Kreisky-Preise für das politische Buch für Bericht der Historikerkommission und für
»Kein Zeuge darf überleben – Der Genozid in Ruanda« von Alison Des Forges
Wien (sk) - "Es wurden zwei Berichte ausgezeichnet, die gerade durch ihre Sachlichkeit, um nicht
zu sagen Trockenheit, eine politische Schwergewichtung haben und auf Genozid, Massentötung und deren Auswirkungen
eingehen", so charakterisierte der Vorsitzende der Jury, SPÖ-EU-Delegationsleiter Hannes Swoboda, am
Montag (29. 03.) bei einer Pressekonferenz im Presseclub Concordia die beiden mit dem
Bruno Kreisky-Preis für das politische Buch 2003 ausgezeichneten Werke. Neben Swoboda, dem Vorsitzenden der
Jury, nahmen SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer sowie Alison Des Forges, die Autorin des Buches "Kein
Zeuge darf überleben - Der Genozid in Ruanda" und Clemens Jabloner als Vertreter der Historikerkommission
der Republik Österreich, die für den Schlussbericht "Vermögensentzug während der NS-Zeit
sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich" ausgezeichnet wurde, an der
Pressekonferenz teil.
Swoboda würdigte den Bericht der Historikerkommission dafür, dass er sehr komprimierte und klare Schlüsse
aus der nicht ausreichend bearbeiteten Auseinandersetzung Österreichs mit dem NS-Regime ziehe. Des Forges
Werk über den Genozid in Ruanda zeige auf, dass die Konsequenz lauten müsse, dass den Vereinten Nationen
der Mut und die Kraft gegeben werden müsse, solche Situationen zu verhindern. "Viele haben aus Eigeninteressen
nicht interveniert, obwohl man das Kommende sehen hätte müssen", so Swoboda.
Gusenbauer erklärte zum Zweck des Bruno Kreisky-Preises: "Herausragendes soll gewürdigt werden,
das den Nerv der Zeit trifft und sich nicht mit dem Einfachen begnügt." Beide Arbeiten würden sich
durch ein sehr aufwendiges Verfahren und die sehr sachliche Form der Darstellung auszeichnen. Man müsse sehr
vorsichtig mit dem Vergleich zwischen den Gräuelregimes der NS-Diktatur und anderen Gräueltaten umgehen,
dennoch gebe es erstaunliche Parallelen zu dem Genozid in Ruanda, wie Gusenbauer festhielt. "Des Forges Buch
weist nach, dass der Massenmord in Ruanda von einem autoritären Regime geplant worden ist. Nicht sogenannte
Wilde, sondern ein modernes Regime, dass die Möglichkeiten des Militärs, der Bürokratie und der
Massenmedien genutzt hat, hat diesen Massenmord durchgeführt."
Weiterhin werde, nach dem Motto "Afrika ist ohnehin weit weg", wenig über die momentane Situation
in Ruanda diskutiert, kritisierte Gusenbauer, der darauf hinwies, dass Ruanda augenblicklich viele Herausforderungen
auf einmal bewältigen müsse. "Das ist eine praktisch unlösbare Aufgabe. Das Buch macht uns
aber auch die Verantwortung der reichen Länder bewusst, ohne billige Schuldzuweisungen zu benutzen",
hielt Gusenbauer fest.
Auch der Schlussbericht der Historikerkommission verweigere simple Antworten. Es handle sich um einen wichtigen
Schritt bei der Aufarbeitung und es zeige sich, dass Österreich immer noch eine Bringschuld habe, so der SPÖ-Vorsitzende.
"Es kann kein Endpunkt oder Schlussstrich sein." Gusenbauer wies darauf hin, wie wichtig ihm als Vorsitzendem
der Sozialdemokratie die Auseinandersetzung seiner Partei mit dem Nationalsozialismus und dessen Folgen sei. Der
vom Institut für Zeitgeschichte für die SPÖ ausgearbeitete Bericht über Vermögensfragen
liege seit letztem Jahr vor. Eine Untersuchung über personelle Kontinuitäten und Diskontinuitäten
werde im Herbst fertiggestellt, so Gusenbauer. "Ich bin auf die Ergebnisse sehr gespannt, aber auch, wann
andere Parteien und Institutionen unserem Beispiel folgen werden", hielt Gusenbauer fest.
Des Forges dankte der Jury für die Anerkennung ihres Buches und stellte fest, dass es sich auch um einen sehr
geeigneten Zeitpunkt handle, da am 6. April der zehnjährige Jahrestag des Beginns der Gräueltaten bevorstehe.
In der Distanz könne man feststellen, dass es nach dem Holocaust zwar viele Massenmorde gegeben habe, allerdings
seien diese nirgends so wie in Ruanda von staatlichen Behörden geplant und durchgeführt worden. Die Folgen
für Ruanda seien enorm, aber auch die gesamte Region habe die Konsequenzen zu spüren bekommen, wie Des
Forges, mit Bezugnahme auf den Krieg in der Demokratischen Republik Kongo, ausführte. Auch für die internationale
Ebene habe es Konsequenzen gegeben, wie das internationale Tribunal für Kriegsverbrecher in Ruanda zeige.
"Wir haben das Versprechen 'Nie wieder' gehört und die UN weist darauf hin, dass man an besseren Methoden
arbeitet, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Die Frage bleibt aber, ob es wirklich kein nächstes
Mal geben wird. Ob wir genug daraus gelernt haben", so Des Forges abschließend.
Jabloner führte aus, dass das Unternehmen der Historikerkommission von sehr vielen jungen WissenschafterInnen
getragen werde. Man werde den Preis im Sinne des Auftrages verwenden und damit einen Registerband für die
14.000 Seiten des Berichtes erarbeiten, kündigte Jabloner an. Darüber hinaus müsste nun versucht
werden, den Bericht, dessen Zielgruppe Mitglieder der Scientific Community seien, auch anderen Schichten der Bevölkerung
zugänglich zu machen. Jabloner zeigte sich erfreut, dass dies bereits für Mittelschulen geschehe.
Weiters wies Jabloner darauf hin, dass die Historikerkommission kein Unternehmen gewesen sei, um im buchhalterischen
Sinn eine Auflistung der entzogenen Werte durchzuführen und auch kein Gericht um Recht zu sprechen. Es sei
aber schade, dass es in der Frage der Restitutionen noch keinen Rechtsfrieden gebe und noch kein positives Ende
eingetreten sei. Abschließend mahnte Jabloner Besonnenheit auf beiden Seiten ein, damit es im Sinne der Betroffenen
so rasch als möglich zu einer Einigung komme. |