Prognose für 2004 und 2005: Das Wachstum des BIP wird heuer real nur 1,5% betragen
Wien (wifo) - In den letzten Monaten haben sich die Unsicherheiten über den weiteren Verlauf
vor allem in der Sachgütererzeugung verstärkt. Der Ausblick auf das Jahr 2005 (BIP real +2¼%)
ist angesichts der uneinheitlichen Konjunktursignale als besonders vage anzusehen. Die Zahl der Arbeitslosen erreicht
fast 250.000, das Beschäftigungswachstum bleibt gemessen am kräftigen Anstieg des Arbeitskräfteangebotes
zu schwach.
Seit Jahresbeginn haben sich die Konjunkturaussichten für den Euro-Raum und für Österreich eingetrübt.
Frühindikatoren wie die Unternehmensbefragungen der Europäischen Kommission, der ifo-Geschäftsklimaindex
für Deutschland und der WIFO-Konjunkturtest für Österreich weisen darauf hin, dass das Geschäftsklima
in der konjunkturreagiblen Sachgütererzeugung – nach einer kurzen Belebung von Mitte bis Ende 2003 – ungünstiger
beurteilt wird. Die Unternehmen sehen keine weitere Verbesserung der Auftragslage und beurteilen die Produktionsaussichten
zurückhaltender als zuvor. Nun bleibt abzuwarten, ob dies nur eine kurzfristige "Konjunkturpause"
ist, oder ob die zaghafte Konjunkturerholung der zweiten Jahreshälfte 2003 bereits wieder ihr Ende erreicht
hat. Parallelen zur Wirtschaftslage von Mitte 2002, als die Konjunkturbelebung im Euro-Raum infolge eines Rückgangs
der Aktienkurse, steigender Rohölpreise und einer Höherbewertung des Euro schon nach wenigen Monaten
abbrach, drängen sich auf.
Das WIFO geht in seiner Prognose davon aus, dass sich die Konjunkturerholung weiter verlangsamt, aber nicht zum
Stillstand kommt. Unter dieser Annahme ergibt sich für Österreich heuer ein Wirtschaftswachstum von 1,5%.
Die Aussichten für 2005 erscheinen besonders unsicher – derzeit wird eine BIP-Rate von +2¼% unterstellt.
Deutlich expansive Impulse erhält die europäische Konjunktur von der Weltwirtschaft, die – angetrieben
vom Boom in Asien und einer regen, wenn auch mit Abwärtsrisken behafteten Nachfrage in Nordamerika – kräftig
wächst. Die Dynamik überträgt sich allerdings sehr zögernd auf den Euro-Raum. Die starke Aufwertung
des Euro trägt dazu wesentlich bei. Noch wichtiger ist aber die anhaltende Schwäche der Binnennachfrage
im Euro-Raum: Unternehmen und private Haushalte sind erheblich verunsichert und schieben deshalb geplante Investitionen
auf bzw. neigen zu gesamtwirtschaftlich nachteiligem Vorsichtssparen. Die europäische Wirtschaftspolitik zeigt
sich nicht in der Lage, Wachstumsimpulse zu generieren.
Die träge Konjunktur bei wichtigen Handelspartnern dämpft die Expansion der österreichischen Warenausfuhr,
sie könnte im Jahr 2004 real 4½% erreichen. Die heimischen Unternehmen verlieren damit Marktanteile,
vor allem – allerdings von hohem Niveau ausgehend – in den Beitrittsländern. Die Warenimporte dürften
heuer real etwas langsamer zunehmen als im Vorjahr, weil aus steuerlichen Gründen Investitionen (sie sind
sehr importintensiv) ins Jahr 2003 vorgezogen wurden. Die Salden von Handels- und Leistungsbilanz weisen ein geringfügiges
Passivum auf (etwa ½% des BIP). In der Sachgütererzeugung spiegeln sich die Konjunkturschwankungen
am stärksten, ihre Entwicklung ist angesichts hoher Unsicherheiten besonders schwierig zu prognostizieren.
Das WIFO erwartet nach einer Stagnation der realen Wertschöpfung im vergangenen Jahr heuer einen schwachen
Anstieg (+2¼%).
Wie schon im vergangenen Jahr erweist sich die Inlandsnachfrage in der Prognoseperiode als stabilisierender Faktor
der Konjunktur. Im Jahr 2004 wird die Bauwirtschaft neuerlich kräftig wachsen (real +2½%), insbesondere
dank reger Investitionsaktivitäten im Infrastrukturbau. Einzelhandel und privater Konsum dürften 2005
erstmals seit vier Jahren rascher als im langfristigen Durchschnitt expandieren (+2½%) und damit wichtige
Wachstumsbeiträge für die Gesamtwirtschaft leisten. Die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer wird die
verfügbaren Einkommen merklich erhöhen und die Ausweitung des privaten Konsums beschleunigen. Allerdings
steigen auch Sparquote und Importe deutlich. Der Gesamteffekt der zweiten Etappe der Steuersenkung auf das Wirtschaftswachstum
im Jahr 2005 wird vom WIFO mit +0,3 Prozentpunkten angesetzt. Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte
sich um gut ¾ Prozentpunkte auf etwa 1½% des BIP vergrößern.
Die Zahl der Arbeitslosen nimmt im Prognosezeitraum weiter zu. Sie könnte im Jahresdurchschnitt 2005 knapp
250.000 erreichen und läge damit deutlich über dem Niveau vor Beginn der Wachstumskrise (2000: 194.000).
Dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 7,2% der unselbständigen Erwerbspersonen bzw. 4,5% der Erwerbspersonen
laut Eurostat. Der leichte Anstieg der Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten (2004 +0,5%) geht auf
den Dienstleistungssektor zurück und dürfte überwiegend Teilzeitarbeitsplätze betreffen.
Ausgehend von einer Energieverteuerung hat sich die Inflation jüngst leicht erhöht, ohne allerdings die
Marke von 2% – sie wird als Grenze der Preisstabilität angenommen – zu erreichen. In den Jahren 2004 und 2005
dürfte der Preisauftrieb auf Verbraucherebene laut dem einheitlich berechneten Harmonisierten Verbraucherpreisindex
1,4% bzw. 1,3% betragen. Der Anstieg des traditionellen österreichischen Verbraucherpreisindex ist jeweils
um 0,2 Prozentpunkte höher.
Angesichts der erheblichen Unsicherheiten über den weiteren Konjunkturverlauf sollte die Wirtschaftspolitik
Pläne beschleunigen, auf der Ebene der erweiterten Europäischen Union und der Nationalstaaten Zukunftsinvestitionen
auszuweiten. Die WIFO-Prognose unterstellt auch eine Senkung des kurzfristigen Zinssatzes durch die EZB.
Quelle: Wifo, Autor: Markus Marterbauer |