Wien (pr&d) - Genetische Variationen zwischen Epilepsie-Patienten entscheiden über den Erfolg oder
Misserfolg einer medikamentösen Behandlung. Dies ist das Ergebnis einer groß angelegten Studie am AKH-Wien.
Die neuen Erkenntnisse bieten die Grundlage für eine auf die Bedürfnisse der einzelnen Patienten maßgeschneiderte
Epilepsie-Therapie. Ende Mai wird die Studie auf dem größten europäischen Epilepsie-Kongress -
der dieses Jahr in Wien stattfinden wird - der Fachwelt vorgestellt. Bis zu drei Prozent der Bevölkerung erkranken
im Laufe ihres Lebens an Epilepsie. Dank moderner Medikamente können zwei Drittel aller Betroffenen ein fast
anfallfreies Leben führen - ein Drittel spricht weniger gut auf die Medikamente an. Eine Studie der Universitätsklinik
für Neurologie am Allgemeinen Krankenhaus Wien mit über 630 Teilnehmern befasste sich nun mit diesen
Patienten. Ziel der Studie war es, ein lang bekanntes Phänomen innerhalb dieser Patientengruppe zu klären:
warum die Effektivität der Medikamente stark zwischen individuellen Patienten variiert. Die Ergebnisse der
Studie von Prof. Fritz Zimprich und seinem Team erlauben in Zukunft eine wesentlich verbesserte Prognose über
die Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie. Hintergrund der Studie war die Tatsache, dass es auch im Hirn
Proteine gibt, die für eine Art "chemische Entgiftung" sorgen. Diese Transportproteine sorgen dafür,
dass potenziell schädliche Substanzen aus den Zellen abgeführt werden. Ein an sich sinnvoller Schutz-mechanismus
eines gesunden Organismus, der aber die medikamentöse Behandlung kranker Gewebe erschweren kann. Oftmals entsorgen
diese Proteine nämlich auch heilende Medikamente aus den Zellen.
Studienleiter Prof. Zimprich führt aus: "Dass es diese so genannten Multi Drug Resistance Proteine auch
im Hirn gibt, wissen wir erst kurze Zeit. Unsere daran anknüpfende Überlegung war, dass die bekannten
individuellen Unterschiede der Medikamentenwirksamkeit bei Epilepsie-Patienten vielleicht auch davon abhängen,
wie viele dieser Proteine im Hirn eines jeden Patienten aktiv sind. Dieser Grad der Aktivität kann wiederum
von kleinen Variationen in jenem Gen beeinflusst werden, das diese Proteine codiert."
Dieses Gen existiert in jeder Zelle zweifach, denn der menschliche Chromosomensatz liegt doppelt vor. Im Rahmen
der Studie wurde nun die genetische Sequenz - symbolisiert durch die Buchstaben A,C,G,T - eines ganz bestimmten
Teilabschnitts dieses Gen-Paares verglichen. Ist die Sequenz auf beiden Teilabschnitten CGC, sprechen fünf
von sechs dieser Epilepsie-Patienten auf Medikamente sehr schlecht an.
"Nun ist uns aber bekannt, dass dieser spezielle Abschnitt keinen direkten Einfluss auf die Funktion des Transportproteins
hat. Wir vermuten, dass dieser Abschnitt eine Art interner Regulator ist, der mitbestimmt, wie viel des Proteins
hergestellt wird", führt Prof. Zimprich die Bedeutung der Ergebnisse weiter aus. Zukünftig können
durch Analysen der relevanten Genabschnitte bei Epilepsie-Patienten gute Vorhersagen über die Wirksamkeit
einer Medikamententherapie gemacht werden. Zusätzlich bilden die Erkenntnisse die Grundlage für eine
zukünftige Kombinationstherapie, bei der die Transportproteine durch ergänzende Therapeutika ausgeschaltet
und so die Effektivität der traditionellen Medikamente gesteigert werden kann.
Dass diese Studie kurz vor dem 6th European Congress on Epileptology zum Abschluss kam, macht Prof. Christoph Baumgartner,
Leiter der Arbeitsgruppe klinische Epileptologie sowie Chairman des nationalen Organisationskomitees und Kollege
von Prof. Zimprich, besonders stolz: "In Wien wird vom 30. Mai bis 3. Juni dieses Jahres der nur alle zwei
Jahre stattfindende Europäische Kongress der International League against Epilepsy stattfinden. Und wir können
nun diese wichtigen Ergebnisse der internationalen Fachwelt in Wien präsentieren." |