Leitl zum EU-Frühjahrsgipfel: »Die Alarmglocken läuten: Europa fällt zurück!«  

erstellt am
24. 03. 04

Wachstumsorientierte Strategie mit Ziel Vollbeschäftigung notwendig
Wien (pwk) - Europa hat sich zu Beginn des Jahrtausends das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2010 der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt zu werden. "Die zentrale Frage wird daher in den nächsten Jahren lauten: Werden wir Europäer im globalen Wettbewerb mit den USA und Asien unsere Position halten bzw. verbessern können oder fallen wir zurück in Begleitung von weiterhin 14 Millionen Arbeitslosen?", betont Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich und der Europäischen Wirtschaftskammern Eurochambres, bei den Studientagen der EVP-ED-Fraktion des Europäischen Parlaments heute Dienstag in der Wiener Hofburg, mit Blick auf den bevorstehenden EU-Gipfel in Brüssel. Eine zentrale Rolle nehme dabei das Europäische Parlament ein, das im Juni zur Wahl ansteht und für die nächsten fünf - sehr entscheidenden - Jahre wieder eine wichtige Funktion ausüben wird.

"Im Vergleich mit dem alles entscheidenden Benchmark USA konnten wir bislang noch keinen Boden gut machen, im Gegenteil: Bei den zentralen ökonomischen Indikatoren wurde der Abstand sogar noch größer", kritisiert Leitl. So dürfte die Wirtschaft der USA heuer mit rund 4 Prozent doppelt so schnell wachsen wie die Europas. Ebenso werde die Arbeitslosigkeit in Europa 8 Prozent erreichen, während sie in den USA mit 6 Prozent deutlich niedriger liegt. Besonders dramatisch sei, dass es gesamteuropäisch offenbar nicht gelingt, den größer werdenden Produktivitätsabstand zu den USA in den Griff zu bekommen. "Ein Hochlohn-Kontinent wird sich aber auf Sicht nur bei einem überdurchschnittlichen Produktivitätswachstum behaupten können", argumentiert Leitl. Weiterhin zu gering sei darüber hinaus der Anteil der Forschungs- und Technologieausgaben am BIP (EU: 2 %, USA: 2,8 %).

"Diese Daten sind alarmierend. Darauf werde ich auch beim Tripartiten Gipfel mit Europäischer Kommission und Europäischen Rat in Brüssel hinweisen", so Leitl, der am Donnerstag als Eurochambres-Präsident an diesem EU-Spitzentreffen mit den europäischen Wirtschafts- und Sozialpartnern im Vorfeld des Europäischen Frühjahrsgipfels teilnehmen wird. "Es besteht akuter Handlungsbedarf. Wir brauchen eine wachstumsorientierte Strategie mit dem Ziel der Vollbeschäftigung." Dies sei vorrangig Aufgabe des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission, müsse aber unter Einbeziehung aller Partner, wie der Europäischen Zentralbank (EZB), der nationalen Regierungen sowie der Regionen stattfinden, bemerkt Leitl.

Ankündigungen seien dabei zu wenig und nützten vor allem dann nichts, wenn über andere Kanäle wie Kyoto-Klimaschutzprotokoll oder EU-Chemikalienrecht die Latte für die unternehmerische Entfaltung in Europa immer höher gelegt werde. "Bei allen erzielten Fortschritten muss vor allem die Vollendung des Binnenmarktes weiter im Fokus unserer Bemühungen bleiben", stellt Leitl klar. "Der höhere wirtschaftliche Integrationsgrad in den USA ist einer der wesentlichen Gründe für den US-Vorsprung, unter anderem bei der Produktivität."

Insgesamt müsse die Umsetzung des Lissabon-Prozesses deutlich beschleunigt werden, so Leitl und fordert, "im Rahmen der Halbzeitbilanz 2005 Methoden und Instrumente zu entwickeln - etwa konkrete Zwischenziele und ein laufendes Monitoring -, die ein Erreichen der gesetzten und eventuell auch adaptierten Ziele möglich macht".
     
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