Ungarn: Nach wie vor wichtigster Handelspartner unter EU-Erweiterungsländern  

erstellt am
16. 03. 04

Koren: Exportrückgänge nicht dramatisieren - KMU und Erstexporteure gleichen Minus nach Produktionsauslagerung von Philips in Ungarn wieder aus
Wien (pwk) - Ungarn verlor in den letzten zwei Jahren seine Vorreiterrolle unter den Beitrittskandidaten. Ausländische Investoren im Elektronikbereich verlagerten Produktionslinien nach Asien, Konfektions- und Schuhindustrie wanderten in die östlichen, lohngünstigeren Nachbarländer ab. Zunehmende Investitionen in anspruchsvolle Industriezweige mit hoher Forschungs- und Entwicklungsintensität geben jedoch Anlass für eine positivere Prognose: Nokia verdoppelt die Produktion von Mobiltelefonen, Ericsson errichtete ein bedeutendes Forschungszentrum, Elektrolux konzentriert die Erzeugung von Kühltruhen und Haushaltskühlschänken, Suzuki, Audi und GM erweitern ihre Produktionsstätten, die Bosch-Gruppe macht Ungarn zu ihrem europäischen Zentrum für Kfz-Elektronik, womit der Imagewandel des Wirtschaftsstandortes in Gang kommt.

"Die seit zwei Jahren anhaltende konjunkturelle Stagnation bzw. der leichte Rückgang der österreichischen Exporte um -6,1% in den ersten elf Monaten 2003 gegenüber der Vorjahresperiode, gibt präzise den Einfluss multinationaler Konzerne auf Handelsstatistiken wieder, der das tatsächliche bilaterale Wirtschaftsgeschehen verfälscht", sagt Walter Koren, Leiter der Außenwirtschaft Österreich (AWO) der WKÖ. So hat etwa der Philips-Konzern in den vergangenen zwei Jahren die Erzeugung von zwei Produktgruppen in beiden Ländern eingestellt (analoge VCR und konventionelle Monitoren) - wesentliche Teile für den ungarischen Standort wurden aus Österreich angeliefert. Auswirkungen dieser Produktionsbereinigung sind in den bilateralen Außenhandelsstatistiken spürbar, denn die Zulieferungen an den ungarischen Philips-Standort machten bis zu 20% der österreichische Ausfuhren nach Ungarn aus. Koren: "Die Zahlen verschweigen aber, dass eine eindrucksvolle Anzahl von österreichischen Unternehmen - vor allem KMU und Erstexporteure - durch Steigerungen in nahezu allen Ausfuhrpositionen den Großteil dieses bedeutenden Rückgangs beinahe ausgleichen konnte. Somit ist auch das Minus von 6,1% nicht zu dramatisieren."

In den ersten elf Monaten 2003 erreichten die österreichischen Exporte ein Volumen von 2,9 Mrd Euro und die Importe legten um 1,5% auf 2,4 Mrd Euro zu. Ungarn liegt damit für Österreich sowohl als Export- (hinter D, I, Schweiz, USA, F, GB) als auch als Importmarkt (hinter D, I, F, USA, Tschechien, Schweiz) an 7. Stelle, unter den EU-Erweiterungsländern ist Ungarn nach wie vor unser wichtigster Handelspartner. Österreich hat am ungarischen Markt einen Anteil von 7%, und ist damit (nach Deutschland) Ungarns zweitgrößter Handelspartner. Auch die österreichischen Investitionen in Ungarn folgten nicht dem Trend einiger bedeutender multinationaler Firmen, Produktionsstätten aus Ungarn zu verlagern, sondern wurden teilweise erweitert und beachtlich modernisiert. Besonders investitionsfreudig waren im vergangenen Jahr die Niederlassungen der Baustoffindustrie (Wienerberger, Leier-Gruppe, Lasselsberger), Baumärkte (Baumax), des Einzelhandels (Spar) und der Banken und Versicherungen. Bei letzteren war die vielbeachtete Übernahme der Posta Bank-Gruppe durch die Erste Bank um 400 Mio Euro eine der bedeutendsten österreichischen Einzelinvestitionen in Mittel- und Osteuropa. Ein weiterer spektakulärer Markteinstieg war die Übernahme der AXA-Versicherung durch die Uniqa. Großinvestitionen stellen die Fertigstellung des Großhandelszentrums "Asia-Center" durch die STRABAG und die Eröffnung eines der modernsten Ersatzteillager Mitteleuropas durch die Porsche-Gruppe dar.

"Der EU-Beitritt Ungarns am 1. Mai wird zu keinen dramatischen Änderungen in den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen, jedoch zu bedeutenden Erleichterungen durch den Wegfall der langen und kostspieligen Wartezeiten bei der Grenzabfertigung von Waren und zur Belebung des Handels auf dem landwirtschaftlichen Sektor und bei Lebensmitteln führen", erwartet Peter Rejtö, WKO-Handelsdelegierter in Budapest. Vorstellbar ist auch eine Belebung des Investoreninteresses am Standort Ungarn durch psychologische und mediale Beitritts-Effekte. Rejtö: "Besondere Wachstumschancen sehen wir beim Infrastrukturausbau (Eisenbahn und Autobahn), beim Umweltschutz (Abwasser, Müllentsorgung und erneuerbare Energien), sowie beim Export von Lebensmitteln." Auf diesen Gebieten sind von der AWO auch Sonderveranstaltungen (z.T. im Rahmen der Internationalisierungsoffensive "go international"), wie eine "Road show" für erneuerbare Energien in zwei westungarischen Städten, ein die österreichische Gruppenausstellung auf der Fachmesse "Ökotech" begleitendes Seminar über Umweltschutz und Lebensmittelwochen und Weinpräsentationen geplant.
     
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