Größte Steuerreform der 2. Republik bringt Entlastung von 3
Mrd. €
Wien (pk) - Die Bundesregierung hat kürzlich ihre Vorschläge für die zweite Etappe
der Steuerreform präsentiert, die 2005 wirksam werden sollen. Die Summe der Entlastungen wird auf 2,5 Mrd.
€ geschätzt, gemeinsam mit der ersten Etappe, die im Budgetbegleitgesetz 2003 beschlossen wurde und Anfang
2004 in Kraft getreten ist, soll die "größte Steuerreform der 2. Republik" den Bürgern
insgesamt eine Entlastung von mehr als 3 Mrd. € bringen. Der Gesetzentwurf mit den steuerrechtlichen Neuerungen
und Änderungen dieser zweiten Etappe liegt dem Nationalrat unter dem Titel "Steuerreformgesetz 2005"
vor ( 451 d.B.).
Reform der Einkommensteuertarife
Erstes Kernelement des Entwurfs ist eine Reform der Einkommensteuertarife. Die Steuerpflichtigen können
gegenüber 2003 Entlastungen zwischen 679 € und 144 € erwarten, wobei der Schwerpunkt der Entlastung bei kleineren
und mittleren Einkommen liegt. Jahreseinkommen von brutto 15.770 € bei Arbeitnehmern, von 13.500 € bei Pensionisten
sowie von 10.000 € bei Selbständigen werden steuerfrei gestellt. Damit kommen zu den 200.000 Personen, die
schon in der ersten Etappe ab 2004 steuerfrei gestellt worden sind, in zweiten Etappe weitere 150.000 Personen,
sodass ab 2005 von 5,9 Millionen Erwerbstätigen 2,55 Millionen Personen keine Einkommensteuer zahlen werden.
Ab 2005 gilt beim Einkommensteuertarif statt des Systems der Grenzsteuersätze ein einfacherer und transparenterer
Durchschnittssteuersatztarif. Jeder Einkommensbezieher soll leicht erkennen, wie hoch seine Steuerleistung ist,
lautet das Ziel der Regierung. Der neue Tarif, in dem der allgemeine Absetzbetrag rechnerisch enthalten ist, ermöglicht
mit einer einfachen Formel die rasche Ermittlung der jeweiligen Steuer vor den speziellen Absetzbeträgen.
Hatten im bisherigen System die Grenzsteuersätze stark nach oben und nach unten geschwankt, was bei niedrigeren
Einkommen zu höheren Grenzsteuersätzen führen konnte, wird der Grenzsteuersatz künftig mit
dem Einkommen steigen und insgesamt weithin geringer sein als die alten. Das neue System entlastet alle, heißt
es in den Erläuterungen, und wirkt auf Dauer leistungsfreundlich und leistungssteigernd.
Mehr Einkommen für Familien
Den zweiten Schwerpunkt der Reform bildet die Einkommensstärkung für Familien, insbesondere für
die besonders armutsgefährdeten Alleinverdiener- und Alleinerzieherhaushalte. Da diese Familien nur einmal
von der Tarifentlastung profitieren, werden Kinderzuschläge zum Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag
eingeführt, was auch die entsprechende "Negativsteuer" erhöht. Zudem wird die Zuverdienstgrenze
beim Alleinverdienerabsetzbetrag angehoben. Beide Verbesserungen gelten bereits für das ganze Jahr 2004, sie
kommen vor allem Frauen mit niedrigen Einkommen und Alleinerzieherinnen zu Gute.
Abgerundet wird das Einkommensteuer-/Lohnsteuerpaket mit der generellen Erhöhung des Pendlerpauschales um
etwa 15 % und mit einer Anhebung der Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages von 75 € auf 100 €.
Senkung des Körperschaftssteuersatzes
Der Körperschaftsteuertarif wird 2005 auf 25 % abgesenkt und gleichzeitig die Bemessungsgrundlage
durch Abschaffung der Eigenkapitalzuwachsverzinsung sowie der steuerfreien Übertragung stiller Reserven verbreitert.
Die effektive Körperschaftsbesteuerung in Österreich sinkt damit von derzeit 27 % bis 29 % auf etwa 21
%. Dies dient der Stärkung des Wirtschaftsstandortes und der Erhaltung heimischer Arbeitsplätze, da mehrere
europäische Staaten Körperschaften nominell mit 20 % oder weniger besteuern.
