Erste demokratische Wahlen in Wien vor 85 Jahren  

erstellt am
04. 05. 04

Erstmals demokratisch gewählter Wiener Gemeinderat durch allgemeines, gleiches und direktes Stimmrecht am 4. Mai 1919
Wien (rk) - Mit der Ausrufung der Republik am 12. November 1918 gab es grundlegende Änderungen in den verschiedensten politischen Strukturen Österreichs. Eine solche Auswirkung traf auch auf Wien zu. Im Gegensatz zum Reichsrat gab es bei den Gemeindevertretungen und auch beim Wiener Gemeinderat noch immer ein beschränktes und ungleiches Wahlrecht. Der damalige neue Staatsrat wies daher die Gemeindevertretungen, wie auch den damaligen christlichsozialen Wiener Bürgermeister, Dr. Weiskirchner, an, den Wiener Gemeinderat bis zur Ausschreibung von Neuwahlen durch Vertreter aus der Arbeiterschaft zu ergänzen. So kam es nach entsprechenden Verhandlungen zwischen den Parteien zu einer neuen provisorischen Zusammensetzung des Gemeinderates. Die provisorische Zusammensetzung brachte folgendes Verhandlungsergebnis: Von den 165 Mandaten erhielten die Christlichsozialen 84, die Sozialdemokraten 60, die Deutschfreiheitlichen 19 und die Deutschnationalen 2 Mandate.

Ebenfalls gab es Veränderungen in den 21 Bezirksvertretungen. Am 6. März 1919 beschloss dann der Wiener Gemeinderat die Demokratisierung des Wahlrechtes. Festgelegt wurden weiterhin 165 Gemeinderatsmandate, die Funktionsperiode mit fünf Jahren. Die Wahl erfolgte nach Gemeindebezirken, wobei die zu vergebenden Mandate nach dem Verhältnis der Wählerzahl jedes einzelnen Bezirks zur Gesamtzahl der Wähler aller Bezirke aufgeteilt wurden.

Ebenfalls entschieden wurde, dass auf Basis der neuen demokratischen Wahlordnung am 4. Mai 1919 eine Wahl - also vor genau 85 Jahren - stattfinden sollte. Das Ergebnis war folgendes: Von 165 Gemeinderatsmandaten entfielen 100 auf die SDAP, 50 auf die Christlichsozialen, 8 auf die tschechoslowakische Partei, je 3 auf die Deutschnationalen und Jüdischnationalen sowie 1 Mandat auf die Demokraten. Auch die Bezirksvertretungswahlen stellten die bisherigen Mehrheitsverhältnisse auf den Kopf: Von 630 Mandaten konnte die Sozialdemokratie 339 auf sich vereinigen.

Wien feiert daher - so 1. Landtagspräsident Hatzl - den 85. Geburtstag des demokratischen allgemeinen Wahlrechts für die Wienerinnen und Wiener. Wobei man festhalten muss, dass es im Zeitraum von 85 Jahren, 11 Jahre - 1934 bis 1945 - keine Wahlen gab, weil es den Wienerinnen und Wienern nicht gestattet war demokratisch, frei, geheim und unabhängig ihre politischen Vertreter zu bestimmen.

Bei allen freien und demokratischen Wahlen seit 1919 gab es in Wien immer ein Wahlergebnis, das die Sozialdemokraten als die überwiegend stärkste Partei und damit mit der Funktion des Bürgermeisters und der regierenden Partei auswies.
     
zurück