Prominente lesen aus Büchern, die man einst verbrannte
Wien (rk) - Mit der ZeitWerkStatt-Produktion "Prominente lesen verbrannte Bücher"
erlebt Wien am 7. und 14. Mai eine außergewöhnliche Kulturveranstaltung: An diesen beiden Tagen werden
Prominente wie Konstanze Breitebner, Elfriede Ott, Alfons Haider, Erich Schleyer, Timna und Arik Brauer, Kulturstadtrat
Andreas Mailath-Pokorny, Vizebürgermeisterin Grete Laska und Europaparlamentarier Hannes Swoboda aus den von
den Nationalsozialisten verbrannten Büchern vortragen. Schauplatz dieser Lesungen wird die Hauptbücherei
am Gürtel sein.
Am 10. Mai jähren sich zum 71. Mal die Bücherverbrennungen, die von der deutschen Studentenschaft und
den Nationalsozialisten gemeinsam durchgeführt wurden. Jede politische Opposition - egal ob marxistischer
oder pazifistischer Herkunft -, aber auch der gesamte kulturelle Beitrag jüdischer AutorInnen wurde auf diese
Weise vom totalitären Regime ausgeschaltet. Zehntausende Bücher wurden damals rituell in die Flammen
geworfen, aber es sollte noch viel schlimmer kommen, denn Heinrich Heines mahnender Ausspruch "Dort, wo man
Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen" sollte im Schreckensregime der Nationalsozialisten
traurige Realität werden.
Prominente lesen prominente Autoren
Die ZeitWerkStatt nahm die Bücherverbrennungen zum Anlass, um das Projekt "Prominente lesen verbrannte
Bücher" ins Leben zu rufen. Im Rahmen dieser Veranstaltung werden am 7. und 14. Mai Prominente aus den
Büchern der damals verbotenen Schriftsteller jeweils eine Textpassage lesen. In der Liste der verbotenen Autoren
finden sich neben Unbekannteren auch berühmte Namen wie Sigmund Freud, Bertolt Brecht, Alfred Döblin,
Erich Kästner und Stefan Zweig.
Texte in Kontexten
Wichtiger Bestandteil der ZeitWerkStatt-Produktion ist neben den Lesungen auch die Vermittlung von Hintergrundwissen,
denn die BesucherInnen sollen mit den vorgetragenen Texten nicht alleine gelassen werden. Daher werden die Texte
in einen geschichtlichen Kontext gestellt, der von Historikern der ZeitWerkStatt wissenschaftlich fundiert erarbeitet
wurde. Durch eine multimediale Aufbereitung soll dem Publikum der Zugang zu den vorgetragenen Textpassagen besser
ermöglicht werden. Zwischen den Lesungen finden zudem Gespräche mit Zeitzeugen statt - ein besonders
interessanter Höhepunkt für alle ZuhörerInnen.
Mehr als nur ein Rahmenprogramm
Angefangen von Malerei direkt vor Ort über die Vertonung von Gedichten aus verbrannten Werken bis
hin zu szenischen Lesungen von sehr berührenden Briefen vertriebener MitbürgerInnen werden sich KünstlerInnen
verschiedenster Genres im Rahmenprogramm der Veranstaltung mit den Bücherverbrennungen auseinandersetzen.
Angedacht ist auch der Verkauf der gemalten Bilder, deren Erlös einer Behindertenbibliothek zugute kommen
könnte.
Durch diese Veranstaltung möchte die ZeitWerkStatt den bedeutenden kulturellen Beitrag der verbotenen AutorInnen
ins Gedächtnis der MitbürgerInnen (zurück)-rufen und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Meinungsfreiheit
nicht immer eine Selbstverständlichkeit war. Vor allem junge Menschen können mit dem Begriff Bücherverbrennung
- zum Glück - wenig anfangen. Daher möchte die ZeitWerkStatt gerade auch ihnen die Möglichkeit bieten,
sich mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte, das eine Extremsituation geistiger Unfreiheit darstellte, intensiv
auseinander zu setzen. Eine Auseinandersetzung, die auch die Werke der verbotenen - und heute teilweise vergessenen
- Schriftsteller würdigen soll, und die mit der neuen Hauptbücherei am Gürtel am Urban-Loritz-Platz
2a einen zeitgemäßen Rahmen gefunden hat.
Über die ZeitWerkStatt
Die ZeitWerkStatt versteht sich als Kulturinitiative, die im Jahr 2003 von Kulturmanager Willibald Stanek
gegründet wurde. Der Verein möchte (s)einen Beitrag zur lebendigen Kulturszene in Österreich leisten.
Im bisherigen Mittelpunkt der Arbeit der ZeitWerkStatt stand die künstlerische Aufarbeitung historischer Themen,
ein Beispiel dafür ist die erste ZeitWerkStatt-Produktion "Wacht auf, Verdammte dieser Erde", in
der die 200-jährige Geschichte der Arbeiterbewegung multimedial aufbereitet wurde. Die Stärke der ZeitWerkStatt
liegt zweifelsohne in der vielfältigen Zusammensetzung ihrer Mitglieder - in der ZeitWerkStatt sind Kulturmanager,
Künstler, Historiker und Journalisten ebenso vertreten wie Politiker und Lehrer. |