EU-Kommission reformiert EU-Wettbewerbsrecht  

erstellt am
22. 04. 04

Brüssel (eu-int) - Die Art und Weise, wie die Wettbewerbsvorschriften in der EU angewandt werden, wird sich nach dem 1. Mai grundlegend ändern. Dies hat weniger mit der Erweiterung der EU als vielmehr mit der ersten Reform des Kartellrechts in 40 Jahren zu tun. Am gleichen Tag werden auch die neuen Fusionskontrollvorschriften in Kraft treten, die in der EU, dem weltweit größten Markt mit 450 Mio. Verbrauchern, eine Fusions- und Übernahmekontrolle der Spitzenklasse schaffen werden. Auch im Bereich der staatlichen Beihilfen stehen bedeutende Reformen bevor. Aus diesem Anlass gibt die Kommission eine Sonderausgabe ihres Newsletters zur Wettbewerbspolitik mit Interviews mit Wettbewerbskommissar Monti und Generaldirektor Philip Lowe heraus.

In zwei wesentlichen Bereichen des Wettbewerbsrechts werden zum 1. Mai grundlegende Reformen in Kraft treten:

Die EU erhält eine neue Antitrust-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003), die die Anwendung der wichtigsten Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags, d. h. Artikel 81, der wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und Verhaltensweisen im Binnenmarkt untersagt, und Artikel 82, der sich gegen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung richtet, regelt. Die neue Verordnung tritt an die Stelle der alten Verordnung Nr. 17 aus dem Jahr 1962.

Die neuen europäischen Fusionskontrollvorschriften (Fusionskontrollverordnung (EG) Nr. 139/2004) für Zusammenschlüsse und Übernahmen, deren Wirkungen innerhalb der Europäischen Union spürbar sind, ersetzen die Fusionskontrollverordnung aus dem Jahr 1990.
„Am 1. Mai findet eine kleine Revolution im europäischen Wettbewerbsrecht statt," erklärte Wettbewerbskommissar Monti in einem Interview in der heute erschienen Sonderausgabe des Newsletters der GD Wettbewerb. Mit Blick auf die neue Kartellverordnung sagte Monti weiter: „Die heutigen Veränderungen begründen den Übergang zu einer ausgereiften Wettbewerbsordnung, in der gesetzestreue Unternehmen von Jahrzehnte alten starren Regelungen befreit werden und von weniger bürokratischen und ausgewogeneren Rahmenbedingungen im europäischen Binnenmarkt profitieren können."

In einem anderen Interview erklärte der Generaldirektor der GD Wettbewerb Philip Lowe, dass das europäische Wettbewerbsrecht nach der Reform Seite an Seite mit nationalem Recht angewandt wird. Die 25 nationalen Wettbewerbsbehörden und die zentrale Wettbewerbsbehörde der EU werden Teil derselben großen Familie mit dem Namen „Europäisches Wettbewerbsnetz" (EWN). „Das EWN bindet alle in die neue Wettbewerbsordnung ein die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten und die Kommission."

Angesprochen wurden auch die Reformarbeiten im Bereich der Beihilfenkontrolle, insbesondere die neuen Leitlinien für die Rettung von Unternehmen in Schwierigkeiten und die Einführung neuer wirtschaftsorientierter Kriterien für die Prüfung weniger bedenklicher Beihilfefälle. „Wir versuchen, Reformen einzuführen, die unser Einschreiten auf die Fälle beschränken, die erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben," erklärte Lowe. „Es gibt Fälle, die in der Union viel Aufsehen erregt haben wie die Zuschüsse an bayrische Sportvereine, holländische Yachthäfen oder britische Kaimauern, wo einer dem anderen Vorhaltungen machte, weil der eine Zuschüsse erhalten hat und der andere nicht. Diese Fälle sollten generell auf Landesebene geregelt werden."

Die Kommission sucht auch nach Möglichkeiten, die Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche einschließlich Schadenersatzansprüche wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts zu verbessern. Solche Ansprüche sind in den USA recht häufig, in Europa dagegen selten. Die Kommission ist zwar keine Verfechterin des amerikanischen Systems, aber Privatklagen tragen zur effizienten Rechtsanwendung bei. In der Entscheidung „Courage/Crehan" aus dem Jahr 2001 entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, dass Artikel 81 seine volle Wirkung nicht entfalten könne, wenn Einzelne nicht auf Ersatz des ihnen durch Wettbewerbsverstöße verursachten Schadens klagen könnten.

Die Kommission gab hierzu im vergangenen Jahr eine Studie in Auftrag und wird im Laufe dieses Jahres einen Bericht dazu vorlegen.
     
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