Koren: Exportrückgänge nicht dramatisieren - KMU und Erstexporteure
gleichen Minus nach Produktionsauslagerung von Philips in Ungarn wieder aus
Wien (pwk) - Ungarn verlor in den letzten zwei Jahren seine Vorreiterrolle unter den Beitrittskandidaten.
Ausländische Investoren im Elektronikbereich verlagerten Produktionslinien nach Asien, Konfektions- und Schuhindustrie
wanderten in die östlichen, lohngünstigeren Nachbarländer ab. Zunehmende Investitionen in anspruchsvolle
Industriezweige mit hoher Forschungs- und Entwicklungsintensität geben jedoch Anlass für eine positivere
Prognose: Nokia verdoppelt die Produktion von Mobiltelefonen, Ericsson errichtete ein bedeutendes Forschungszentrum,
Elektrolux konzentriert die Erzeugung von Kühltruhen und Haushaltskühlschänken, Suzuki, Audi und
GM erweitern ihre Produktionsstätten, die Bosch-Gruppe macht Ungarn zu ihrem europäischen Zentrum für
Kfz-Elektronik, womit der Imagewandel des Wirtschaftsstandortes in Gang kommt.
"Die seit zwei Jahren anhaltende konjunkturelle Stagnation bzw. der leichte Rückgang der österreichischen
Exporte um -6,1% in den ersten elf Monaten 2003 gegenüber der Vorjahresperiode, gibt präzise den Einfluss
multinationaler Konzerne auf Handelsstatistiken wieder, der das tatsächliche bilaterale Wirtschaftsgeschehen
verfälscht", sagt Walter Koren, Leiter der Außenwirtschaft Österreich (AWO) der WKÖ.
So hat etwa der Philips-Konzern in den vergangenen zwei Jahren die Erzeugung von zwei Produktgruppen in beiden
Ländern eingestellt (analoge VCR und konventionelle Monitoren) - wesentliche Teile für den ungarischen
Standort wurden aus Österreich angeliefert. Auswirkungen dieser Produktionsbereinigung sind in den bilateralen
Außenhandelsstatistiken spürbar, denn die Zulieferungen an den ungarischen Philips-Standort machten
bis zu 20% der österreichische Ausfuhren nach Ungarn aus. Koren: "Die Zahlen verschweigen aber, dass
eine eindrucksvolle Anzahl von österreichischen Unternehmen - vor allem KMU und Erstexporteure - durch Steigerungen
in nahezu allen Ausfuhrpositionen den Großteil dieses bedeutenden Rückgangs beinahe ausgleichen konnte.
Somit ist auch das Minus von 6,1% nicht zu dramatisieren."
In den ersten elf Monaten 2003 erreichten die österreichischen Exporte ein Volumen von 2,9 Mrd Euro und die
Importe legten um 1,5% auf 2,4 Mrd Euro zu. Ungarn liegt damit für Österreich sowohl als Export- (hinter
D, I, Schweiz, USA, F, GB) als auch als Importmarkt (hinter D, I, F, USA, Tschechien, Schweiz) an 7. Stelle, unter
den EU-Erweiterungsländern ist Ungarn nach wie vor unser wichtigster Handelspartner. Österreich hat am
ungarischen Markt einen Anteil von 7%, und ist damit (nach Deutschland) Ungarns zweitgrößter Handelspartner.
Auch die österreichischen Investitionen in Ungarn folgten nicht dem Trend einiger bedeutender multinationaler
Firmen, Produktionsstätten aus Ungarn zu verlagern, sondern wurden teilweise erweitert und beachtlich modernisiert.
Besonders investitionsfreudig waren im vergangenen Jahr die Niederlassungen der Baustoffindustrie (Wienerberger,
Leier-Gruppe, Lasselsberger), Baumärkte (Baumax), des Einzelhandels (Spar) und der Banken und Versicherungen.
Bei letzteren war die vielbeachtete Übernahme der Posta Bank-Gruppe durch die Erste Bank um 400 Mio Euro eine
der bedeutendsten österreichischen Einzelinvestitionen in Mittel- und Osteuropa. Ein weiterer spektakulärer
Markteinstieg war die Übernahme der AXA-Versicherung durch die Uniqa. Großinvestitionen stellen die
Fertigstellung des Großhandelszentrums "Asia-Center" durch die STRABAG und die Eröffnung eines
der modernsten Ersatzteillager Mitteleuropas durch die Porsche-Gruppe dar.
"Der EU-Beitritt Ungarns am 1. Mai wird zu keinen dramatischen Änderungen in den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen,
jedoch zu bedeutenden Erleichterungen durch den Wegfall der langen und kostspieligen Wartezeiten bei der Grenzabfertigung
von Waren und zur Belebung des Handels auf dem landwirtschaftlichen Sektor und bei Lebensmitteln führen",
erwartet Peter Rejtö, WKO-Handelsdelegierter in Budapest. Vorstellbar ist auch eine Belebung des Investoreninteresses
am Standort Ungarn durch psychologische und mediale Beitritts-Effekte. Rejtö: "Besondere Wachstumschancen
sehen wir beim Infrastrukturausbau (Eisenbahn und Autobahn), beim Umweltschutz (Abwasser, Müllentsorgung und
erneuerbare Energien), sowie beim Export von Lebensmitteln." Auf diesen Gebieten sind von der AWO auch Sonderveranstaltungen
(z.T. im Rahmen der Internationalisierungsoffensive "go international"), wie eine "Road show"
für erneuerbare Energien in zwei westungarischen Städten, ein die österreichische Gruppenausstellung
auf der Fachmesse "Ökotech" begleitendes Seminar über Umweltschutz und Lebensmittelwochen und
Weinpräsentationen geplant. |