Kreisky-Preis an Historikerkommission  

erstellt am
30. 03. 04

Kreisky-Preise für das politische Buch für Bericht der Historikerkommission und für »Kein Zeuge darf überleben – Der Genozid in Ruanda« von Alison Des Forges
Wien (sk) - "Es wurden zwei Berichte ausgezeichnet, die gerade durch ihre Sachlichkeit, um nicht zu sagen Trockenheit, eine politische Schwergewichtung haben und auf Genozid, Massentötung und deren Auswirkungen eingehen", so charakterisierte der Vorsitzende der Jury, SPÖ-EU-Delegationsleiter Hannes Swoboda, am Montag (29. 03.) bei einer Pressekonferenz im Presseclub Concordia die beiden mit dem Bruno Kreisky-Preis für das politische Buch 2003 ausgezeichneten Werke. Neben Swoboda, dem Vorsitzenden der Jury, nahmen SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer sowie Alison Des Forges, die Autorin des Buches "Kein Zeuge darf überleben - Der Genozid in Ruanda" und Clemens Jabloner als Vertreter der Historikerkommission der Republik Österreich, die für den Schlussbericht "Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich" ausgezeichnet wurde, an der Pressekonferenz teil.

Swoboda würdigte den Bericht der Historikerkommission dafür, dass er sehr komprimierte und klare Schlüsse aus der nicht ausreichend bearbeiteten Auseinandersetzung Österreichs mit dem NS-Regime ziehe. Des Forges Werk über den Genozid in Ruanda zeige auf, dass die Konsequenz lauten müsse, dass den Vereinten Nationen der Mut und die Kraft gegeben werden müsse, solche Situationen zu verhindern. "Viele haben aus Eigeninteressen nicht interveniert, obwohl man das Kommende sehen hätte müssen", so Swoboda.

Gusenbauer erklärte zum Zweck des Bruno Kreisky-Preises: "Herausragendes soll gewürdigt werden, das den Nerv der Zeit trifft und sich nicht mit dem Einfachen begnügt." Beide Arbeiten würden sich durch ein sehr aufwendiges Verfahren und die sehr sachliche Form der Darstellung auszeichnen. Man müsse sehr vorsichtig mit dem Vergleich zwischen den Gräuelregimes der NS-Diktatur und anderen Gräueltaten umgehen, dennoch gebe es erstaunliche Parallelen zu dem Genozid in Ruanda, wie Gusenbauer festhielt. "Des Forges Buch weist nach, dass der Massenmord in Ruanda von einem autoritären Regime geplant worden ist. Nicht sogenannte Wilde, sondern ein modernes Regime, dass die Möglichkeiten des Militärs, der Bürokratie und der Massenmedien genutzt hat, hat diesen Massenmord durchgeführt."

Weiterhin werde, nach dem Motto "Afrika ist ohnehin weit weg", wenig über die momentane Situation in Ruanda diskutiert, kritisierte Gusenbauer, der darauf hinwies, dass Ruanda augenblicklich viele Herausforderungen auf einmal bewältigen müsse. "Das ist eine praktisch unlösbare Aufgabe. Das Buch macht uns aber auch die Verantwortung der reichen Länder bewusst, ohne billige Schuldzuweisungen zu benutzen", hielt Gusenbauer fest.

Auch der Schlussbericht der Historikerkommission verweigere simple Antworten. Es handle sich um einen wichtigen Schritt bei der Aufarbeitung und es zeige sich, dass Österreich immer noch eine Bringschuld habe, so der SPÖ-Vorsitzende. "Es kann kein Endpunkt oder Schlussstrich sein." Gusenbauer wies darauf hin, wie wichtig ihm als Vorsitzendem der Sozialdemokratie die Auseinandersetzung seiner Partei mit dem Nationalsozialismus und dessen Folgen sei. Der vom Institut für Zeitgeschichte für die SPÖ ausgearbeitete Bericht über Vermögensfragen liege seit letztem Jahr vor. Eine Untersuchung über personelle Kontinuitäten und Diskontinuitäten werde im Herbst fertiggestellt, so Gusenbauer. "Ich bin auf die Ergebnisse sehr gespannt, aber auch, wann andere Parteien und Institutionen unserem Beispiel folgen werden", hielt Gusenbauer fest.

Des Forges dankte der Jury für die Anerkennung ihres Buches und stellte fest, dass es sich auch um einen sehr geeigneten Zeitpunkt handle, da am 6. April der zehnjährige Jahrestag des Beginns der Gräueltaten bevorstehe. In der Distanz könne man feststellen, dass es nach dem Holocaust zwar viele Massenmorde gegeben habe, allerdings seien diese nirgends so wie in Ruanda von staatlichen Behörden geplant und durchgeführt worden. Die Folgen für Ruanda seien enorm, aber auch die gesamte Region habe die Konsequenzen zu spüren bekommen, wie Des Forges, mit Bezugnahme auf den Krieg in der Demokratischen Republik Kongo, ausführte. Auch für die internationale Ebene habe es Konsequenzen gegeben, wie das internationale Tribunal für Kriegsverbrecher in Ruanda zeige. "Wir haben das Versprechen 'Nie wieder' gehört und die UN weist darauf hin, dass man an besseren Methoden arbeitet, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Die Frage bleibt aber, ob es wirklich kein nächstes Mal geben wird. Ob wir genug daraus gelernt haben", so Des Forges abschließend.

Jabloner führte aus, dass das Unternehmen der Historikerkommission von sehr vielen jungen WissenschafterInnen getragen werde. Man werde den Preis im Sinne des Auftrages verwenden und damit einen Registerband für die 14.000 Seiten des Berichtes erarbeiten, kündigte Jabloner an. Darüber hinaus müsste nun versucht werden, den Bericht, dessen Zielgruppe Mitglieder der Scientific Community seien, auch anderen Schichten der Bevölkerung zugänglich zu machen. Jabloner zeigte sich erfreut, dass dies bereits für Mittelschulen geschehe.

Weiters wies Jabloner darauf hin, dass die Historikerkommission kein Unternehmen gewesen sei, um im buchhalterischen Sinn eine Auflistung der entzogenen Werte durchzuführen und auch kein Gericht um Recht zu sprechen. Es sei aber schade, dass es in der Frage der Restitutionen noch keinen Rechtsfrieden gebe und noch kein positives Ende eingetreten sei. Abschließend mahnte Jabloner Besonnenheit auf beiden Seiten ein, damit es im Sinne der Betroffenen so rasch als möglich zu einer Einigung komme.
     
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