Verfassungsentwurf könnte plangemäß bis Jahresende vorliegen
Wien (pk) - Der Vorsitzende des Österreich-Konvents, Rechnungshofpräsident Franz Fiedler,
zog am Montag (29. 03.) eine positive Bilanz über die bisherige Arbeit des Konvents.
Er wies darauf hin, dass bisher bereits sechs der zehn Ausschüsse des Konvents ihre Berichte vorgelegt hätten,
und zeigte sich angesichts der Arbeitsfortschritte optimistisch, dass bis zum Jahresende ein Verfassungsentwurf
vorliegen wird. Von zwei weiteren Ausschüssen erwartet sich Fiedler bis spätestens Anfang nächsten
Monats Ergebnisse.
Weitgehend Konsens konnte Fiedler zufolge bisher u. a. über die Verankerung bestimmter Staatsziele in der
Verfassung, die Volkswahl des Bundespräsidenten, die Beibehaltung des Bundesrates, die Stärkung der Auskunftspflicht,
die Beibehaltung der mittelbaren Bundesverwaltung, mehr Flexibilität bei der Budgeterstellung, die Verankerung
der Kammern in der Verfassung und die Einrichtung eines drei- statt eines vierstufigen Gerichtsaufbaus erzielt
werden. Gleichzeitig gab er aber zu bedenken, dass die Ausschüsse auch in jenen Bereichen, in denen noch keine
Einigung erreicht wurde, wertvolle Grundlagenarbeit geleistet und mehrere Lösungsmodelle aufgezeigt hätten.
Es sei das erste Mal in der Geschichte der Zweiten Republik, dass Verfassungsfragen in dieser Tiefe und in dieser
Breite und nicht nur punktuell diskutiert würden, unterstrich Fiedler.
In Zahlen lautet die Bilanz zur Halbzeit des Österreich-Konvents: 10 Plenarsitzungen, 86 Ausschusssitzungen
und 18 Präsidiumssitzungen. In drei Hearings konnten insgesamt 128 VertreterInnen von 124 gesellschaftlichen
Organisationen und Interessenvertretungen ihre Vorstellungen und Anregungen vorbringen.
Zu folgenden konkreten Ergebnisse sind Fiedler zufolge jene Ausschüsse, die ihren Bericht bisher vorgelegt
haben, gekommen:
Der Ausschuss I (Staatsaufgaben und Staatsziele) hat sich Fiedler zufolge darauf geeinigt, wenigstens einige Staatsziele
- Bildung, Daseinsvorsorge, umfassender Umweltschutz, tatsächliche Gleichbehandlung von Mann und Frau - in
der Verfassung zu verankern. Überdies sei man übereingekommen, keine taxative, sondern eine demonstrative
Aufzählung von Staatszielen vorzusehen, um der Politik ausreichend Spielraum zu lassen. Keinen Konsens gebe
es hingegen in der Frage, wie man mit der immer währenden Neutralität, mit den Volksgruppen und mit der
sozialen Sicherheit umgehen solle. Auch ob es eine Präambel geben solle, sei noch offen, erklärte Fiedler,
allerdings schaue es derzeit eher nach der Befürwortung einer Präambel aus.
Der Ausschuss III (Staatliche Institutionen) schlägt laut Fiedler u. a. vor, auf allen territorialen Ebenen
gleiche Wahlgrundsätze zu verankern. Darunter könnte etwa auch eine einheitliche Prozenthürde bei
Wahlen für kleine Parteien fallen. Allerdings stehen einige dieser Wahlgrundsätze noch in Diskussion,
z. B. das Mehrheitswahlrecht, ein Familienwahlrecht oder die Herabsetzung des Wahlalters.
Was den Bundesrat betrifft, besteht nach Darstellung Fiedlers Konsens, dass er beibehalten werden solle, zudem
kristallisiere sich seine Aufwertung in Form einer früheren Einbindung in die Gesetzgebung heraus. Weiterer
Diskussionen bedürfe es hingegen noch über seine Zusammensetzung. Nicht mehrheitsfähig scheint Fiedler
die Verankerung eines gebundenen Mandats für Bundesräte zu sein, also ihre Bindung an Beschlüsse
des jeweiligen Landtags.
Einigkeit ortet Fiedler auch hinsichtlich der Beibehaltung der Volkswahl des Bundespräsidenten. Daraus ergibt
sich seiner Ansicht nach gleichzeitig, dass die Rechte des Bundespräsidenten nicht völlig "abgeschlankt"
werden. Allerdings könnten die Aufgaben des Bundespräsidenten, so Fiedler, "moderner" gestaltet
werden und beispielsweise das Gnadenrecht oder das Recht auf Einberufung von Nationalratssitzungen fallen.
Bei den Landtagen geht die Tendenz laut Fiedler in die Richtung, ihre Aufgaben und Rechte der Verfassungsautonomie
der Länder zu überlassen. Allerdings gebe es noch keinen Konsens über diese Frage. Auf jeden Fall
bleiben sollte nach überwiegender Meinung des zuständigen Ausschusses die mittelbare Bundesverwaltung,
um eine einheitliche Vollziehung der Gesetze in den Ländern zu wahren.
