Wien (volkstheater) - "Als der siebzehnjährige Karl Roßmann,
der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und
ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von Newyork einfuhr, erblickte
er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen
Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte."
So beginnt Kafkas "Der Verschollene" (1912-1914), bekannter unter dem Titel "Amerika". Der
Roman blieb bekanntlich unvollendet. Dank der Interpretation des Kafka-Freundes Max Brod, von dem auch der Titel
"Amerika" stammt, galt das Fragment lange als heller und optimistischer als andere Werke Kafkas. Die
Ansicht beruht wohl auf einem Missverständnis, das die jugendliche Hauptfigur und die "neue Welt"
hervorgerufen haben mögen. Sein für den Überlebenskampf in dieser neuen Welt denkbar schlecht gerüsteter
"europäischer Mittelschüler" ist dem Kampf zwischen Ich und Autorität vielleicht noch
hilfloser ausgeliefert als andere Figuren und sein Amerika nicht weniger "Zeichnung der Welt, wie sie nicht
sein sollte" (Günter Anders) als andere Orte Kafkas. Eine Tagebuchnotiz aus dem Jahr 1915 belegt, dass
"Rossmann und K. (im "Prozeß"), der Schuldlose und der Schuldige, schließlich beide
strafweise umgebracht werden". Max Brod schuf auch die erste Bühnenfassung des Werks. Helmut Bergers
neue Bearbeitung für das Volkstheater folgt Kafkas Text und sucht nicht Interpretationen, sondern Assoziationen,
geht nicht auf die Bühne, sondern ins Theater, in den Zuschauerraum, sucht nicht das Drama, sondern versucht,
Kafkas Text sinnlich umzusetzen und erfahrbar zu machen.
Premiere Montag, 24. Mai 2004, 19.30 Uhr
Karl Xaver Hutter Heizer/Green/Oberportier Karl Ferdinand Kratzl Kapitän/Pollunder Uwe Falkenbach Oberkassier/Mack/Delamarche
Günter Franzmeier Senator/Oberkellner/Student Hannes Gastinger Schubal/Robinson Thomas Kamper Klara/Therese/Engel
Vivien Löschner Diener bei Pollunder/Kellner Klaus Tauber Oberköchin/Brunelda Gabriele Schuchter
Inszenierung Helmut Berger Bühne Gudrun Kampl Lichtdesign Klaus Tauber Musik Martina Cizek Dramaturgie Ingrid
Rencher
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