Finanzausschuss nimmt Arbeit an Steuerreform auf  

erstellt am
21. 04. 04

Expertenanalysen, Abgeordnetenstatements, Ressortprognosen
Wien (pk) - Der Finanzausschuss hat unter der Vorsitzführung seines Obmanns Günter Stummvoll am Dienstag (20. 04.) die Arbeit an der zweiten Etappe der Steuerreform gestartet und die Verhandlungen nach einer ersten Gesprächsrunde zwischen Abgeordneten, Experten, Finanzminister und Finanzstaatssekretär einstimmig bis 28. April vertagt. Auf dem Verhandlungstisch lag der Entwurf für ein "Steuerreformgesetz 2005" ( 451 d.B.) mit den steuerrechtlichen Neuerungen für die zweite Etappe der Reform, die den Bürgern gemeinsam mit den schon Anfang 2004 in Kraft getretenen Änderungen eine Entlastung von insgesamt mehr als 3 Mrd. € und damit die "größte Steuerreform der 2. Republik" bringen soll.

In sehr konzentrierten Statements brachten Abgeordnete, Experten und Finanzminister alle Elemente der geplanten Reform zur Sprache: den neuen Durchschnittssteuertarif zur Entlastung niedriger Einkommen und Löhne, die Kinderzuschläge zum Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag, die Absenkung der Körperschaftsteuer auf 25 %, das neue Gruppenbesteuerungssystem für Unternehmensverbände, die verschärften Maßnahmen - mehr Prüfungen, höhere Strafen - gegen den Steuerbetrug, Tarifsenkungen für "Agrardiesel" und Bier sowie die Abschaffung der Schaumweinsteuer und die Erhöhung des Pendlerpauschales um 15 %. Die Streichung der ursprünglich vorgesehenen "Steueramnestie" beantragte VP-Abgeordneter Michael Spindelegger in Form eines VP-FP-Abänderungsantrages.

Experten-Statements

Karl Bruckner: Großer Wurf und mutige Schritte
Univ.-Prof. Dr. Karl Bruckner konzentrierte sich in seinem Statement auf die Unternehmensbesteuerung, wobei er die Senkung der KöST von 34 auf 25 % als großen Wurf und mutigen Schritt bezeichnete. Sehr wichtig sei auch die neue Gruppenbesteuerung, weil sie eine sinnvolle, einheitliche Besteuerung von Unternehmensverbänden mit hoher Rechtsformneutralität bringe - dies sei auf große internationale Beachtung gestoßen.

Bruckner begrüßte auch die geplanten Vereinfachungen im Einkommenssteuerrecht sowie die Entlastung von Alleinverdienern und Alleinerziehern. Weitere Maßnahmen wären wünschenswert, stießen aber an die Grenzen budgetärer Vorgaben; er hoffe auf weitere steuerreformatorische Schritte in der Zukunft, sagte Bruckner und nannte insbesondere die Abschaffung von Gebühren und Gesellschaftssteuern.


Werner Doralt problematisiert Firmenwertabschreibungen und Verlustrechnungen über die Grenze
Univ.-Prof. Dr. Werner Doralt befasste sich mit Details der vorgesehenen Gruppenbesteuerung und machte darauf aufmerksam, dass die Abschreibung des Erwerbs einer Beteiligung von bis zu 50 % bedeute, dass der Fiskus bis zu 10 % des Kaufpreises zurückerstattet. Doralt fragte, welche Lenkungseffekte von solchen Steuergutschriften zu erwarten seien, und sprach die Befürchtung aus, dass diese Neuerung konzentrationsfördernd sein und den Verlust von Arbeitsplätzen sowie geringere Investitionen bedeuten könnte.

Doralts zweites Thema war die vorgesehene Verlustverrechnung über die Grenze, mit der Österreich als Holdingstandort interessant gemacht werden soll. Doralts sah die Frage offen, wie im Ausland gelegene Tochtergesellschaften von österreichischen Betriebsprüfern geprüft werden könne. Außerdem sei zu befürchten, dass Verlustverrechnungen über die Grenze dazu führen, dass Österreich die Billigproduktion ausländischer Tochterunternehmen zugunsten anderer Konzerngesellschaften finanziere.


Otto Farny: Schieflage bei der Verteilung der Steuersenkung
Dr. Otto Farny sah die Verteilung der vorgesehenen Steuersenkungen zwischen Arbeitnehmern und Pensionisten auf der einen und Unternehmern auf der anderen Seite in einer Schieflage. Wenn die Regierung erwarte, dass nach der geplanten Steuerreform 2,5 % Mill. Einkommenbezieher keine Lohnsteuer mehr zahlen müssen, übersehe sie, dass 2,1 Mill. Einkommensbezieher schon bisher keine Einkommensteuer bezahlt haben. Diese Gruppe habe keine Entlastungen zu erwarten, sagte der Experte und schlug vor, die Negativsteuern anzuheben und für Pensionisten überhaupt erst einzuführen. Darüber hinaus sah Farny die größten Gruppen der Arbeitnehmer nur unzureichend, nämlich nur im Ausmaß der kalten Progression entlastet. Damit würde die Chance versäumt, die nach wie vor labile Konjunktur durch eine Stärkung der Massenkaufkraft zu stützen.

