Vorstellung der Meinung der Kommission zu Kroatien vor dem europäischen Parlament
Strassburg (eu-int) - Am Dienstag (20. 04.) stellte Günter Verheugen, Mitglied der
Europäischen Kommission zuständig für Erweiterung, dem EU-Parlament die Meinung der Kommission zu
Kroatien vor.
Beim Herangehen an die Bewertung Kroatiens hinsichtlich der wirtschaftlichen Kriterien und seiner Kapazität,
den Besitzstand einzuhalten, haben wir nach vorne geblickt. Wir haben die Fortschritte bewertet, die vernünftigerweise
mittelfristig zu erwarten sind, und dabei die Tatsache berücksichtigt, dass sich der Besitzstand selbst weiterentwickeln
wird. Die Kommission ging dabei methodisch genauso vor wie in ihrer Stellungnahme 1997.
Was die wirtschaftlichen Kriterien betrifft, so herrscht in Kroatien politisch zunehmend Einvernehmen über
die wesentlichen Komponenten der Wirtschaftspolitik. Kroatien hat ein beträchtliches Maß an gesamtwirtschaftlicher
Stabilität und eine niedrige Inflation erreicht. Die größere wirtschaftliche Stabilität und
die bislang durchgeführten Strukturreformen machen es möglich, dass Marktmechanismen greifen. Das gilt
insbesondere für die Liberalisierung der Preise und des Handels sowie für die Privatisierung, hier jedoch
zu einem geringeren Ausmaß. Kennzeichnend für Kroatien sind die relativ gut ausgebildeten Arbeitskräfte,
ein gutes Straßennetz und eine gute Telekommunikationsinfrastruktur. Das Land verfügt über einen
gut ausgebauten Bankensektor und eine wettbewerbsfähige Tourismusbranche. Kroatiens Wirtschaft ist in die
der EU bereits gut integriert.
Allerdings besteht bei der Arbeitsweise der Marktmechanismen immer noch etwas Verbesserungsbedarf. Die Umstrukturierung
und Privatisierung der Unternehmen erfolgte langsamer als erwartet. Insbesondere der Schiffbau- und der Agrarsektor
sind modernisierungsbedürftig. Die notwendigen Reformen des Steuer- und des Sozialversicherungssystems sowie
der öffentlichen Verwaltung sind noch nicht abgeschlossen und die Haushaltskonsolidierung muss nachdrücklich
weiterverfolgt werden.
Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Kroatien als funktionierende Marktwirtschaft betrachtet werden kann. Das
Land sollte mittelfristig in der Lage sein, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union
standzuhalten, vorausgesetzt, es setzt sein Reformprogramm weiter um, damit die verbleibenden Schwächen beseitigt
werden.
Die Kommission hat die 29 Kapitel des Besitzstands, die Grundlage der Beitrittsverhandlungen mit den Ländern
waren, die der EU am 1. Mai beitreten werden, im Hinblick auf die Fähigkeit Kroatiens zur Übernahme der
Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft eingehend analysiert. Insgesamt kommen wir dabei zu dem Schluss, dass Kroatien
mittelfristig in der Lage sein wird, die übrigen Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft zu übernehmen,
vorausgesetzt, es unternimmt erhebliche Anstrengungen, um seine Rechtsvorschriften anzugleichen und für deren
Um- und Durchsetzung zu sorgen. Im Umweltbereich jedoch ist eine vollständige Angleichung an den Besitzstand
nur langfristig zu erwarten und wird umfangreichere Investitionen erfordern.
Kroatien muss seine Anstrengungen darauf verwenden sicherzustellen, dass die in unserer Stellungnahme benannten
Defizite schnell behoben werden. In Erwartung der Entscheidung des Rates wollte die Kommission heute zum Ausdruck
bringen, dass wir Kroatiens politischer Verpflichtung Vertrauen schenken. Kroatien muss nun zeigen, dass es in
der Lage ist, die Defizite schnell zu beheben.
Um Kroatien bei seinen besonderen Schwierigkeiten zu helfen, prüft die Kommission zusammen mit den nationalen
Behörden, wie die zentralen Problembereiche besser angegangen werden können. Finanzielle und technische
Hilfe kann dann spezifisch auf diese Bereiche ausgerichtet werden.
Ferner hat die Kommission heute einen Beschluss über eine Europäische Partnerschaft vorgeschlagen, um
die problematischen Bereiche, in denen die Europäische Union hohe Erwartungen an Kroatien stellt, besser hervorheben
zu können. Dieses Dokument ist eine Art "Fahrplan" und auf die spezifischen Bedürfnisse des
Landes zugeschnitten; es legt die kurz- (12-24 Monate) und die mittelfristigen (3-4 Jahre) Prioritäten fest.
Die Partnerschaft wird der kroatischen Regierung helfen, Reformanstrengungen und verfügbaren Ressourcen dort
zu bündeln, wo sie am dringendsten benötigt werden. Es wird erwartet, dass die zuständigen Behörden
mit einem eingehenden Plan für die Umsetzung der Prioritäten der Europäischen Partnerschaft reagieren,
in dem konkrete Maßnahmen und ein Zeitplan festgelegt sind und aufgezeigt wird, welche personellen und finanziellen
Ressourcen für die betreffenden Aufgaben bereitgestellt werden. Die in der Europäischen Partnerschaft
genannten Prioritäten beeinflussen daher die Zuweisung künftiger Finanzhilfe durch die EU.
Um Kroatien bei der Vorbereitung der Beitrittsverhandlungen zu helfen, müsste eine umfassende Durchsicht des
gemeinschaftlichen Besitzstands vorgenommen werden. Ferner empfiehlt die Kommission der EU, eine Heranführungsstrategie
für Kroatien auszuarbeiten und ist dabei, diesbezüglich die notwendigen Vorschläge vorzubereiten.
Ich möchte zu diesem Zeitpunkt nicht weiter ins Detail gehen. Der Bericht der Kommission ist ein wirklich
umfassendes Dokument. Ich denke, die Botschaft ist klar. Die Arbeit hat begonnen und muss in allen Bereichen fortgesetzt
werden. Alle werden anpacken müssen.
Nun ist es am Europäischen Rat, nach seiner eigenen Bewertung und Analyse dieser Stellungnahme der Kommission
seinen endgültigen Beschluss über den Beitrittsantrag Kroatiens zu fassen. |