Österreichische Zahlungsbilanz 2003  

erstellt am
21. 04. 04

Leistungsbilanz schließt im Jahr 2003 mit leichtem Minus –Starker Anstieg der Finanzverflechtung der österreichischen Volkswirtschaft seit Einführung des Euro
Wien (oenb) - Die Oesterreichische Nationalbank hat am Dienstag (20. 04.) im Rahmen einer Pressekonferenz die Ergebnisse der österreichischen Zahlungsbilanz des Jahres 2003 vorgestellt.

OeNB-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Dr. Klaus Liebscher hob dabei auch die in elf Tagen bevorstehende historische Erweiterung der Europäischen Union hervor, der er durchaus weltpolitische Bedeutung zumaß. Österreich habe die Chance, davon wirtschaftlich besonders zu profitieren und werde aus einer Randlage in das Zentrum der Europäischen Union rücken. Zwar seien die Beitrittsländer in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch im Aufholprozess, aber man könne von ihnen neue, belebende Impulse erwarten, insbesondere im Bereich struktureller Wirtschaftsreformen.

Gouverneur Liebscher erwähnte, dass bereits rund 13% der österreichischen Güterexporte – das waren 2003 Waren im Wert von rd. 10 Mrd. Euro – in diese Länder gingen. Rund 4% der Ausländerübernachtungen in unserem Land stammten bereits aus diesem Wirtschaftsraum, mit stark steigender Tendenz. Auch bei den grenzüberschreitenden Finanzbeziehungen spiele diese Region eine große Rolle. Insbesondere die österreichischen Banken hätten sehr früh das Potenzial dieses Raumes erkannt und sich als Pioniere erwiesen. Sie hätten Mittel- und Osteuropa als erweiterten Heimmarkt definiert und entweder bestehende Banken im Rahmen von Privatisierungen gekauft oder eigene Niederlassungen errichtet. Inzwischen würden österreichische Institute z.B. in der Slowakei bereits einen Marktanteil von 40% halten und schon mehr als die Hälfte der Gewinne österreichischer Großbanken würden aus diesen Märkten stammen. Mittel- und Osteuropa sei aber nur eine der Weltregionen, in denen österreichische Unternehmen aktiv und erfolgreich sind. Österreich ist zunehmend Teil der globalisierten Weltwirtschaft und pflegt Wirtschaftsbeziehungen mit allen Regionen dieser Welt, wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß.

Wie stark die österreichische Wirtschaft bereits in die Weltwirtschaft integriert sei, könne man aus der Zahlungsbilanz und der Internationalen Vermögensposition ablesen. Beide Statistiken werden von der Oesterreichischen Nationalbank regelmäßig auf der Basis des Devisengesetzes erstellt und veröffentlicht.

Neues Erhebungssystem für Zahlungsbilanzdaten ab 2006
Abschließend dankte Gouverneur Dr. Liebscher allen Daten-Meldern und kündigte an, dass die österreichische Zahlungsbilanz ab dem Jahr 2006 in anderer Weise als bisher ermittelt werde. Statt der derzeit verwendeten Meldungen der Banken über den Auslandszahlungsverkehr werde sich die OeNB – einem internationalen Trend folgend – künftig verstärkt auf direkte Erhebungen bei den Verursachern stützen. Stichprobenerhebungen und die Verwendung administrativer Daten sollen dazu dienen, die auf Grund internationaler Vorgaben verlangten Daten mit der notwendigen Qualität bei möglichst geringer Belastung der Melder zu sammeln. Verlässliche Informationen über die österreichische Außenwirtschaft seien nicht nur eine internationale Verpflichtung, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Österreich und sein internationales Image von großer Bedeutung. Dazu wolle die OeNB auch in Zukunft ihren Beitrag durch gute Außenwirtschaftsstatistiken leisten. Die Grundzüge des neuen Systems und die entsprechenden Meldeverordnungen würden ab Juni dieses Jahres im Rahmen so genannter Road-shows unter Heranziehung der Zweiganstalten der OeNB österreichweit vorgestellt werden.