Ungelöst bleiben laut Farny Steuerstrukturprobleme: die Überbesteuerung der Arbeit werde nicht geändert, sondern statt dessen eine sehr große KöST-Senkung geplant. Bei der Gruppenbesteuerung schloss sich Farny den Bedenken Doralts an und wies zudem darauf hin, dass zwar ausländische Verluste begünstigt werden, inländische Investitionen aber unberücksichtigt bleiben. Ihm sei die wirtschaftspolitische Zielsetzung dieser Steuerreform unklar.


Gerhard Lehner: Auswirkungen der Steuerreform kurz- und langfristig positiv
Gerhard Lehner lenkte die Aufmerksamkeit der Ausschussmitglieder auf die langfristigen Aspekte der geplanten Steuerreform, insbesondere auf die positiven Impulse im Standortwettbewerb. Damit würden künftige Wachstumschancen und Arbeitsplätze gesichert. Es sei wichtig, durch die Gruppenbesteuerung Headquarters nach Österreich zu bringen, weil dies Forschung, Investitionen und hochwertige Arbeitsplätze fördere. In diesem Zusammenhang besprach Lehner auch die Senkung der KöST auf 25 % positiv.

Günstig beurteilte der Wirtschaftsforscher auch die kurzfristigen Auswirkungen der geplanten Steuerreform. Eine vierprozentige Steigerung der Masseneinkommen werde der Konjunktur nützen. Die Belastung der Einkommen und Löhne sinke auf den Stand von 1997.

Hinsichtlich der Verteilungsfragen machte der Experte auf die stärkere Entlastung kleiner Einkommen und auf den Aspekt der Förderung von Alleinerzieher- und Alleinverdienerfamilien aufmerksam.

Schließlich bezifferte Lehner die budgetäre Auswirkung der geplanten Steuerreform mit einer Erhöhung des Defizits um 0,9 %, was im internationalen Vergleich verkraftbar sei.


Finanzminister Grasser: Sozial ist, was Arbeit schafft
Finanzminister Karl-Heinz Grasser fasste die Zielsetzungen für die Steuerreform 2005 zusammen, indem er eine Kaufkrafterhöhung vor allem für kleinere und mittlere Einkommen, ein Maßnahmenpaket für die 900.000 Alleinverdiener, davon 100.000 AlleinerzieherInnen, eine Stärkung des Standorts durch ein Unternehmenssteuerreformpaket, die Verbesserung des Eigenkapitals und eine höhere Transparenz bei der Einkommenbesteuerung nannte.

Um den Handlungsbedarf bei der Unternehmensbesteuerung zu illustrieren, wies der Finanzminister darauf hin, dass die meisten EU-Beitrittsländer KöST-Sätze zwischen 19 % und 20 % aufweisen. "Sozial ist, was Arbeit schafft", sagte Grasser und unterstrich die Stärkung des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes durch KöST-Senkung, Förderung von Forschung und Entwicklung und die Gruppenbesteuerung. Grasser sah großes Potenzial Österreichs, zu einem führenden Headquarter-Standort zu werden und untermauerte diese Einschätzung, indem er mitteilte, dass die Austrian Business Agency auf die bloße Ankündigung der Steuerreform hin um 77 % mehr Anfragen für Betriebsansiedlungen aus dem Ausland erhalten habe, davon um 147 % mehr aus Deutschland.

Bedenken Werner Doralts bei der Firmenwertabschreibung bemühte sich Grasser mit dem Hinweis zu zerstreuen, Abschreibungen bei Unternehmenskäufen seien auch bisher schon möglich gewesen. Es sei notwendig, im Rahmen der Steuerreform unternehmerisches Risikokapital rechtsformenneutral zu berücksichtigen.


Staatssekretär Finz: Frauen sind nicht die Verlierer der Steuerreform
Finanzstaatssekretär Alfred Finz wies die Aussage zurück, die Steuerreform zeige eine verteilungspolitische Schieflage. Erstens nütze die Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes auch den Arbeitnehmern, die mehr und bessere Arbeitsplätze erwarten können. Außerdem machte der Staatssekretär darauf aufmerksam, dass künftig 2,5 % Mill. Arbeitnehmer keine Steuern mehr zahlen werden, 200 Mill. € für armutsgefährdete Familien aufgewendet werden und 50 % der Pensionisten netto um 480 Mill. € mehr Einkommen erwarten können. Mehr als 2,2 Mill. Menschen werden mit mehr als einer Milliarde € entlastet - der gesamte Umfang der Steuerreform 2000 habe 1,2 Mrd. € ausgemacht, sagte Finz.

Vehement trat der Staatssekretär der Behauptung entgegen, Frauen seien die Verlierer der Steuerreform. Finz nannte als Beispiel eine Frau mit 1080 € Monatseinkommen, die derzeit 569 € Steuer jährlich zahlt. Sie wird im Jahr 2005 eine Negativsteuer von 110 € erhalten und damit um 679 € entlastet werden.

