Schönborn: Versöhnung und Wiederentdeckung der Seele Europas  

erstellt am
17. 05. 04

Kardinal Schönborn betont beim Medienempfang die zentralen Themen des Mitteleuropäischen Katholikentags - "Dialog des Alltags" mit dem Islam ist möglich und notwendig
Wien (kath.net / PEW) - Im Zeichen des Mitteleuropäischen Katholikentags stand am Donnerstagabend (13. 05.) der traditionelle Medienempfang von Kardinal Christoph Schönborn im Wiener Erzbischöflichen Palais. Wenige Tage vor der "Wallfahrt der Völker" nach Mariazell betonte der Wiener Erzbischof die Versöhnung zwischen den Menschen, die Wiederentdeckung der Seele Europas und die Bereitschaft der Christen, am Bauplatz Europa mit "Hirn, Herz und Hand" mitzutun, als die drei zentralen Themen des Mitteleuropäischen Katholikentags und der Wallfahrt nach Mariazell in der kommenden Woche.
"Tagtäglich werden wir mit Schreckensbildern konfrontiert, die der menschlichen Würde Hohn sprechen", sagte Kardinal Schönborn angesichts der Fernsehbilder aus den Krisengebieten der Welt. 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei vieles wieder ins Rutschen gekommen. Christen seien aber überzeugt, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen wurde, und deshalb eine unzerstörbare Würde und unverlierbare, angeborene Rechte habe. "Menschliche Würde, Menschenrechte, das Gemeinwohl sind Kategorien, um die sich Christen aktiv und intensiv zu kümmern haben", forderte der Wiener Erzbischof. Eine Sorge der Pilger in Mariazell werde es deshalb sein, "für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten und zu beten".

Es könne "keinen Frieden ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung und Versöhnung" geben, unterstrich Kardinal Schönborn. Gerade in den acht Teilnehmerländern des Mitteleuropäischen Katholikentages sei man sich bewusst, wie viel Unheil es durch unversöhnliche Ideologien geben kann. Spuren dieses Unheils würden in den Köpfen und Seelen immer noch nachwirken. "Es ist wichtig, den Anderen als den kennen zu lernen, der genauso Mensch ist wie ich, ob er nun tschechisch, österreichisch, slowakisch oder ungarisch in seiner Landeszugehörigkeit ist", sagte Kardinal Schönborn.

Christen fühlen sich dem Gemeinwohl verpflichtet

Die Kirche engagiere sich für die europäische Integration aus Sorge um das Gemeinwohl, so Kardinal Schönborn: "Christen haben sich immer dem Gemeinwohl verpflichtet gefühlt, weil es Voraussetzung dafür ist, dass Menschen in Frieden, in Gerechtigkeit und mit guten Lebenschancen leben können". Wer ein wenig auf die europäische Geschichte schaue, wisse, "wie dringend notwendig es war, dass Europa die Zerklüftung der Nationalismen, der Ideologien überwindet". Die europäische Integration könne nicht nur eine Frage der Wirtschaft sein, sondern sie müsse auch von einer geistigen Idee getragen werden, betonte Kardinal Schönborn.

Dass Papst Johannes Paul II. nicht an der "Wallfahrt der Völker" teilnehmen kann, stimmt Kardinal Schönborn zwar traurig, er habe dafür aber Verständnis: "Die drei letzten Reisen des Heiligen Vaters gingen in Teilnehmerländer des Mitteleuropäischen Katholikentages: nach Bosnien, Kroatien und in die Slowakei". Der Papst sei schon drei mal in Österreich gewesen, in der Schweiz erst ein mal vor über 20 Jahren. Dass Johannes Paul II. in die Schweiz fahre, sei vielleicht ein ermutigendes Zeichen für ein Land, in dem die katholische Kirche auf einem sehr schwierigen Boden stehe, sagte Kardinal Schönborn. Zu den Medienspekulationen über angebliche Hintergründe für die Nichtanwesenheit von Johannes Paul II. in Mariazell sagte der Wiener Erzbischof wörtlich: "Diese Spekulationen richten sich selbst".

"Falsche Prophetie"

Kardinal Schönborn traf beim Medienempfang auch Klarstellungen im Hinblick auf das Verhältnis zum Islam. "Der Islam ist auch ein europäisches Phänomen", erinnerte der Wiener Erzbischof, der das Wort vom "Clash of Civilizations" wörtlich als "falsche Prophetie" bezeichnete. Mit oder ohne Türkei sei in der Europäischen Gemeinschaft mit einer wachsenden Zahl von Muslimen zu rechnen. "Muslime in Europa sind unsere Mitbürger, unsere Nachbarn, Arbeitskollegen und Freunde. Ist der ruhige Nachbar, der hier in Österreich ein friedliches Leben mit seinen Kindern führen will, ein Feind, nur weil er Muslim ist", fragte Kardinal Schönborn.

Christen und Muslime schauten beide auf Abraham als den Vater des Glaubens, "in einer unterschiedlichen Perspektive, aber auch in einer nicht zu leugnenden Gemeinsamkeit". Der theologische Dialog mit Muslimen sei schwierig, aber "der Dialog des Alltags von Mensch zu Mensch, von Nachbar zu Nachbar" sei möglich und notwendig, unterstrich Kardinal Schönborn. Man dürfe sich davon auch durch die schrecklichen Bildern des Terrors nicht abbringen lassen. Auch in Mariazell würden immer wieder Muslime beten, die Maria lieben. "Die 'Wallfahrt der Völker' soll deshalb auch in diese Richtung eine ausgestreckte Hand sein", sagte Kardinal Christoph Schönborn.
     
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