Grupppenbesteuerung statt Organschaftsregelung
Ebenfalls der Stärkung des Wirtschaftsstandortes dient der Ersatz der Organschaftsregelung bei der
Besteuerung von Unternehmensverbänden durch das neue System der Gruppenbesteuerung. Gemeinsam mit der Absenkung
der Körperschaftsteuer und der Anhebung der Forschungsförderung durch die Konjunkturpakete 2002 und 2003
soll ein starker Anreiz gegeben werden, Headquarters sowie Forschungs- und Entwicklungszentren nach Österreich
zu verlagern.
Die viele Jahrzehnte alte Organschaftsregelung entspricht nicht mehr der Praxis moderner Unternehmensführung.
Sie kennt keine grenzüberschreitenden Beteiligungen, erschwert die Bildung internationaler Unternehmensgruppen
sowie finanzielle Eingliederungen und stellt mit der organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung sowie
mit dem Abschluss eines 5-jährigen Ergebnisabführungsvertrages unzeitgemäße Anforderungen
an Unternehmensgruppen. Dass die Organschaftsregelung unzeitgemäß und unzweckmäßig ist, zeige
sich auch an "steueroptimierenden" Umgehungsmaßnahmen wie Umgründungen und der Errichtung
von Personengesellschaftskonzernen. Derartige Unternehmensstrukturen seien weder betriebswirtschaftlich noch arbeitsrechtlich
sinnvoll. Außerdem stehe die Organschaftsregelung möglicherweise im Widerspruch zum Diskriminierungsverbot,
schreibt die Regierung.
Demgegenüber vereinige das neue Gruppenbesteuerungssystem die besten Elemente internationaler Modelle. Es
vereinfache und erleichtere den Zugang zur Gruppe, sei einfach handhabbar, wenig missbrauchsanfällig und gemeinschaftskonform.
Für die finanzielle Eingliederung eines Unternehmens in eine Gruppe gilt in Zukunft eine mehr als 50-prozentige
Kapitalbeteiligung bei Stimmrechtsmehrheit als ausreichend. Es soll weder einer organisatorischen oder wirtschaftlichen
Eingliederung noch eines Ergebnisabführungsvertrages bedürfen, sondern lediglich einer bindenden Gruppenbildung
auf drei Jahre. Künftig werden auch "Finanzholdings" und "Mehrmüttergruppen" zugelassen,
an diesen muss der Kerngesellschafter zu 40 % und die anderen Gruppenmitglieder zumindest zu 15 % beteiligt sein.
Gruppen aus in- und ausländischen Unternehmen können ausländische Verluste (nicht jedoch Gewinne)
durch die inländische Gruppenmutter im Ausmaß der Beteiligung verwerten. Davon erwartet die Regierung
einen weiteren Anreiz, Konzernleitungen mit ihren Forschungseinrichtungen nach Österreich zu holen.
Besteuerungstechnisch ist eine volle Ergebniszurechnung vorgesehen. Auch einer Gruppenmutter, die - beispielsweise
- nur zu 60 % an der Tochter beteiligt ist, wird das Ergebnis zu 100 %, nicht nur aliquot zugerechnet. Wird eine
Beteiligung im Zusammenhang mit einer Gruppenbildung erworben, so kann der Good Will auf einen Zeitraum von 15
Jahren linear abgeschrieben werden, der Abschreibungsbetrag ist jedoch mit 50 % der Anschaffungskosten begrenzt.
Ausgeschlossen ist aber das Hin- und Herschieben von Beteiligungen im Konzern zu Abschreibungszwecken. Die Firmenwertabschreibung
ist auf inländische Beteiligungen beschränkt, Asset-Deal und Share-Deal werden steuerlich gleichgestellt.
Finanzierungszinsen für Beteiligungserwerbe können künftig auch außerhalb der Gruppenbildung
steuerlich abgezogen werden. Teilwertabschreibungen auf eine Beteiligung sind innerhalb der Gruppe steuerneutral,
Verluste werden unmittelbar bei der Gruppenmutter berücksichtigt. Außerhalb der Gruppe werden die bisherigen
Regelungen beibehalten, die mehrfache Verwertung von Verlusten (Kaskadeneffekt) wird explizit ausgeschlossen.
