Brüssel (eu-int) - Die Europäische Kommission hat einen Bericht über die EU-weite Zusammenarbeit
bei der Bekämpfung des MwSt-Betrugs vorgelegt. Die genaue Höhe der betrugsbedingten Einnahmenverluste
lässt sich kaum ermitteln, jedoch schätzen einige Mitgliedstaaten, dass ihnen dadurch bis zu 10% des
Netto-MwSt-Aufkommens entgehen. In den letzten Jahren konnten deutliche Verbesserungen bei der Zusammenarbeit in
diesem Bereich erzielt werden, u.a. durch die Annahme wirkungsvollerer EU-Vorschriften (siehe IP/03/1350), die
Überarbeitung nationaler Kontrollvorschriften infolge eines Informationsaustauschs über vorbildliche
Praktiken sowie durch die Ausweitung und Verbesserung der Qualität der Amtshilfe zwischen den Steuerverwaltungen.
Die Kommission empfiehlt in ihrem Bericht den Mitgliedstaaten allerdings die Verwaltungszusammenarbeit weiter zu
intensivieren, z.B. durch einen umfassenderen Informationsaustausch, die Aufstockung des dafür zuständigen
Personals und die Beseitigung der noch bestehenden rechtlichen Hindernisse (Datenschutzvorschriften). Die Kommission
weist darauf hin, dass einige Mitgliedstaaten kürzlich zwar eine Änderung des MwSt-Systems an sich angeregt
haben, um das Problem des MwSt-Betrugs in den Griff zu bekommen, die massiven Nachteile dieser Änderungsvorschläge
ihren möglichen Nutzen jedoch überwiegen.
"Unser Bericht hebt die wichtigen Fortschritte hervor, die bereits in den letzten drei Jahren bei der Bekämpfung
des MwSt-Betrugs erzielt wurden." erklärt der für den Bereich Steuern und Binnenmarkt zuständige
Kommissar Frits Bolkestein. "Dieser Betrug kann auch ohne einschneidende Änderungen des MwSt-Systems
wirksam eingedämmt werden, wenn die Mitgliedstaaten weiterhin eng zusammenarbeiten und ihre jeweiligen nationalen
Kontrollvorschriften verbessern."
In dem Bericht wird festgestellt, dass die genaue Höhe der betrugsbedingten Einnahmenverluste zwar nur schwer
zu beziffern ist, es sich jedoch zweifellos um beträchtliche Summen handelt. Manche Mitgliedstaaten schätzen
diese Verluste auf bis zu 10 % des MwSt-Aufkommens. Diese Entwicklung ruft bei vielen Mitgliedstaaten große
Besorgnis hervor.
Das Betrugsausmaß wirkt sich nicht nur auf die Staatshaushalte aus, sondern benachteiligt auch den rechtmäßigen
Handel in bestimmten Sektoren der Wirtschaft und bewirkt Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der unehrlichen Wirtschaftsbeteiligten.
Seit dem letzten Kommissionsbericht über die Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der MwSt (siehe IP/00/115)
sind erhebliche Verbesserungen auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten zu verzeichnen:
- Der Rat nahm im Oktober 2003 die Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 (siehe IP/03/1350) an, die klarere und verbindlichere
Vorschriften für den Informationsaustausch enthält, den direkten Kontakt zwischen nationalen Betrugsbekämpfungsstellen
fördert und einen umfassenderen Informationsaustausch erleichtert.
- Im Oktober 2002 nahm der Rat das Programm "Fiscalis 2003-2007"(siehe IP/02/1550) zur Verbesserung
der täglichen Zusammenarbeit zwischen den Steuerverwaltungen an.
Die Mitgliedstaaten haben ihrerseits erhebliche Fortschritte bei der Modernisierung und Verbesserung der Wirksamkeit
ihrer MwSt-Kontrollen erzielt und gehen allmählich dazu über, die Verwaltungszusammenarbeit als alltägliches
Instrument in ihre Kontrollpraktiken einzubeziehen. Einige Mitgliedstaaten haben Strategien für die Bekämpfung
des Karusselbetrugs entwickelt und die Kontrollen aufgrund der Erkenntnisse verstärkt, die sie aus dem Informationsaustausch
über vorbildliche Praktiken in diesem Bereich gewonnenen haben.