Ein großes Sparpotenzial sieht Fiedler durch den Vorschlag, die Bildung von Gemeindeverbänden zu erleichtern,
was vor allem für kleine Gemeinden eine Entlastung bringen würde.
Laut Fiedler nicht geklärt werden konnte bisher, wie man mit dem Legalitätsprinzip weiter umgehen solle.
Anhänger eines strikten Legalitätsprinzips stünden Anhängern einer größeren Flexibilität
der Verwaltung gegenüber.
Dem Ausschuss VII (Strukturen besonderer Verwaltungseinrichtungen) ist nach Meinung des Konvents-Vorsitzenden mit
dem Vorschlag, nicht bei jeder Ausgliederung eine eigene Verfassungsbestimmung, sondern eine generelle Lösung
vorzusehen, ein entscheidender Durchbruch gelungen. Auch für weisungsfrei gestellte Behörden soll es
künftig eine einheitliche Regelung geben. Zudem will man ausgegliederte Rechtsträger wieder einer stärkeren
parlamentarischen Kontrolle unterwerfen.
Fiedler hob darüber hinaus hervor, dass sich der Ausschuss VII positiv zum Thema Globalbudget geäußert
habe. Dies würde eine größere Verantwortung der einzelnen Ressortleiter und eine größere
Flexibilität bei der Budgeterstellung bedeuten, unterstrich er. Darüber hinaus sollen spezielle Regelungen
im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung Willkür hintanhalten bzw. unüberschaubare Doppelförderungen
und Doppelprüfungen von Förderansuchen verhindern. Schließlich sei man, so Fiedler, geneigt, Kammern
und Sozialpartner in der Verfassung zu verankern.
Der Bericht des Ausschusses V (Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden) wird Fiedler zufolge
heute im Konvent beraten. Hier werde ein "nicht uninteressantes" Modell vorgeschlagen, skizzierte er,
und zwar solle es nicht nur eine Zuständigkeit des Bundes und eine Zuständigkeit der Länder geben,
sondern in einigen Fällen auch eine gemischte Zuständigkeit. Man lehne sich hier an die Verfassung der
EU an. Allerdings bedarf es nach Auffassung Fiedlers noch breiter Diskussionen, wie die Kompetenzverteilung konkret
ausschauen soll, wobei es Vorschläge gebe, die derzeit 177 Einzelkompetenzen in 17 oder in 40 Grundkompetenzen
zusammenzufassen. Er persönlich würde die Schaffung von Grundkompetenzen jedenfalls begrüßen,
sagte Fiedler.
Abgeschafft werden soll nach Meinung des Ausschusses V das Zustimmungsrecht der Bundesregierung zu Landesgesetzen.
Die Länder hätten dies oft als Bevormundung empfunden, erklärte Fiedler.
Was die Ergebnisse des Ausschusses IX (Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit) anlangt, ist laut Fiedler daran gedacht,
die Gerichtsbarkeit zu modernisieren und von einem vierstufigen Gerichtsaufbau zu einem dreistufigen überzugehen,
eine, so Fiedler, langjährige Forderung des Rechnungshofs. Konkret sollten an Stelle der derzeit 2 Eingangsgerichte
- Bezirksgericht und Landesgericht - gemeinsame Eingangsgerichte geschaffen werden. Weiters wird angeregt, die
Staatsanwaltschaft in der Verfassung zu verankern.
Der Ausschuss VI (Reform der Verwaltung) hat nach Darstellung Fiedlers nicht die Aufgabe gehabt, eine Verwaltungsreform
auszuarbeiten, vielmehr sei es darum gegangen, sich zu überlegen, wie man die Verfassung so gestalten könne,
dass Verwaltungsreformen in Hinkunft einfacher vorgenommen werden könnten, ohne dass sie rasch an verfassungsgesetzlichen
Schranken scheitern. Ihm zufolge geht es u. a. um eine gemeinsame Budget- und Personalverwaltung und um die Einführung
von "benchmarks" in der Verwaltung. Konsens bestehe über den Entfall des Zustimmungsrechts der Länder
zu Grenzveränderungen von Gerichtssprengeln und zur Abschaffung von Bezirksgerichten.
Im Sinne von mehr Bürgernähe als positiv und als bemerkenswert beurteilte Fiedler den Vorschlag des Ausschusses,
die Frage Amtsverschwiegenheit versus Auskunftspflicht neu zu regeln und die grundsätzliche Amtsverschwiegenheit
durch eine grundsätzliche Auskunftspflicht zu ersetzen.
Was die weitere Arbeit des Konvents betrifft, wird es laut Fiedler in nächster Zeit eine "intensive Phase"
für das Präsidium geben, das vor der Aufgabe stehe, weitere Weichenstellungen zu treffen. Schließlich
wolle der Konvent einen einheitlichen Verfassungsentwurf und keine Alternativvorschläge vorlegen, betonte
er. Gleichzeitig würden die restlichen Ausschüsse an ihren Berichten arbeiten, wobei der letzte Bericht
Fiedler zufolge ungefähr im Juni vorliegen sollte. |