Die Ergebnisse der Zahlungsbilanz 2003
In der Folge präsentierte Direktor Dr. Peter Zöllner, das für den Bereich Statistik zuständige Mitglied des Direktoriums der OeNB, die wichtigsten Ergebnisse der Zahlungsbilanz des Jahres 2003.

Österreichs Leistungsbilanz schloss 2003 mit einem Defizit von 2 Mrd. Euro, das sind 0,9% des Bruttoinlandsprodukts. Damit bewegt sie sich aber immer noch im „ausgeglichenen“ Bereich von ± 1 % des BIP. Ausschlaggebend für die Drehung ins Minus sei das mäßige Wachstum der Exporte gewesen. Mit +1,4% haben die Exporte das geringste Wachstum seit 1995 gezeigt. Die Konjunkturschwäche in Deutschland und der Wertgewinn des Euro haben die Exporte erschwert. Andererseits löste die Erwartung einer anspringenden Konjunktur in Österreich eine verstärkte Nachfrage nach Ausrüstungsgütern aus, die auch zu verstärkten Warenimporten führten. Entgegen dem weltweiten Trend im Tourismus ist die Zahl der Ankünfte von Ausländern in Österreich um 2,5%, die Zahl ihrer Nächtigungen um 0,6% gestiegen. Die Reiseverkehrseinnahmen betrugen 12,3 Mrd. Euro, ein Plus von 3,1%. Der Weltmarktanteil Österreichs ist damit 2003 gewachsen. Die Reiseverkehrsausgaben sind um 2,9% gestiegen und erreichten 10,2 Mrd. Euro. Der bedeutendste Kapitalabfluss in der österreichischen Leistungsbilanz war auch 2003 bei der Einkommensbilanz zu verzeichnen, nämlich 2,5 Mrd. Euro. Entscheidenden Einfluss für die Entwicklung 2003 hatten vor allem geringere Nettoeinkünfte des Bankensektors im Auslandsgeschäft als Folge der sukzessiven Abwertung des US-Dollars und des allgemeinen Rückgangs des Zinsniveaus.

In Bezug auf die Kapitalbilanz erwähnte Direktor Zöllner zunächst die Direktinvestitionen: Österreichs Direktinvestitionen im Ausland erreichten 2003 vor allem wegen eines starken vierten Quartals die Höchstmarke von 6,3 Mrd. Euro. Nach derzeitiger Datenlage wurde damit der alte Rekordwert aus dem Jahr 2000 übertroffen. Auch die Direktinvestitionen des Auslands in Österreich haben sich nach dem Einbruch 2002 wieder erholt. Mit hohen Investitionen im vierten Quartal erreichten die passiven Direktinvestitionen 2003 mit 6,1 Mrd. Euro den dritthöchsten bisher beobachteten Wert. Die Direktinvestitionsströme hätten sich damit 2003 die Waage gehalten.

Die grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen schlossen im Jahr 2003 mit einem Netto-Kapitalimport von 5 Mrd. Euro. Nach wie vor bestimmten die Kapitalmarktpapiere das Bild: Aktivseitig flossen unter diesem Titel 17,2 Mrd. Euro ab, passivseitig belief sich der Kapitalimport auf 18,1 Mrd. Euro. Der Bestand an ausländischen Geldmarktpapieren in österreichischen Portefeuilles wurde 2003 reduziert. Etwas anders zeigt sich die Situation bei inländischen Geldmarktpapieren: Die ausländischen Anleger erhöhten ihren Bestand durch Nettoinvestitionen im Ausmaß von 0,7 Mrd. Euro. Der grenzüberschreitende Handel in Anteilsscheinen, das betrifft Aktien und Investmentzertifikate, zeigte 2003 in beiden Richtungen geringere Nettoinvestitionen als 2002.

In Form von Krediten und Bankeinlagen ist 2003, im Gegensatz zum Jahr davor, netto Kapital im Ausmaß von 2,8 Mrd. Euro aus Österreich abgeflossen. Maßgeblich für diesen Bereich des internationalen Kapitalverkehrs ist die Entwicklung des Auslandsgeschäfts der österreichischen Banken. Diese haben im Vorjahr ihre Kreditlinien gegenüber ausländischen Schuldnern von 2 ½ auf 11 Mrd. Euro erhöht. Auch Forderungen und Verpflichtungen im Zwischenbankenverkehr, die ein Jahr zuvor aufgelöst worden waren, sind 2003 erneut aufgebaut worden. Der Bestand der offiziellen, österreichischen Währungsreserven betrug per Ende 2003 10 Mrd. Euro. Gegenüber dem Jahr davor haben sich die Währungsreserven insgesamt um 2,4 Mrd. Euro verringert.