Die Stellungnahmen der Fraktionen

Christoph Matznetter: Soll die Unternehmensbesteuerung in Österreich aufgegeben werden?
Abgeordneter Christoph Matznetter (S) zeigte sich skeptisch hinsichtlich des behaupteten Nutzens der Gruppenbesteuerung. Er sprach von "finanzieller Auffettung der Gewinne" und von einem Anreiz für die Enkelunternehmen der österreichischen Töchter internationaler Konzerne, künftig Verluste zu machen. Probleme ortete Matznetter auch bei der Besteuerung von Firmenliquidationen. Bei den Maßnahmen zugunsten der Familien hielt es Matznetter für unverständlich, dass Doppelverdiener von den Kinderzuschlägen ausgeschlossen werden, und zwar auch dann, wenn sie gemeinsam gerade einmal 3.000 € verdienen.

Dass 2,5 Mill. Menschen in Österreich so wenig verdienen, dass sie keine Einkommenssteuer zahlen müssen, ist für Matznetter kein Grund zum Jubeln, sondern eher ein Thema für den Sozialausschuss. Auch Matznetter sah keine Kaufkraftstärkung, sondern lediglich eine Abgeltung der kalten Progression bei den Einkommen und wies kritisch darauf hin, dass die Steuerreform dazu führen werde, dass der KöST-Ertrag auf 1,3 % des BIP sinken werde. "Soll die Unternehmensbesteuerung überhaupt aufgegeben werden", lautete die pointierte Frage des Abgeordneten.


 Michael Spindelegger: Reformprioritäten richtig gesetzt
Abgeordneter Michael Spindelegger (V) riet dazu, die Gesamtwirkung der Steuerreform zu beachten und zu fragen, ob die Prioritäten im Einzelnen richtig gesetzt seien. Bei den Einkommen werde die kalte Progression ausgeglichen, kleine Einkommen aber stärker berücksichtigt und überdies für höhere Transparenz gesorgt.

Bei der Familienförderung bestehe Nachholbedarf, daher sei der Kinderzuschlag für Alleinverdiener und Alleinerzieher ebenso zu begrüßen wie dessen rückwirkende Inkraftsetzung mit Anfang 2004. Spindelegger sah auch die spürbare Anhebung des Pendlerpauschales um 15 % positiv.

Sehr wichtig seien Maßnahmen, um die zunehmenden Herausforderungen im EU-Steuerwettbewerb meistern zu können. Auch hier werde durch das Gruppenbesteuerungsmodell die richtige Priorität für Investitionen und neue Arbeitsplätze in Österreich gesetzt.


Thomas Prinzhorn: Eine Steuerreform für sozial Schwache
Abgeordneter Thomas Prinzhorn (F) meinte, es würde den Sozialdemokraten "weh tun, wenn sie sehen müssen, dass eine bürgerliche Regierungskoalition eine Steuerreform vorschlägt, die keine Senkung des Spitzensteuersatzes, sondern schwerpunktmäßige Entlastungen für sozial Schwache und armutsgefährdete Familien bringt".

Die Reform der Unternehmensbesteuerung diene der Absicherung des Wirtschaftsstandorts, betonte Prinzhorn und machte Werner Doralt darauf aufmerksam, dass grenzüberschreitender Ausgleich von Gewinnen und Verlusten international üblich sei. Es habe keinen Sinn, Schranken an den Grenzen aufzubauen, wenn europäische Unternehmen Beteiligungen in Russland und China erwerben wollen, zeigte sich Prinzhorn überzeugt.


Werner Kogler: Österreich weiterhin Weltmeister bei der Besteuerung der Arbeit
Abgeordneter Werner Kogler (G) leitete seine Stellungnahme mit dem Bedauern darüber ein, dass sich an der international überdurchschnittlichen Besteuerung des Faktors Arbeit in Österreich auch durch die vorgelegte Steuerreform nichts ändern werde. Gruppenbesteuerung und KöST-Senkung sah Kogler nicht als direkten Weg zu neuen Arbeitsplätzen und er äußerste sich auch skeptisch gegenüber der Erwartung, dass nun viele neue Firmensitze nach Österreich kommen werden. Koglers Sorgen galten der Aushöhlung steuerlicher Bemessungsgrundlagen, wobei er den Verdacht äußerte, die Regierung wolle die Slowakei bei der Unternehmensbesteuerung "von unten überholen". Das Gruppenbesteuerungsmodell sei nicht falsch, es stelle sich aber die Frage, nach welcher Methode Gewinne im Ausland ermittelt werden sollen, die in Österreich versteuert werden sollen. Dabei stelle sich auch die Frage nach den zu erwartenden Aufwendungen. Angesichts von Milliarden, die offenbar vorhanden seien, stellte sich für Kogler die Frage, ob man das Geld nicht besser zur Anregung von Investitionen im Inland verwenden könnte. Detailfragen Koglers galten auch den vorgesehenen neuen Verjährungsfristen.

Die Verhandlungen werden am Mittwoch, dem 28. April 2004, fortgesetzt, beschloss der Ausschuss einstimmig.
     
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