Squicciarini: »Politik braucht heute mehr denn je Zeugnis des Glaubens«  

erstellt am
13. 04. 04

Der frühere Apostolische Nuntius in Österreich empfing Mitglieder des österreichischen Bundesrates in Rom.
Rom (kath.net) - Kath.Net dokumentiert die Predigt von Msgr. Donato Squicciarini, Titularerzbischof von Tiburnia und ehemaliger Apostolischer Nuntius in Österreich, bei der Heiligen Messe für die Mitglieder des Bundesrates in der Basilika von St. Peter in Rom am 5. April.

Es ist mir ein Anliegen, meiner besonderen Freude darüber Ausdruck zu verleihen, dass Sie als Bundesräte und Christdemokraten der Republik Österreich es sich nicht haben nehmen lassen, sich im Rahmen Ihres Aufenthalts in Rom hier am Grab des heiligen Apostels Petrus zur Feier der heiligsten Eucharistie zu versammeln. Nicht weniger freut es mich, dass Sie mich als ehemaligen Apostolischen Nuntius in Österreich gebeten haben, dieser Feier vorzustehen. In diesem Augenblick unseres Beisammenseins hier im Dom zu St. Peter denke ich auch an ihre oftmaligen Pilgerfahrten nach Mariazell, vor allem aus Anlass des Österreichischen Nationalfeiertages am 26. Oktober, sowie an Ihre Initiative zum schon Tradition gewordenen Gottesdienst im Advent, zu dem Sie mich eingeladen hatten.

Zum Zeichen meiner langjährigen persönlichen Verbundenheit mit Österreich und zu Ihnen habe ich Ihrer Einladung gerne Folge geleistet. Darüber hinaus ist Ihre Anwesenheit aber auch ein Zeugnis für die enge wachsende Verbundenheit, die zwischen Kirche und Politik in Österreich besteht. In der Zeit der Bemühungen für den Aufbau der Einheit Europas, in der jedoch bestimmte Leute die christlichen Wurzeln unserer westlichen Kultur ignorierten möchten, stellt Ihre Anwesenheit ein Zeichen der Hoffnung dar. Mehr denn je braucht die Politik zu Beginn des dritten Jahrtausends das Zeugnis des Glaubens. Beten wir in dieser Feier darum, dass Ihr Beispiel Früchte trägt und den Menschen in Ihrer Heimat die Bedeutung des Glaubens bewusst werden lässt. Beten wir, dass Kirche und Politik auch in Zukunft zum Wohl der Menschen zusammenwirken.

Nun möchte ich einige Gedanken über die Aufgabe Petri und der Kirche in der Welt darlegen. "Tu es Petrus!" "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen." (Mt 16, 18). Diese Verheißung Jesu an den Apostelfürsten wird für uns gleichsam greifbar und erfahrbar, wenn wir uns nun am Petrusgrab zur Feier der heiligen Eucharistie versammelt haben. Der heilige Petrus steht uns in der Liturgie der gerade begonnenen Karwoche vor Augen, besonders in den Passions- und Osterberichten. Gestern am Palmsonntag haben wir in der Leidensgeschichte nach Lukas gehört, wie Christus zu Petrus spricht: "Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder." (Lk 22, 32). Wir wissen, es folgt die Verleugnung durch Petrus, aber auch die Bestellung des Petrus zum Hirten der Herde Christi durch den Auferstandenen: "Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!" (Joh 21, 15ff). Petrus ist der Fels, der nicht auf sich selbst, nicht auf menschlichen Unzulänglichkeiten gründet, sondern durch die Liebe Christi geformt und gefestigt worden ist.

