoren (Enzyme) und synthetische Katalysatoren. Diese Entdeckung
könnte für die chemische und pharmazeutische Industrie von grossem Interesse sein.
Bereits in der Antike wusste man die Wirkung der Katalyse zu nutzen. Als Katalyse bezeichnet man die Beschleunigung
einer chemischen Reaktion durch die blosse Anwesenheit einer Substanz, die während dieses Vorgangs unverändert
bleibt. Mit anderen Worten: Diese Substanz, der so genannte Katalysator, wirkt wie ein molekularer Blasebalg, der
das Feuer der chemischen Reaktion schürt. Das bekannteste Beispiel für eine Katalyse ist der Abgaskatalysator
bei den Autos, bei dem spezifische Bestandteile (Edelmetalle) die Umwandlung der toxischen Abgase beschleunigt.
Es gibt zwei Arten von Katalysatoren: Enzyme und synthetische Katalysatoren. Die Enzyme sind Eiweisse, die von
sämtlichen Organis-men hergestellt werden. So kann der Körper die Ascorbinsäure (bekannt als Vitamin
C) aus Früchten oder Gemüsen mit Hilfe eines Enzyms rasch umwandeln und aufnehmen. Ein weiteres Beispiel:
Ohne das Enzym Alkoholdehydrogenase würde der Abbau von Alkohol mehrere Tage brauchen und seine Wirkung entsprechend
lange anhalten… Enzyme vervielfachen die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion in der Regel um einen Faktor
von rund einer Million! Diese Moleküle haben deshalb eine sehr wichtige Funktion und sind für die pharmazeutischen
Forschung von grosser Bedeutung. Die Entwicklung ebenso wirksamer künstlicher Katalysatoren wäre für
die synthetische Chemie von unschätzbarem Wert.
Der Vorteil der Enzyme ist insbesondere ihre ausgeprägte Selektivität. Ein Enzym kann nur eine ganz bestimmte
chemische Reaktion beschleunigen. Zudem sind sowohl die Enzyme als auch oft die Endprodukte so genannte chirale
Moleküle, d.h. Moleküle, deren Bild und Spiegelbild, wie im Falle der menschlichen Hand, nicht deckungsgleich
sind. Damit jedoch tatsächlich chirale Endprodukte entstehen, ist es wichtig, dass sich der Katalysator in
derselben Phase (fest, flüssig oder gasförmig) wie die Reaktionskomponenten befindet. Man spricht dabei
von einem homogenen Katalysator (im Gegensatz zu einem heterogenen Katalysator, der sich in einer anderen Phase
befindet). Chirale Moleküle werden wegen ihrer Selektivität in der Pharmazie sehr geschätzt.
Ein Enzym kann zudem im Verband mit einem Coenzym wirken (Coenzyme sind kleine Kohlenstoffverbindungen, die ein
Enzym ergänzen). Diese Coenzyme enthalten manchmal ein Metall. Häufig handelt es sich dabei um Eisen
oder Kupfer. Edelmetalle wie Gold, Rhodium, Iridium oder Palladium hingegen können die Reaktionen stärker
beschleunigen, kommen aber in der Natur viel seltener vor als Eisen oder Kupfer. Solche Edelmetalle werden deshalb
von Chemikern im Labor als synthetische Katalysatoren verwendet.
Zum Patent angemeldet
Die Idee, einen hybriden Katalysator herzustellen, der die Selektivität der natürlichen Enzyme
mit der Aktivität der synthetischen Katalysa-toren verbindet, ist keineswegs neu. Lange blieb sie aber reine
Theorie. "Nun ist es uns gelungen, diese Idee umzusetzen!", freut sich Thomas Ward. Das Ergebnis lässt
sich mit einem Baseball-Handschuh veran-schaulichen. «Der Handschuh stellt das Enzym dar. In Analogie zur
menschlichen Hand drängt dieser Handschuh der chemischen Reaktion ein chirales Umfeld auf, das diese Eigenschaft
der Chiralität auf das Molekül des Endprodukts überträgt. Es kann sozusagen im rechten Handschuh
nur eine rechte Hand produziert werden. Und vom Hand-schuh eingeschlossen ist der Ball, das Molekül des synthetischen
Katalysators. Das Produkt ist ein künstliches Metalloenzym, dass sehr aktiv und sehr selektiv ist»,
erklärt der Forscher, der seine Resultate in verschiedenen Fachzeitschriften publiziert und seine Entwicklung
zum Patent angemeldet hat.
Gemäss Thomas Ward erweitert sich dank solcher Metalloenzyme das Anwendungsgebiet von Enzymen substanziell.
"Es wäre zum Beispiel denkbar, dass sie längerfristig zur selektiven Zerstörung unerwünschter
Moleküle in einem Organismus eingesetzt werden könnten. Die genaue Erkennung eines fremden Ziels, beispielsweise
eines Virus, einer Krebszelle oder von DNA, wäre dabei die Aufgabe des Enzyms, während der Hemmprozess
selbst, der zur Zerstörung des Ziels führt, durch die sehr aktiven, in diesem Protein eingeschlossenen
Moleküle gefördert würde."
"Grundsätzlich ist das Interesse der chemischen Industrie gross", erklärt der Chemiker, schränkt
aber ein, dass es sich noch um Grundlagenforschung handle. "Die Industrie verhält sich vorerst abwartend,
gilt es doch noch einige technische Hürden zu überwinden. Die Industrie will aber ,gebrauchsfertige Methoden‘
und rät uns, in zehn Jahren nochmals vorbeizuschauen", bedauert der Forscher.
* Im Rahmen des NFP 47 arbeiten mehrere Forschungsteams aus den Bereichen Physik, Chemie und
Biologie am Thema «Supramolekulare funktionale Materialien». Das Prinzip der Supermoleküle ist
in der Natur weit verbreitet. Die Verbünde aus einzelnen Molekülen bilden winzige Maschinen oder Strukturen,
die hochspezifische Aufgaben erfüllen. |