Gedämpftes Wirtschaftsjahr für chemische Industrie  

erstellt am
06. 05. 04

Knappes Umsatzplus trotz ungünstiger Rahmenbedingungen - Konjunkturbarometer zeigt nach oben
Wien (halik) - 2003 hatte die chemische Industrie weiterhin mit der konjunkturellen Flaute zu kämpfen, der prognostizierte Aufschwung ließ auf sich warten. Die leichte Erholung der Konjunktur war immer wieder durch Rückschläge unterbrochen. Insgesamt erzielte Österreichs Chemie einen Produktionswert von 9,1 Milliarden Euro, was einem mageren Umsatzplus von 0,6 % entspricht.

Angespanntes wirtschaftliches Umfeld
"Die schwache Konjunktur bei wichtigen Handelspartnern machte den Chemiebetrieben zu schaffen", erklärte der Obmann des Fachverbandes der chemischen Industrie, Dr. Peter Untersperger, anlässlich einer Pressekonferenz in Wien. Österreichs chemische Industrie exportiert rund 70 % der Produktion. Allein in den EU-Raum und in die EFTA-Staaten gehen 58 % der Ausfuhren.

Der hohe Eurokurs wirkte sich ebenfalls dämpfend auf das Exportgeschäft aus. Die Exporte in die USA gingen um 19 % zurück. Insgesamt stiegen die Ausfuhren im Jahresvergleich deshalb auch nur um 1,4 % gegenüber 9,6 % 2002.

Dazu kam noch der hohe Rohölpreis, der sich negativ auf die Vormaterialkosten auswirkte. Eine Überwälzung auf die Produktpreise war oft nicht möglich.

Auch der Inlandsmarkt gab keine Impulse und war insbesondere bei konsumnahen Produkten kaum mehr aufnahmefähig. Der Bausektor meldete seit Jahren erstmals wieder ein Anziehen der Baukonjunktur. 2003 konnte Österreichs chemische Industrie davon aber nur sehr selektiv profitieren.

Entwicklung der Sparten
Die chemische Industrie wäre 2003 umsatzmäßig ins Minus gerutscht, hätte sich nicht die Kunststoff- und Kautschukverarbeitung positiv entwickelt. Dieser Sektor wuchs insgesamt um 2,6 %. Technische Kautschukwaren legten um 16 % zu, bei Technischen Artikeln aus Kunststoffen konnte der Umsatz um 11 % erhöht werden. Verpackungen aus Kunststoff wurden um 2,7 % mehr erzeugt, während die Halbzeugproduktion stagnierte und Baubedarfsartikel sogar im Wert rückläufig waren.

Gut lief das Geschäft in der Sparte Waschmittel - Kosmetik - bedingt durch eine erhöhte Auslandsnachfrage, der Inlandsmarkt stagnierte wie schon in den Jahren davor. Vor allem die Lieferungen nach Mittel-/Osteuropa und nach Deutschland stiegen an.

Nur leicht im Plus liegt die Lackindustrie. Der Trend in der zweiten Jahreshälfte war in dieser Branche zwar positiv, konnte aber das Minus aus dem 1. Halbjahr nur mit Mühe ausgleichen.

Der Pharmasektor verzeichnete insgesamt ein Minus von 1,5 %. Die Spezialitätenhersteller gingen verstärkt dazu über, die Vormaterialien im eigenen Haus zu produzieren. Daraus folgten Rückgänge bei den Erzeugern von pharmazeutischen Rohstoffen.

Auch die Kunststofferzeugung wies 2003 ein Minus von rund 5 % im Produktionswert aus. Ursache dafür war die unbefriedigende Verkaufspreissituation bei Standardkunststoffen. Negative Auswirkungen verursachte auch der Irakkrieg, der die Rohstoffe verteuerte. Etwas gemildert wurde die Rohstoffsituation durch den Dollar-Kurs und wieder anziehende Verkaufspreise gegen Ende des Jahres.

Der Faserbereich blieb aufgrund ungünstiger Marktbedingungen am Fasermarkt leicht hinter dem Vorjahresergebnis zurück. Der Kapazitätsausbau in Asien bringt europäische Hersteller unter Druck. Zuwächse konnten hingegen im boomenden asiatischen Raum erzielt werden.

Stabiler Markt Mittel-/Osteuropa
Der Warenaustausch mit Mittel-/Osteuropa zeigt mittlerweile Anzeichen einer reifen Handelsbeziehung. Vor allem zu Polen, Russland, Rumänien und Bulgarien konnten 2003 die Ausfuhren ausgeweitet werden. Insgesamt hat diese Region um 7 % mehr Chemieprodukte aus Österreich abgenommen als 2002.

