Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen zieht 5-Jahresbilanz
Wien (rk) - Im Rahmen einer Pressekonferenz zogen am Freitag (19. 03.)
Frauen- und Integrationsstadträtin Mag.a Renate Brauner und die beiden Antidiskriminierungsbeauftragten Angela
Schwarz und Mag. Wolfgang Wilhelm Bilanz über fünf Jahre Antidiskriminierungsarbeit in Wien und präsentierten
mit "Dein Recht im Alltag" eine Rechtbroschüre für homosexuelle BürgerInnen zum Umgang
mit Diskriminierung, Mobbing und Ungleichbehandlung.
In Wien leben nach Schätzungen von ExpertInnen rund 170.000 lesbische und schwule Menschen. Maßnahmen
zur Gleichstellung und Antidiskriminierung betreffen daher mehr als 10 Prozent der Bevölkerung. Mit der Wiener
Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen (WASt) gibt es nun schon seit fünf
Jahren eine wichtige Anlaufstelle für homosexuelle BürgerInnen. Brauner: "In diesen fünf Jahren
wurden die Beratung ausgebaut, öffentliche Sensibilisierungsmaßnahmen verstärkt und vor allem konkrete
Verbesserungen für homosexuelle Menschen erzielt."
Nun liegt mit der 80 Seiten starken Broschüre "Dein Recht im Alltag" auch das unmittelbare Ergebnis
von fünf Jahren Beratungsarbeit vor. Die Bandbreite reicht von "Arbeitsrecht" über "Leben
mit Kindern" bis zu "Aufenthaltsrecht". Damit bietet die Broschüre umfassende Informationen
und wird damit zu einer wichtigen Alltags-Begleiterin für Lesben und Schwule.
Bilanz von fünf Jahren Antidiskriminierungsarbeit
Die beiden Antidiskriminierungsbeauftragten Angela Schwarz und Mag. Wolfgang Wilhelm hätten in den
vergangenen fünf Jahren Beachtliches geleistet und mit viel Energie und Zähigkeit mögliche Diskriminierungen
aufgespürt und beseitigt, lobte Brauner die Arbeit der WASt. In Wien wurde dabei erstmals eine landesrechtliche
Absicherung erreicht mit der gleichgeschlechtliche Paare, die oftmals bereits Jahrzehnte zusammen leben, im Einflussbereich
der Gemeinde Wien vor dem Gesetz nicht mehr "Fremde" sind.
Etliche Gleichstellungsmaßnahmen wie etwa das Eintrittsrecht in Mietverträge bei Gemeindewohnungen wurden
in Wien bereits umgesetzt. Das Recht auf Pflegefreistellung und Hospizkarenz für MitarbeiterInnen, die in
gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben, wurde 2003 auch explizit in der Dienstordnung für den Magistrat
festgeschrieben. Damit hat Wien zu den bereits bestehenden Rechten wie der Jungfamilienförderung, die seit
1999 auch homosexuellen Paaren zusteht, in vielen relevanten Lebensbereichen eine weitgehende rechtliche Gleichstellung
von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften erreicht.
Forderungen an den Bundesgesetzgeber
Im Wirkungsbereich des Landes und der Stadt Wien sind damit die Möglichkeiten zur Gleichstellung weitgehend
ausgeschöpft. Viele Gesetzesmaterien in den Bereichen Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht, Aufenthaltsrecht,
Steuerrecht etc. sind ausschließlich auf Bundesebene zu regeln. Deshalb fordert Brauner die Regierung zu
einem raschen Umdenken im Sinne der Betroffenen auf: "BürgerInnen in homosexuellen Partnerschaften müssen
endlich auch die Möglichkeit auf ein geregeltes und abgesichertes Leben als Paar bekommen. Österreich
steht im EU-weiten Vergleich bereits ziemlich rückständig da." Brauner forderte die Gleichstellung
von gleichgeschlechtlichen Lebensbeziehungen und plädierte für die Einführung von eingetragenen
Partnerschaften auf Bundesebene. Während die Stadt Wien bereits an einer entsprechenden Regelung arbeite,
sei der Bund bei der Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU in nationales Recht immer noch säumig.
Besonders dringlich sei auch die Frage der Anerkennung homosexueller NS-Opfer nach dem Opferfürsorgegesetz.
Rechtsbroschüre "Dein Recht im Alltag"
Die Erfahrungen und das Know How ihrer fünfjährigen Beratungstätigkeit haben Schwarz und Wilhelm
jetzt in eine umfassende Broschüre über die derzeitige rechtliche Lage für Lesben und Schwule eingebracht.
Mit "Dein Recht im Alltag" bietet die WASt allen Interessierten einen ausführlichen Überblick
über die rechtlichen Möglichkeiten in allen relevanten Lebensbereichen. Die Broschüre ist damit
einerseits eine Serviceleistung für alle Lesben und Schwulen, die rechtliche Fragen haben und soll andererseits
ermuntern, die - wenn auch limitierten - rechtlichen Möglichkeiten auch zu nutzen.
Sensibilisierung, Vernetzung und Beratung
Die Mitarbeit der WASt an EU-Projekten ermöglicht wichtige Anknüpfungspunkte an die europaweite Diskussion
und Kontakte zur Community und sichert die internationale Vernetzung. Im Projekt "Triangle" arbeitet
die WASt mit KooperationspartnerInnen aus Deutschland, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Österreich
an einem umfassenden methodischen Handbuch für die schulische und außerschulische Jugendarbeit zur Bekämpfung
und Verhinderung von Mehrfachdiskriminierungen.
Die Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit war von Beginn an ein Schwerpunkt der WASt-Tätigkeiten. Insgesamt
haben die Antidiskriminierungsbeauftragten in Bildungs- und Fortbildungseinrichtungen (Universitäten, Krankenpflegeschulen,
FH für Sozialarbeit, Pädagogisches Institut, Verwaltungsakademie) 102 Vorträge und Seminare abgehalten.
Bei den jeweils 2 bis 8- stündigen Veranstaltungen konnten sie ca. 2.000 TeilnehmerInnen persönlich erreichen.
Von den insgesamt 783 Beratungskontakten waren 234 Personen aus den Berufsgruppen der SozialarbeiterInnen, NotarInnen,
AnwältInnen, TherapeutInnen bis hin UnternehmensberaterInnen und MitarbeiterInnen von Gewerkschaften. 549
KlientInnen konnten über eine teilweise längeren Zeitraum begleitet werden. 43 Prozent davon waren schwule
Männer, 35 Prozent lesbische Frauen, 16 Prozent Transgenderpersonen und 6 Prozent Heterosexuelle. Die Mehrheit
aller KlientInnen (über 50 Prozent) kontaktierten die WASt wegen rechtlicher Fragen oder rechtlicher Probleme. |