Das Amt des Petrus wird durch seinen Nachfolger, den Papst, weitergeführt. Der Bischof von Rom ist der Fels der Einheit der Kirche. Zu ihm sagt der Herr heute: "Stärke deine Brüder!" "Weide meine Schafe!" Richten wir unsere Gedanken auf die Apostel insgesamt und auf den Ursprung der Kirche. Der Herr erwählt sich Fischer, einfache Leute aus Galiläa, und sendet sie aus, damit sie und ihre Nachfolger sein Heilswerk fortsetzen. Nach seiner Auferstehung erteilt er ihnen den Auftrag: "Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern: tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe." (Mt 28, 19f).

Klein ist die Schar der Apostel, der Gesandten Christi, - doch wie groß ist ihr Auftrag und das Wirken des Heiligen Geistes, der ihre Sendung begleitet und fruchtbar werden lässt! Wir sehen, wie nach Pfingsten die Gemeinschaft der Gläubigen in Jerusalem wächst. Sie hält einmütig an der Lehre der Apostel fest, findet sich zum Gebet und zum Brechen des Brotes zusammen und nimmt sich der Bedürftigen an. Damit werden drei Merkmale der Kirche aufgezeigt: Verkündigung - Gottesdienst - Nächstenliebe. Eine gewaltige, ja eine göttliche Kraft steckt in der Botschaft und Lehre Christi, die die Welt erfasst und durchdringt. Rasch und unaufhaltsam, nicht zuletzt durch Verfolgungen, verbreitet und entfaltet sich die Kirche auf der ganzen Erde - ausgehend von Jerusalem und Palästina über den Mittelmeerraum, Europa, Asien bis hin zu allen Kontinenten.

Die Kirche, das neue Gottesvolk, das Jesus Christus auf dem Fundament der zwölf Apostel gegründet hat, zählt heute über eine Milliarde Gläubige in allen Teilen der Welt. Daran können wir Menschen zu Beginn des dritten Jahrtausends feststellen, wie wirksam die Worte Christi in der Geschichte gewesen sind - und es weiterhin sind -, die er vor seiner Himmelfahrt zu den Jüngern gesagt hat: "Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20). Das ist der Grund, weshalb Christus als der Herr der Geschichte bezeichnet wird. Was wäre Europa ohne das Christentum? Was wäre Europa ohne die Lehre und das Wirken der Kirche?

Die Zivilisation und Kultur Europas verdankt vieles wesentlich dem gestalterisch- schöpferischen Beitrag des Christentums und seiner Werte. So sagte Papst Johannes Paul II.: "Die Geschichte des europäischen Kontinents ist vom belebenden Einfluss des Evangeliums geprägt. Wenn wir den Blick auf die vergangenen Jahrhunderte richten, können wir nicht umhin, dem Herr dafür zu danken, dass das Christentum auf unserem Kontinent ein erstrangiger Faktor der Einheit unter den Völkern und den Kulturen und der integralen Förderung des Menschen und seiner Rechte gewesen ist." (Ecclesia de Europa, 108). Das Christentum gehört daher "unbestreitbar zum gemeinsamen geistig-kulturellen Erbe" des Abendlandes (vgl. Ansprache am 6. März 2004 an den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Johannes Rau).

Mit Recht kann man sagen, dass die europäische Zivilisation aus der Kirche entspringt, denn als Vermittlerin der klassischen Antike und des Evangeliums ist sie in gewissem Sinne die Mutter und Lehrmeisterin von Kultur, Kunst und Bildung in Europa. Friede und soziale Gerechtigkeit, Anerkennung der transzendentalen Würde der menschlichen Person und Menschenrechte, Freiheit und Demokratie sind wertvolle Früchte einer Geschichte, zu deren Reifung die christlichen Werte in Treue zur Botschaft Christi nicht unwesentlich beigetragen haben. Aber wir dürfen uns nicht auf diesen Erträgen ausruhen. Die Errungenschaften unserer christlich geprägten Zivilisation müssen stets neu erworben werden. Jede Generation muss sie sich aufs neue aneignen. Dafür braucht es den Einsatz aller staatlicher, wissenschaftlich -kultureller wie auch kirchlicher Kräfte. Europa muss sich davor hüten, durch einen vermeintlich geforderten Laizismus oder Säkularismus seinem Erbe die lebensnotwendige Wasserader des Christentums abzugraben und die Fundamente seines geistig-kulturellen Reichtums auszuhöhlen.