Mit einem Anteil von fast einem Viertel aller Exporte ist Osteuropa nach der EU der zweitwichtigste Außenhandelswirtschaftsraum für Österreichs chemische Industrie. In den letzten fünf Jahren konnte die Ausfuhr in diese Region um 54 %, seit 1990 sogar um 235 %, ausgeweitet werden. Die Ostexporte in der Höhe von 2,2 Milliarden Euro insgesamt machen bereits rund ein Viertel des Produktionswertes aus. Von der guten Nachfrage aus Osteuropa profitieren vor allem die Sparten Pharmazeutika, Kunststoffwaren, Kautschukwaren sowie Waschmittel - Kosmetik.

Chance EU-Erweiterung
Der mittel-/osteuropäische Markt hat Wachstumspotenzial und bietet Österreichs Chemie noch große Chancen. Viele Branchen, wie beispielsweise die Lack- und Anstrichmittelindustrie oder die Waschmittelhersteller, haben die Ostmärkte schon frühzeitig bearbeitet und eine gute Wettbewerbsposition aufgebaut. Für sie geht es jetzt darum, auch nach der Ostöffnung diesen Vorsprung zu halten und die Früchte der Arbeit einzufahren.

Der Konkurrenzdruck durch das zumeist niedrigere Lohnniveau trifft die relativ anlagenintensive Chemie im Vergleich zu anderen Branchen weniger.

Eine spezielle Forderung der chemischen Industrie ist es, dass in den Beitrittsländern das EU-Recht, insbesondere Umwelt- und Sicherheitsvorschriften, zügig umgesetzt wird. Damit könnte ein derzeit bestehender Wettbewerbsnachteil der österreichischen Betriebe egalisiert werden.

Sorgen bereiten weiters die zum Teil erheblich niedrigeren (begünstigten) Steuersätze für bestimmte Produkte in den Beitrittsländern.

Die Pflanzenschutzmittelindustrie befürchtet, dass pauschalierte Landwirte den Steuervorteil nutzen werden und sich in diesen Ländern mit Betriebsmitteln eindecken. Aus steuertechnischen Gründen würden zunächst Pflanzenschutzmittel exportiert und anschließend reimportiert werden. Ähnliche Erfahrungen machte die Branche bereits mit Luxemburg, solange bis die Mehrwertsteuersätze angenähert wurden.

Derartige Befürchtungen haben auch manche Pharmahersteller bei Medikamenten, die von Konsumenten frei gekauft werden können. Da in Österreich Pharmazeutika dem vollen Steuersatz unterliegen, ergibt sich auch hier für den Endverbraucher ein nicht unerheblicher Preisvorteil.

Spitzenreiter bei Investitionen
Österreichs Chemieunternehmen haben aber trotz des mageren Ergebnisses 2003 Vertrauen in den Standort Österreich. Die Investitionen der chemischen Industrie stiegen im Jahr 2003 wieder kräftig an. Insgesamt wurden 806 Millionen Euro investiert, das entspricht einem Plus von 19,2 % gegenüber 2002. Mit einem Anteil von rund 15 % am Gesamtinvestitionsvolumen der Industrie liegt die chemische Industrie wieder im Spitzenfeld der österreichischen Industriesparten.

Auch die Mitarbeiterzahlen blieben relativ konstant. Im Jahr 2003 waren in der chemischen Industrie in Österreich rund 41.700 Mitarbeiter beschäftigt, was einem Minus von 0,4 % gegenüber 2002 entspricht. Die Industrie insgesamt verlor in diesem Zeitraum 1,4 % ihrer Mitarbeiter.

Ausblick: Licht am Ende des Tunnels
Die aktuelle und zukünftige Geschäftsentwicklung wird von Österreichs Chemiebetrieben im Wesentlichen vorsichtig optimistisch eingeschätzt. Die Konjunkturindikatoren zeigen von einem niedrigen Niveau ausgehend nach oben.
Weltweit sind in einigen Regionen - vor allem in Nordamerika und in Asien - positive Signale für eine Belebung der Wirtschaft zu orten. In der EU sind die Auftriebskräfte noch verhalten. Die hohen Rohstoffkosten werden weiterhin die Chemie belasten. Wenn der Euro stark bleibt, wird das Wachstum eher moderat ausfallen.

Für Europa (ohne Beitrittsländer) rechnet der europäische Chemieverband für 2004 mit einem Wachstum von 2 %, inkludiert man die Pharmabranche, für die eine höhere Dynamik angenommen wird, von 2,5 %.

"Der Fachverband rechnet mit einem Ergebnis, das leicht über dem europäischen Schnitt bei rund 3 % liegt", so Untersperger. 2004 sollte also die Talsohle der Konjunktur nun endgültig durchschritten sein und der aufkommende Optimismus sich auch in Zuwächsen niederschlagen.
     
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