Einige nationale Behörden, Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler haben eine grundlegende Reform des MwSt-Systems
an sich vorgeschlagen, wobei entweder bei sämtlichen innergemeinschaftlichen Umsätzen zwischen Steuerpflichtigen
(so genannte B2B-Umsätze) die MwSt tatsächlich zu entrichten wäre oder die Zahlung der MwSt auf
inländische B2B-Umsätze ausgesetzt würde. Allerdings fehlt nach Ansicht der Kommission der erforderliche
politische Wille, um zur Besteuerung nach dem Ursprungslandprinzip überzugehen. Alle anderen Möglichkeiten
sind dagegen mit zu großen Nachteilen verbunden, die einen möglichen Nutzen überwiegen, da sie
neue Betrugsmöglichkeiten eröffnen oder einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für
ehrliche Wirtschaftsbeteiligte bedeuten.
Der Bericht gelangt zu dem Schluss, dass die Betrugsfälle auf der Grundlage des derzeitigen Systems wirksam
eingedämmt werden können, wenn weiter auf die Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit und der MwSt-Kontrollsysteme
in den Mitgliedstaaten hingearbeitet wird. Den Mitgliedstaaten wird daher empfohlen:
- verstärkt auf die Abkommen über Verwaltungszusammenarbeit zurückzugreifen,
- häufiger multilaterale Kontrollen einzusetzen,
- die bestehenden rechtlichen Hindernisse (Datenschutzvorschriften) für den Informationsaustausch zu beseitigen,
- möglichst rasch ein nationales Konzept zur Verkürzung der durchschnittlichen Reaktionsfrist bei Amtshilfeersuchen
zu beschließen,
- umgehend zusätzliche Mittel für die Amtshilfe bereitzustellen und die Dezentralisierung der Amtshilfe
zu fördern, um Überlastungen des Systems zu vermeiden,
- die Steuerprüfung weiterhin wirksamer und zeitgemäßer zu gestalten, insbesondere durch die
rasche Einführung der elektronischen Steuerprüfung,
- die bekannten vorbildlichen Praktiken bei der Bekämpfung des Karussellbetrugs umgehend umzusetzen und
insbesondere nationale Betrugsbekämpfungsstellen einzurichten, die für den Informationsaustausch mit
anderen Mitgliedstaaten zuständig sind.
Hintergrund des MwSt-Betrugs
Gemäß der seit dem 1. Januar 1993 geltenden MwSt-Übergangsregelung ist der Verkauf von
Gegenständen durch Steuerpflichtige in einem Mitgliedstaat an mehrwertsteuerlich registrierte Unternehmer
in anderen Mitgliedstaaten von der MwSt befreit. Die MwSt ist erst vom Käufer im Bestimmungsland zu entrichten,
so dass die Einnahmen dem Land zufließen, in dem der Endverbrauch erfolgt. Da die Gegenstände steuerfrei
zwischen den Mitgliedstaaten befördert werden, ist dieses System betrugsanfällig, wenn die Steuerbehörden
der Mitgliedstaaten nicht in vollem Umfang zusammenarbeiten, denn es ist den Mitgliedstaaten nicht mehr möglich,
durch die traditionellen Zollkontrollen an den Grenzen Angaben über den Warenfluss in ihr Land zu erhalten.
Der Wert der Gegenstände, die innerhalb der Gemeinschaft mehrwertsteuerfrei zirkulieren (weil die Steuer im
Mitgliedstaat des Verbrauchs erhoben wird), beträgt jährlich inzwischen über 1 500 Milliarden Euro.
Besonders besorgniserregend ist der Karusselbetrug. Hierbei werden innerhalb eines Kreises von Unternehmen, dessen
Zusammensetzung sich rasch ändert, aufeinander folgende (grenzüberschreitende) Erwerbs- und Verkaufsumsätze
getätigt. Da bei grenzüberschreitenden Lieferungen die MwSt nicht im Abgangsland der Lieferung zu entrichten
ist, sondern im Bestimmungsland, taucht dann der Empfänger der Lieferung unter, ohne die Steuer zu entrichten.
In der Regel wird das tatsächliche Geschehen aber durch eine lange, komplizierte Umsatzkette unter Einbeziehung
mehrerer Länder verborgen. Karusselbetrug wird oft von kriminellen Organisationen begangen und hat erhebliche
Steuerausfälle zur Folge.
Die Kommission muss weiterhin regelmäßig Berichte über die Entwicklung der EU-weiten Verwaltungszusammenarbeit
zur Bekämpfung des MwSt-Betrugs vorlegen.
Der vollständige Text des Berichts kann auf der Europa-Website abgerufen werden:
http://europa.eu.int/comm/taxation_customs/whatsnew.htm
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