Wachstumsorientierte Strategie mit Ziel Vollbeschäftigung notwendig
Wien (pwk) - Europa hat sich zu Beginn des Jahrtausends das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2010
der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt zu werden. "Die zentrale Frage wird daher in den nächsten
Jahren lauten: Werden wir Europäer im globalen Wettbewerb mit den USA und Asien unsere Position halten bzw.
verbessern können oder fallen wir zurück in Begleitung von weiterhin 14 Millionen Arbeitslosen?",
betont Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich und der Europäischen Wirtschaftskammern
Eurochambres, bei den Studientagen der EVP-ED-Fraktion des Europäischen Parlaments heute Dienstag in der Wiener
Hofburg, mit Blick auf den bevorstehenden EU-Gipfel in Brüssel. Eine zentrale Rolle nehme dabei das Europäische
Parlament ein, das im Juni zur Wahl ansteht und für die nächsten fünf - sehr entscheidenden - Jahre
wieder eine wichtige Funktion ausüben wird.
"Im Vergleich mit dem alles entscheidenden Benchmark USA konnten wir bislang noch keinen Boden gut machen,
im Gegenteil: Bei den zentralen ökonomischen Indikatoren wurde der Abstand sogar noch größer",
kritisiert Leitl. So dürfte die Wirtschaft der USA heuer mit rund 4 Prozent doppelt so schnell wachsen wie
die Europas. Ebenso werde die Arbeitslosigkeit in Europa 8 Prozent erreichen, während sie in den USA mit 6
Prozent deutlich niedriger liegt. Besonders dramatisch sei, dass es gesamteuropäisch offenbar nicht gelingt,
den größer werdenden Produktivitätsabstand zu den USA in den Griff zu bekommen. "Ein Hochlohn-Kontinent
wird sich aber auf Sicht nur bei einem überdurchschnittlichen Produktivitätswachstum behaupten können",
argumentiert Leitl. Weiterhin zu gering sei darüber hinaus der Anteil der Forschungs- und Technologieausgaben
am BIP (EU: 2 %, USA: 2,8 %).
"Diese Daten sind alarmierend. Darauf werde ich auch beim Tripartiten Gipfel mit Europäischer Kommission
und Europäischen Rat in Brüssel hinweisen", so Leitl, der am Donnerstag als Eurochambres-Präsident
an diesem EU-Spitzentreffen mit den europäischen Wirtschafts- und Sozialpartnern im Vorfeld des Europäischen
Frühjahrsgipfels teilnehmen wird. "Es besteht akuter Handlungsbedarf. Wir brauchen eine wachstumsorientierte
Strategie mit dem Ziel der Vollbeschäftigung." Dies sei vorrangig Aufgabe des Europäischen Parlaments
und der EU-Kommission, müsse aber unter Einbeziehung aller Partner, wie der Europäischen Zentralbank
(EZB), der nationalen Regierungen sowie der Regionen stattfinden, bemerkt Leitl.
Ankündigungen seien dabei zu wenig und nützten vor allem dann nichts, wenn über andere Kanäle
wie Kyoto-Klimaschutzprotokoll oder EU-Chemikalienrecht die Latte für die unternehmerische Entfaltung in Europa
immer höher gelegt werde. "Bei allen erzielten Fortschritten muss vor allem die Vollendung des Binnenmarktes
weiter im Fokus unserer Bemühungen bleiben", stellt Leitl klar. "Der höhere wirtschaftliche
Integrationsgrad in den USA ist einer der wesentlichen Gründe für den US-Vorsprung, unter anderem bei
der Produktivität."
Insgesamt müsse die Umsetzung des Lissabon-Prozesses deutlich beschleunigt werden, so Leitl und fordert, "im
Rahmen der Halbzeitbilanz 2005 Methoden und Instrumente zu entwickeln - etwa konkrete Zwischenziele und ein laufendes
Monitoring -, die ein Erreichen der gesetzten und eventuell auch adaptierten Ziele möglich macht". |