Am 28. März wäre Fritsch 80 Jahre alt geworden - Präsentation mit Lesung am 16.
April in der Stadt- und Landesbibliothek
Wien (rk) - Am Sonntag (28. 03.) jährte sich der Geburtstag des Wiener Literaten und Literaturförderers
Gerhard Fritsch zum 80 Mal. Der vollständig erhaltene, gut geordnete Nachlass Fritschs wurde vor wenigen Wochen
von der Wiener Stadt- und Landesbibliothek erworben. Er wird nunmehr aufgearbeitet und der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Im Rahmen einer Lesung mit Erika Pluhar und Robert Menasse sowie in Anwesenheit von Kulturstadtrat
Andreas Mailath-Pokorny werden in der Stadt- und Landesbibliothek am 16. April 2004 die wichtigsten Stücke
dieses Nachlasses erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
Zur Person Gerhard Fritsch
Gerhard Fritsch, geboren am 28.3.1924 in Wien, ist einer jener jungen Literaten in Österreich, die
bereits in den 1950er Jahren schonungslos mit der NS-Zeit abrechnen. Sein Roman "Fasching" ist ein exemplarisches
Dokument für die Bewältigung der nationalsozialistischen Ära in Österreich. Er setzt sich leidenschaftlich
für die Akzeptanz der Moderne in Österreich ein und wird in späteren Jahren zu einem wichtigen Förderer,
Mentor und Publizist junger österreichischer Autoren, darunter Peter Handke und Thomas Bernhard. Gerade die
intensive Auseinandersetzung mit diesen jungen Autoren spiegelt sich auch im vollständig erhaltenen Briefwechsel
(insgesamt 4.500 Stück) wider, der - bisher unveröffentlicht - einen einzigartigen Einblick in die Literatur-
und Geistesgeschichte Österreichs zwischen 1950 und 1970 gibt.
Fritsch publizierte in der Zeitschrift "Wort in der Zeit" Gedichte von H.C. Artmann, Erich Fried, Konrad
Bayer und Gerhard Rühm, was seine Kündigung und die Einstellung der Zeitschrift zur Folge hatte. Er gründete
daraufhin die Zeitschrift "Literatur und Kritik", die heute noch erscheint.
Für Hans Weigel war Gerhard Fritsch "auf dem Felde der Literatur gefallen". Sein Freitod im Jahr
1969 war ein wichtiger Anstoß für die Neukonzeption der Literaturförderung in Österreich.
Zum Nachlass
Der Nachlass von Gerhard Fritsch ist eine zentrale Quelle für die Nachkriegsliteratur bis in die 60er Jahre.
So finden sich darin zahlreiche unveröffentlichte Texte. So zum Beispiel unveröffentlichte Fassungen
von Texten Thomas Bernhards ("Argumente eines Winterspaziergängers"; "Gebete für einen
alten Fischer") sowie Manuskripte von H.C. Artmann ("hirschgeheg und leuchtturm", "auf eine
klinge geschrieben").
Weiters rund 4.500 Briefe aus den Jahren von 1951 bis 1969 unter anderem von Thomas Bernhard, Peter Handke, Ernst
Jandl, Friederike Mayröcker, Jeannie Ebner, Marlen Haushofer, George Saiko, Viktor Matejka, Herbert Eisenreich,
Michael Guttenbrunner, Oskar Kokoschka, Elias Canetti, Johannes Urzidil, Herbert Zand, Alfred Kolleritsch und Gerhard
Rühm.
Außerdem Entwürfe und Vorstufen zum Fritsch-Roman "Moos auf den Steinen" (unter dem Titel
"Herbst an der Donau") sowie unveröffentlichte Entwürfe, Fassungen und Reinschriften zum Roman
"Fasching". Weiters zahlreiche unveröffentlichte Romane, Entwürfe und Reinschriften von Gedichten,
Aufsätzen, Kritiken und zahlreiche Tagebücher aus dem Zeitraum 1947 - 1969.
Der Nachlass, der rund 25.000 Einzelblätter umfasst, wurde um 654.075 Euro von der Stadt Wien angekauft. Er
ist eine wertvolle Ergänzung der Bestände der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, die über zahlreiche
Nachlässe aus dem literarischen Kontext der Zeit verfügt, zum Beispiel F. Th. Csokor, Hans Weigel, Jeannie
Ebner, Franz Hiesel und Friedrich Torberg.
Der Nachlass wurde zum Großteil geordnet übergeben - Dauer und Kosten der Aufarbeitung können dadurch
gering gehalten werden. |