Verstärkter Kampf gegen Steuerbetrug und Steueramnestie
Für einen verstärkten Kampf gegen den Steuerbetrug ist folgendes Maßnahmenbündel vorgesehen:
Verschärfung des Finanzstrafrechts, Intensivierung der Prüfungshandlungen, Ausweitung des "normalen"
Prüfungszeitraumes, Verstärkung der personellen Prüfungsressourcen und die strafbefreiende pauschale
Steuernachzahlungsmöglichkeit.
Bei Hinterziehungs- und Schmuggelfällen mit Wertbeträgen über 500.000 € und gewerbsmäßiger,
bandenmäßiger oder bewaffneter Begehung wird eine Anhebung der Freiheitsstrafe von 3 auf 5 Jahre vorgeschlagen.
Die vieldiskutierte "Steueramnestie" soll für das Jahr 2001 und die Vorjahre gelten. Wer sie in
Anspruch nehmen möchte, zahlt 40 % der hinterzogenen Abgabe auf ein spezielles Konto ein, dessen Gesamtbetrag
von der Bank an die Finanzverwaltung überwiesen wird. Gegenüber dem Finanzamt bleibt der Einzahler anonym.
Kommt es später zu Steuernachforderungen, wird bei vorhergehender Entrichtung der pauschalen Abgabe der Nachforderungsbetrag
gelöscht und außerdem tritt Strafbefreiung ein. Die Pauschalabgabe wird im Finanzausgleichsgesetz 2001
als gemeinschaftliche Bundesabgabe geregelt und nach einem Schlüssel auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt.
- In der Bundesabgabenordnung werden die Verjährungsfristen verkürzt.
Weitere Einzelheiten des Reformwerks
Die Abzugsfähigkeit von Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle
soll von 86 % auf 94 % des jeweiligen Zuführungsbetrages angehoben werden. - Für "Agrardiesel"
ist eine Senkung der Besteuerung von 0,302 € je Liter auf das Niveau von Heizöl extraleicht (0,098 € je Liter)
vorgesehen. - Die Schaumweinsteuersätze werden aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
abgeschafft, der Biersteuersatz auf 2 € je Hektoliter und Grad Plato gesenkt.
Auswirkungen der Steuerreform auf das Abgabenaufkommen
Die Steuerreform wird nach Berechnungen des Finanzministeriums bei den Abgabenerträgen insgesamt folgende
Mindereinnahmen (in Mill. €) nach sich ziehen - 2004: -200; 2005: -1.770; 2006: -3.090; 2007ff: -2.565.
Die Ertragsanteile von Ländern und Gemeinden werden sich wie folgt verringern (Rechtslage gemäß
FAG 2001, in Mill: €): 2004 - Länder: -30, Gemeinden -26; 2005 - Länder: -267, Gemeinden: -229; 2006
- Länder: -463, Gemeinden: -395; 2007ff - Länder: -384, Gemeinden: -327.
Die Auswirkungen der Steuerreform auf Zweckzuschüsse und Finanzzuweisungen (Transfers) zugunsten der Länder
werden nach geltender Rechtslage insgesamt wie folgt beziffert - 2004: -17; 2005: -146; 2006: -253; 2007ff: -209.
Der Bund hat mit folgenden Mindereinnahmen (in Mill. €) zu rechnen - 2004: –128; 2005: –1.128; 2006: –1.980; 2007ff:
–1.644.
Volkswirtschaftliche Ziele
Auch die zweite Etappe der Steuerreform füge sich konsequent in die wirtschaftspolitische Strategie
der Bundesregierung ein, heißt es in den Erläuterungen zum Entwurf des Steuerreformgesetzes 2005. Habe
man mit in den letzten Jahren mit Konjunktur- bzw. Wachstumspaketen der internationalen Investitionsabschwächung
entgegengewirkt, verstärken nun die beiden Steuerreformetappen den sich abzeichnenden Wirtschaftsaufschwung
durch eine Entlastung der Masseneinkommen. Als konkrete Ziele der Steuerreform nennt die Regierung stärkeres
Wachstum, Standortverbesserung, Entlastung der Arbeit, Umweltschutz, mehr Eigenkapital für KMU, höhere
Kaufkraft und mehr Steuergerechtigkeit. |