Dies käme einer Verleugnung der eigenen Herkunft und Identität gleich. Dies würde das Haus Europa in seinen Grundfesten erschüttern und allmählich zum Einsturz bringen. Die Schwierigkeiten im Ringen um die Erweiterung der Europäischen Union und um eine europäische Verfassung lassen eine tiefe, oftmals unbeachtete Wertekrise zu Tage treten, woran der Kontinent leidet. Wenn der transzendente Grund der menschlichen Person und der Gemeinschaft missachtet wird, erlahmen Gemeinsinn und Solidarität, die leicht zur Beute eines seelenlosen Materialismus werden. Nur eine Übereinstimmung der Werte - auf der Grundlage des Christentums -, die im Recht und im Leben ihren Ausdruck findet, kann einem geeinten Europa echten Bestand verleihen.

Diesbezüglich hat der große Theologe Romano Guardini, der an der Universität von München wirkte, zu Recht behauptet: "Europa wird christlich sein, oder es wird nicht mehr Europa sein." Europa hat mit seinem christlichen Vermächtnis die Zivilisation unzähliger Länder entscheidend mitgeprägt. Die Europäer tragen daher eine gewisse Verantwortung für die Völker, die sich davon haben inspirieren lassen und sich weiterhin Initiativen und Hilfen im Aufbau einer gerechteren und solidarischeren Welt erwarten. Umgekehrt kann aber ein Blick auf die verheißungsvollen Aufbrüche in einigen dieser Staaten für uns selbst hilfreich sein. Vielfach vollzieht sich dort eine dynamische Verbreitung des Christentums mit seinem gestalterischen Potential, wie wir es in Europa oft nur mehr aus der Geschichte kennen. Die Vitalität des Glaubens und der Kirche sind prägende Kräfte der Gesellschaft. Die konkrete Anwendung des Evangeliums wird zum Fundament einer Kultur der Liebe und des Lebens, des Friedens und der Gerechtigkeit.

Lassen wir uns von diesen Vorbildern anregen und erkennen wir wieder die Bedeutung des Christentums, der Kirche und des kirchlichen Lehramts auch für unseren Kontinent. Dann hat Europa nicht nur eine glorreiche Vergangenheit, sondern auch eine viel versprechende Zukunft. An uns allen, die wir durch die Taufe Christus angehören, liegt es, die heutige Gesellschaft und Kultur gleich einem Sauerteig zu durchdringen und im Sinne des Evangeliums mitzugestalten. Die Stimme der Kirche und des Heiligen Vaters ist uns dabei eine unerlässliche Hilfe. "Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen" schreibt der heilige Petrus (1 Pt 2, 5). An seinem Grab bitten wir ihn, den Fels, um seine Fürsprache, damit jeder von uns zu einem lebendigen Baustein der Kirche werde und am Aufbau des Reiches Gottes mitwirke.

Mit der Hilfe Gottes und auf die Fürsprache der Muttergottes von Mariazell, der "Magna Mater Austriae", "Magna Hungarorum Domina" und "Mater Gentium Slavorum", mögen in Österreich die Verantwortlichen in Staat und Kirche - gerade auch aufgrund der Geschichte, der Kultur und der lebendigen Tradition Österreichs - stets wirksame Brückenbauer des Friedens und der Versöhnung zwischen den Völkern und Förderer der Einheit Europas und aller Nationen der Welt sein. Diesen Wunsch spreche ich besonders im Hinblick auf den des Mitteleuropäischen Katholikentags vom 21. bis 23. Mai 2004 in Mariazell aus.
     
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