»Bioethische Entscheidungen benötigen
einen breiten demokratischen Prozess«, fordert die Evangelische Kirche
Wien (epd Ö) - Die Evangelische Kirche lehnt die In-vitro-Fertilisation nicht grundsätzlich
ab, „auch wenn mit ihr eine Reihe von ethischen Problemen verbunden ist“. Sie lehnt das reprodukltive Konen ab,
schließt aber das therapeutische Klonen „für bestimmte Ausnahmefälle“ nicht aus. Ebenso will sie
die embryonale, auch verbrauchende Stammzellenforschung unter bestimmten wissenschaftlichen Bedingungen zulassen,
auch kann ausnahmsweise pränatale Intervention praktiziert werden. Das wird in einer Stellungnahme des Evangelischen
Oberkirchenrates A. und H.B. in Österreich zu aktuellen Fragen der Biomedizin festgehalten, die Mittwoch (24. 03.) in Wien der Presse präsentiert wurde.
Die Stellungnahme räumt ein, dass in diesen Fragen derzeit ein Dissens unter den christlichen Kirchen bestehe.
Betont wird dagegen, dass in allen einschlägigen Verfassungsfragen, die im Zuge der Erarbeitung eines Grundrechtekatalogs
für eine neue Österreichische Bundesverfassung im Österreich-Konvent diskutiert werden, eine „untereinander
abgestimmte und einheitliche Auffassung“ herrsche. So in der Verankerung der Achtung und des Schutzes der Menschenwürde
sowie eines Rechtes auf Schutz der Gesundheit, in den Forderungen nach einem Grundrecht auf Leben und nach der
Ratifikation der Biomedizin-Konvention des Europarates.
Gegen übereilte Neuregelungen
Im Blick auf die geplante Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes durch das Justizministerium heißt
es in der Stellungnahme: „Die Evangelische Kirche in Österreich befürwortet zum gegenwärtigen Zeitpunkt
eine „kleine“ technische Novelle zur Verbesserung des schon bestehenden Fortpflanzungsmedizingesetzes; sie lehnt
aber eine übereilte und in verschiedenen Gesetzen verstreute Neuregelung einzelner biomedizinischer Herausforderungen
ab“. Die Evangelische Kirche fordere die Ausarbeitung eines Embryonenschutzgesetzes „nach europäischen Standards“,
wobei eine Klärung der Rechtsstellung des menschlichen Embryos vordringlich sei. Die Stellungnahme schließt
mit den Worten: „In der Tradition der ökumenischen Zusammenarbeit aller Kirchen in Österreich lädt
die Evangelische Kirche Vertreter der christlichen Kirchen zu Beratungen über aktuelle Fragen der Biomedizin
und ihrer gesetzlichen Regelung ein.“
Fortschreitender Erkenntnisprozess
Zur Absicht der Stellungnahme erklärte der Vorsitzende des Evangelischen Oberkirchenrates A.u.H.B.,
Bischof Mag. Herwig Sturm, in der Pressekonferenz: „Die wesentlichen Entscheidungen sollen in einem breiten demokratischen
Prozess diskutiert werden, ohne dass jetzt schon Festlegungen getroffen werden.“ Der Bischof verwies auf den fortschreitenden
wissenschaftlichen Erkenntnisprozess und sagte: „Evangelische Ethik zeichnet sich dadurch aus, dass sie das, was
jeweils in Diskussion ist, aufgreift.“
Als „unfair“ bezeichnete der stellvertretende juristische Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B., Hon.Prof.
Dr. Raoul Kneucker, Versuche, die noch nicht abgeschlossenen Beratungen des Österreich-Konvents zu präjudizieren.
Die Radikalität der Position der parlamentarischen Bürgerinitiative der „Aktion Leben“, die ein umfassendes
Verbot des Klonens, der Präimplantationsdiagnostik sowie der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen
fordert, könne die Evangelische Kirche nicht mittragen. Die wissenschaftliche Entwicklung erlaube neue Beurteilungen.
„Das lässt sich nicht durch Verbote und Ausschlüsse ein für alle Mal regeln“, sagte der Jurist.
Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens bleibt ungeklärt
Dass die Frage, wann menschliches Leben beginnt, nach wie vor offen sei, darauf verwies der Vorstand des
Wiener Universitätsinstituts für Ethik und Recht in der Medizin und Mitglied der Bioethikkommission des
Bundeskanzlers, Univ-Prof. Dr. Ulrich Körtner, bei der Pressekonferenz. Diese Frage lasse sich nicht so eindeutig
entscheiden, wie dies die römisch-katholische Kirche wolle. Das habe prinzipielle Gründe und entspreche
dem biblischen Befund, unterstrich der evangelische Theologe.
Körtner hielt daran fest, dass Klonen als Methode der Reproduktionsmedizin zu ächten sei. Dagegen müsse
die Frage des therapeutischen Klonens weiter diskutiert werden. Medizinische Grundlagenforschung gehöre unbedingt
zu den Aufgaben des Staates. |