Positive Signale aus Brüssel  

erstellt am
09. 04. 04

EU zeigt Flexibilität bei der Interpretation des Stabilitätspaktes für Beitrittsländer
Wien (ba-ca) - Auch wenn die EU in ihrer Frühjahrsprognose hinsichtlich der Budgetdefizite für die Beitrittsländer mit fast 6%, bzw. korrigiert um Einmalleffekte in Tschechien mit 4,3%, einen deutlich über dem Durchschnitt des Euroraum (2,7%) liegenden Wert für 2003 errechnete, hat sie doch gleichzeitig im Rahmen der General Policy Guidelines der Wirtschaftspolitik, also den wirtschaftspolitischen Leitlinien der EU, positive Signale hinsichtlich der Interpretation des Stabilitäts- und Wachstumspaktes für die neuen Mitgliedsländern gesendet. Zu diesem Ergebnis kommen die Experten der BA-CA Volkswirtschaft. "Die EU schlägt hinsichtlich der öffentlichen Defizite in den Beitrittsländern nun einen flexibleren Weg ein, den wir schon vor einiger Zeit aufgezeigt haben" stellt Marianne Kager, Chefvolkswirt der BA-CA, fest.

"Die EU hat eindeutig festgestellt, dass eine rasche Annäherung an das Ziel des ausgeglichenen Haushaltes für manche Beitrittsländer ökonomisch nicht sinnvoll ist" meint Stefan Bruckbauer von der BA-CA. Damit hat die Kommission ihren Interpretationsspielraum hinsichtlich der Erfüllung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes vorläufig einmal genützt.

Möglich ist dies nach Meinung der Ökonomen der BA-CA geworden, weil sich die Situation um eine rasche Euroeinführung der Beitrittsländer zunehmend klärt. "Allgemein wird davon ausgegangen, dass Estland, Litauen und Slowenien relativ rasch den Euro einführen werden, spätestens 2008, möglicherweise 2007" so Bruckbauer weiter. Dies sind jene Länder, die bereits heute Budgetdefizite unter der magischen 3%-Marke haben. Möglicherweise könnte noch Zypern dazustoßen. Jene Länder, die deutlich von der 3%-Marke abweichen, haben, zumindest vorläufig, ihre ehrgeizigen Europläne, einmal verschoben bzw. solche gar nicht gehabt. Dies erleichtert es nun der EU, bei der Interpretation des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der für alle EU-Mitglieder unabhängig von der Euromitgliedschaft gilt, auf die wirtschaftlichen Realitäten stärker einzugehen. Diese Realität ist nicht nur von der Tatsache derzeit hoher Defizite (6% im Durchschnitt, der allerdings durch einen Einmaleffekt Tschechiens nach oben verzerrt ist, ohne diesen Effekt hätte Tschechien zwar noch immer über 6% Defizit, der Durchschnitt der Beitrittsländer liegt damit jedoch 2003 bei rund 4,3%) geprägt, deren rasche Reduktion den neuen Beitrittsländern deutlich Wachstum kosten würde, sondern auch davon, dass die Verschuldung in Osteuropa mit im Durchschnitt 42% deutlich niedriger liegt als im Euroraum mit 70%. In diesem Zusammenhang weisen die Ökonomen der BA-CA auch daraufhin, dass der durch einen Einmaleffekt (Übernahme von Garantien). "Da nicht nur das momentane Wachstum in den Beitrittsländer deutlich höher ist, 2004 mit 7,4% nominell im vergleich zum Euroraum mit 3,6%, sondern vor allem auch das langfristige Potentialwachstum, sind höhere Defizite weniger belastend für die Zukunft." meint Kager. Zudem sehen sich die Beitrittsländer hohen Kosten des Beitritts trotz Nettozahlungen gegenüber.

"Die EU hat bereits vor einiger Zeit angedeutet, dass es für die Beitrittsländer möglicherweise aufgrund des höheren Wachstums sinnvoll sein kann, längere Zeit zumindest ein kleines Defizit (1%) im Gegensatz zum im SWP geforderten Nulldefizits über den Konjunkturzyklus zu haben" weist Bruckbauer auf ein weiteres Zeichen der Flexibilität der EU hin. Damit versucht die EU, zumindest für die Beitrittsländer ein ähnliches Desaster wie im vergangenen Jahr mit Deutschland und Frankreich zu vermeiden und ebnet den Weg für einen ökonomisch und auch politisch sinnvollen Konsolidierungspfad für die Beitrittsländer.

Gleichzeitig weisen jedoch die Ökonomen darauf hin, dass die sich nun abzeichnende Flexibilität der EU nicht dazu führen sollte, dass die Beitrittsländer auf ein nachhaltig finanzierbares Defizit zurückkommen. "Einige Länder der Region, etwa Tschechien, Ungarn und Polen, haben derzeit ein auf Dauer nicht finanzierbares Defizit" meint Kager. Auch wenn damit die Herausforderung der Budgetkonsolidierung für die Beitrittsländer bleibt, so werden zumindest die Begleittöne aus Brüssel etwas weniger negativ ausfallen, was insgesamt die Risken für erneute Wechselkurs- und Zinsvolatilitäten reduzieren könnte. Die Ökonomen der BA-CA hoffen, dass die positiven Signale aus Brüssel auch richtig interpretiert werden und nicht als Freibrief zum Schuldenmachen verstanden werden. "Wird die nun geboten Flexibilität nicht zur ökonomisch verträglichen Konsolidierung genützt, stehen wir spätestens in zwei Jahren wieder vor dem gleichen Dilemma" meint Bruckbauer. Dann wäre für die großen Länder auch die Euroeinführung 2009/2010 gefährdet.
     
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