Österreichs Position in der globalisierten Welt
Zentrales Thema der diesjährigen Ausführungen von Direktor Zöllner war Österreichs Position in der globalisierten Welt.

Im Warenhandel lässt sich Österreichs Internationalisierung an der Exportquote von 35% ablesen, womit sie der historischen Höchstmarke aus 2002 entspricht. Die Handelsverflechtung ist jedoch regional stark konzentriert. Ab dem 1.Mai 2004 werden drei Viertel des österreichischen Außenhandels innerhalb des - erweiterten - Binnenmarktes abgewickelt werden. Dabei zeigt sich tendenziell eine anteilsmäßige Verschiebung von den „alten“ zu den „neuen“ Mitgliedern. Der größte und der am schnellsten wachsende Markt, nämlich der amerikanische und der asiatische, spielten im Außenhandel Österreichs mit 5 bzw. 6 Prozent nur eine untergeordnete Rolle. Im internationalen Tourismus ist Österreich schon seit langem wichtiger Anbieter, aber auch hier ist eine starke regionale Konzentration zu verzeichnen. Fast alle Gäste kommen aus Europa, einzelne Beitrittsländer könnten schon in naher Zukunft die Gästezahlen aus den USA übertreffen.

Spiegelbildlich zur realwirtschaftlichen Verflechtung nimmt die Internationalisierung Österreichs auch im Bereich der Finanzwirtschaft stetig zu: Als Indikator für dieses Phänomen wird der „Internationalisierungsgrad“ verwendet; dieser errechnet sich aus der Summe grenzüberschreitender Forderungs- und Verpflichtungsstände ausgedrückt in Prozent des BIP. Lag der Internationalisierungsgrad Österreichs in der ersten Hälfte der 90er Jahre bei rund 150% des BIP so hat er sich inzwischen bereits mehr als verdoppelt.

Bei den Direktinvestitionen habe Österreich den Rückstand bei der aktiven Internationalisierung im Zuge der Ostöffnung abbauen können. Aktive und passive Bestände dürften Ende 2003 annähernd ausgeglichen sein. In mehreren Beitrittsländern ist Österreich heute auch in absoluten Größen einer der wichtigsten Investoren, in Slowenien sogar der wichtigste. Die Investitionen des Auslands in Österreich dominiert nach wie vor Deutschland.

Die Einbindung Österreichs in die globalisierten Finanzströme lässt sich auch an den wachsenden Umlaufvolumina österreichischer Wertpapiere ablesen, wobei die Einführung des Euro einen merkbaren Internationalisierungsschub mit sich brachte. Seit 2000 liegt das Umlaufvolumen der österreichischen Anleihen gemessen am BIP über dem weltweiten Durchschnitt. Die Möglichkeiten des erweiterten Heimmarktes der einheitlichen Währung wurden genutzt. Österreichische Investoren bewegen sich zu 80% am europäischen Finanzmarkt. Ein weiterer Indikator für die internationale Verflechtung ist der Bestand der Auslandsforderungen von Geschäftsbanken aus Krediten und Einlagen. Er hat sich seit Mitte der neunziger Jahre weltweit um rund 40% erhöht. Dieser Trend war bei österreichischen Banken noch ausgeprägter: Ihre Auslandsforderungen nahmen um rund zwei Drittel auf 104 Mrd. Euro zu. Wiederum entpuppt sich die Globalisierung im Falle Österreichs als Europäisierung. Der Euroraum ist zum Heimmarkt geworden; für Ausleihungen stellen die Beitrittsländer ebenfalls einen wichtigen und wachsenden Markt dar. Außerhalb Europas spielten sowohl die USA als auch Japan, vor allem für die Refinanzierung der Fremdwährungsausleihungen der österreichischen Banken, eine gewisse Rolle.
     
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