Wien (bpd) - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nahm am Donnerstag (22. 04.)
vor dem Verband der Auslandspresse in Österreich zur bevorstehenden EU-Erweiterung und Fragen der Europapolitik
Stellung. "Der 1. Mai 2004 ist durch den Beitritt von zehn weiteren Staaten zur Europäischen Union ein
Datum, das in seiner historischen Bedeutung mit dem 15. Mai 1955 gleich zu setzen ist. Damals erhielt Österreich
seine Freiheit, seine Unabhängigkeit und seine Souveränität zurück. Nun erlebt Europa seine
demokratische Wiedervereinigung und damit schließt sich ein Kreis der Integration. Das ist nicht irgendeine
Erweiterungsrunde, das ist der Höhepunkt einer langen historischen Entwicklung", so der Bundeskanzler.
In diesem Zusammenhang erinnerte der Bundeskanzler daran, dass der Auftakt zu den Betrittsverhandlungen unter der
österreichischen Präsidentschaft statt gefunden hatte. Schüssel: "Österreich ist immer
für diese Erweiterung eingetreten. Sie ist gut vorbereitet und die europäische Antwort auf die Globalisierung
und zwar die richtige."
Österreich selbst bezeichnete der Bundeskanzler als "gut vorbereitet" auf die Herausforderungen
durch diese Erweiterung und verwies auf die von der Regierung beschlossenen Strukturreformen. Zudem wären
neue wirtschaftliche Impulse für Österreich durch die Erweiterung der Union für Österreich
zu erwarten. Bereits in den vergangenen Jahren war die heimische Wirtschaft durch die Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen
mit den ostmitteleuropäischen Staaten kumuliert um 6 % gewachsen. Die Exporte in diesen Raum konnten um das
Vierfache gesteigert werden.
Die Übergangsbestimmungen für den Arbeitsmarkt nannte der Bundeskanzler die richtige Antwort auf die
Sorgen der Bevölkerung. Schüssel: "Die von Österreich ausverhandelten Übergangsbestimmungen
haben auch dazu beigetragen, dass diese Erweiterung von allen gesellschaftlich relevanten Gruppen mit getragen
werden konnte. Die Zustimmung im Parlament fiel daher fast einstimmig aus." Angesprochen auf die Aufnahme
weiterer Mitgliedsstaaten in die Europäische Union sprach sich der Bundeskanzler zunächst für eine
Vertiefung und Konsolidierung der Europäischen Union aus. Schüssel: "Die Union muss ein handlungsfähiger
Akteur mit hoher Schlagkraft, Dichte und Kohäsion bleiben. Wenn wir über ein Kerneuropa als Antwort auf
die Probleme durch die Vielzahl von Mitgliedern sprechen, dann sollen wir nicht daran fragen, wer an diesem Kern
teilnimmt, sondern klar regeln, was macht dieses Europa in seinem Kern."
Gleichzeitig wandte sich der Bundeskanzler aber gegen eine zu enge Definition Europas. Schüssel: "Europa
ist dort, wo die geistigen Prinzipien, die Werte Europas gelebt werden. Jeder, der diese Werte und Prinzipien erfüllt,
hat das Recht auf Aufnahme in diese Wertegemeinschaft. Europa muss aber auch von seinen Strukturen her fähig
sein, neue Mitglieder aufzunehmen. Die Folgen jedes neuen Beitritts müssen daher zuerst abgeschätzt und
abgewogen werden." |