Graz (fh joanneum) - Studenten von "Luftfahrt/Aviation" an der
FH Joanneum haben mit begrenztem Kostenaufwand einen Forschungssimulator gebaut. Das "Projekt Lindbergh"
stößt nun auch auf internationales Interesse.
Foto: FH Joanneum |
Simulatoren sind fixer Bestandteil der modernen Pilotenausbildung. Sie garantieren eine optimale fliegerische Kompetenz
samt Vorbereitung auf viele denkbaren Szenarien, die sich zwischen Himmel und Erde ereignen können. Dieser
hohen Leistungsfähigkeit stehen ebenso hohe Kosten gegenüber. Dass ein Forschungssimulator auch mit geringen
finanziellen Mitteln zu realisieren ist, beweist das "Projekt Lindbergh" am Studiengang "Luftfahrt
/ Aviation" an der FH Joanneum in Graz.
Forschungssimulator, Marke Eigenbau
Bereits im Studienjahr 2001/2002 stellten die "Luftfahrt"-Studenten Christoph Baum, Gerhard Hattinger,
Markus Hengsberger, Lucas Lang und Martin Scherrer erste Überlegungen darüber an, wie ein Projekt dieser
Größenordnung zu realisieren wäre. "Das Besondere an diesem aufwändigen Projekt ist sicherlich,
dass alles im Eigenbau umgesetzt wurde", resümiert Tarkan Kahraman, der den Simulator betreut. Sämtliche
Teile wurden eigenhändig verschweißt und zusammengeschraubt, wobei die Jung-Ingenieure auch auf das
Know-how und die Unterstützung des Studiengangs "Fahrzeugtechnik" zurückgreifen konnten. Die
geringen Kosten des FH-Simulators erklären sich auch durch die eingesetzten Materialien, die oft aus Baumärkten
stammten. Für die Darstellung der Instrumentenbretter sowie der Szenerie kommen handelsübliche Bildschirme
und Video-Beamer zum Einsatz. Neben dem Microsoft-"Flugsimulator 2002" - er kann in jedem Computerladen
erworben werden - kommt auch professionelle Software zum Einsatz, die dem Studiengang durch seine gute internationale
Verflechtung von seinen Partnen zu Sonderkonditionen zur Verfügung gestellt wurde. Bemerkenswert auch der
zeitliche Ablauf: Der Trainer wurde in nur wenigen Wochen im Sommer 2002 erstellt.
Theorie und Praxis
Bevor die zukünftigen Damen und Herren der Lüfte im Cockpit des Simulators Platz nehmen dürfen,
heißt es erst einmal, die theoretischen Grundlagen des Fliegens, insbesondere der Navigation, zu erlernen.
In der Lehrveranstaltung "Luftfahrtnavigation" bekommen die Studierenden das notwendige Rüstzeug,
das parallel in der Praxis geübt wird. Das passiert zuerst auf dem "Basis-Navigation-Trainer" (BNT),
eine Art Flugsimulator fürs Wohnzimmer, bestehend aus Steuerhorn, Leistungsquadrant, Funkeinheit und Bildschirm.
Insgesamt vier BNTs stehen für die Studierenden bereit, um die Grundlagen des Instrumentenflugs zu trainieren.
Erst nach erfolgreicher Absolvierung von diversen Navigationsübungen geht's auf den "großen"
Simulator - den so genannten "Advanced Navigation Trainer", kurz ANT.
Aha-Effekt mit Adrenalinausstoß
Wer schließlich am Steuer des ANT Platz nehmen kann, der bekommt ein Gefühl dafür, was
ihn an seinem zukünftigen Arbeitsplatz als Ingenieur, Konstrukteur oder auch Pilot erwartet. Knöpfe,
Anzeigen, Schalter und Hebel bestimmen die Umgebung, ganz wie bei den Vorbildern. Die Studierenden sind vom einmaligen
Ausbildungsgerät begeistert. "Viele werden sich das erste Mal so richtig bewusst, was in der Lehrveranstaltung
vermittelt wurde", meint Tarkan Kahraman, selbst Inhaber eines Linienpilotenscheins und Fluglehrer, "der
Schritt von der Theorie in die Praxis ist meist von einem großen Aha-Effekt begleitet." Und von einem
gehörigen Adrenalinausstoß: Denn wer zum ersten Mal selbst die Schubhebel eines der vielen Jets nach
vorne bewegt, bei circa 130 Knoten das Steuerhorn zu sich zieht und dann abhebt, ist garantiert nicht stressfrei!
Hochfliegende Ziele
Wesentliches Ziel des Projekts ist das ganzheitliche Erfassen des "Gesamtsystems Luftfahrt" mit
all seinen Teilgebieten wie etwa Navigation, Meteorologie, Instrumentenkunde, Flugmechanik, Luftfahrttechnik, Luftverkehr
und Luftrecht. Dazu zählt natürlich auch der Funkverkehr, der durch das Kommunikationssystem simuliert
werden kann. In Zukunft soll der Forschungssimulator auch verstärkt für Versuche auf dem Gebiet der Flugmechanik
genutzt werden. Gegenwärtig wird der ANT bereits im interdisziplinären Forschungsvorhaben MONSAF eingesetzt,
das im Programm FH Plus gefördert ist und in enger Kooperation mit den Partnern aus der Wirtschaft und unter
Einbindung der Technischen Universität Graz und der Karl-Franzens Universität Graz durchgeführt
wird.
Das "Projekt Lindbergh" der Grazer Studenten stieß auch bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft
für Luft- und Raumfahrt (DGLR) im November 2003 auf reges Interesse und hat bereits weiterführende Kooperationsvorhaben
mit Partnern aus dem In- und Ausland angeregt. |