Aufarbeitung der Vergangenheit  

erstellt am
14. 05. 04

 Gusenbauer: Schonungslose Aufarbeitung der Vergangenheit bleibt keinem Land erspart
Wien (sk) - "Ich will, dass die Sozialdemokratie die Vergangenheit 'einigermaßen anständig' aufarbeitet", sagte SPÖ-Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer in der BSA-Veranstaltung "Vergessen, verurteilen - oder Wahrheit suchen?" am Mittwochabend (12. 05.). Solange das "schlechte Gewissen" noch vorhanden sei, werde man die Vergangenheit nicht verarbeiten können, zeigte sich Gusenbauer überzeugt - daher trete er auch dafür ein, dass die "braunen Flecken" innerhalb der Sozialdemokratie untersucht werden. In dieser letzten Veranstaltung der Reihe "Der Wille zum aufrechten Gang" setzten sich weiters Univ. Prof. Dr. Gerhard Botz (Institut für Zeitgeschichte) und Adv. Nkosinati S. Memela (Erster Sekretär, Südafrikanische Botschaft) mit der Thematik auseinander. BSA-Präsident Caspar Einem übernahm die Präsentation; Andreas Schwarcz moderierte die Veranstaltung.

Vor vier Jahren habe sich die SPÖ die Aufgabe gestellt, sich mit den "braunen Flecken" in der Sozialdemokratie auseinander zu setzen, sagte Gusenbauer. In diesem Zusammenhang wurde zuerst die Historikerkommission beauftragt, um die "Übertragung der Vermögensverhältnisse" zu erforschen. Danach wurde im Rahmen der "personellen Kontinuität und Diskontinuität" untersucht, welche ehemaligen NSDAP-Mitglieder in der Sozialdemokratie Unterschlupf fanden, und die dritte Auseinandersetzung bezog sich auf die Frage, welche "Lehren aus dem Fortgang der Geschichte" gezogen wurden, erklärte Gusenbauer. Durch die parlamentarische Demokratie und mit der Etablierung des Rechtsstaates wurden die richtigen Konsequenzen gezogen, so Gusenbauer - jetzt gehe es um die Frage, welche "Konsequenzen aus der Aufarbeitung der Geschichte" gezogen werden".

Die Überwindung der Vergangenheit nach 1945 bezog sich nicht auf die "Zeit von 1938 bis 1945", sondern auch die Zeit bis 1934, kritisierte Gusenbauer. So sei in den 1970er Jahren nicht die Aussöhnung von "Opfer und Täter der Nazi-Zeit" im Mittelpunkt gestanden, sondern die Konzentration sei auf den Kräften gelegen, die sich "im Bürgerkrieg des Jahres 1934" gegenüberstanden. Gusenbauer: "Die Überwindung der Vergangenheit bezog sich auf die falsche Zeit."

Freilich waren die Opfer des nationalsozialistischen Regimes entweder tot oder sie befanden sich Exil, erinnerte Gusenbauer. In Österreich wurde danach mit den "Mitteln der strukturellen Gewalt" ein Prozess der "gewaltsamen Verdrängung" in die Wege geleitet, so der Parteichef: "Nicht die Täter, sondern die Opfer der Nazis waren gesellschaftlich diskreditiert." Hinsichtlich des Massenphänomens Nationalsozialismus, wo ein Drittel der (männlichen) Bevölkerung in der "nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie" involviert war, wurden die Opfer dem gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, die "Vergangenheit nicht zu thematisieren", kritisierte Gusenbauer.

Dass es innerhalb der Sozialdemokratie keine "Politik der aktiven Rückholung" gab, wurde von Gusenbauer als "Sündenfall" bezeichnet. Viele Sozialdemokraten, die zwischen 1934 und 1938 das Land verlassen mussten, befanden sich im Ausland im Exil: "Nach 1945 gab es einen eklatanten Mangel an 'Führungskräften' im Land. Und da es keine aktive Einladung gab, blieb das intellektuelle Potential auch meist im Ausland." Die in Österreich zu Verfügung stehenden 'Führungskräfte' waren demnach entweder ehemalige NSDAP-Mitglieder oder sie kamen aus konservativen Kreisen, so Gusenbauer: "Die Sozialdemokratie mit ihrem großen personellen Aderlass verfügte nicht um über das geeignete Personal, um regieren zu können." In diesem Zusammenhang wollten die Großparteien den VdU instrumentalisieren. "In den ersten 15 Jahren der Zweiten Republik hat es ein politisch-strategisches Spiel mit dem nationalsozialistischen Lager gegeben", erinnerte Gusenbauer und betonte, dass er die Frage, ob dieses "Spiel" eine notwendige Voraussetzung zur Bildung der Nation war, mit einem "großen Fragezeichen" versehen möchte.

Caspar Einem wies abschließend darauf hin, dass es einen Schlussbericht "zur Rolle des BSA bei der gesellschaftlichen Integration ehemaliger Nationalsozialisten" geben werde. Die SPÖ werde mit den Ergebnissen ihrer Forschung im Herbst an die Öffentlichkeit treten, Teile des Berichtes sollen online publiziert und der Endbericht werde in Buchform erscheinen.

 

Tancsits: SPÖ tut gut daran, eigene Vergangenheit aufzuarbeiten
Wien (övp-pk) - "Es ist interessant, dass die SPÖ nun anscheinend damit beginnt, ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten", sagte ÖVP-Sozialsprecher Abg.z.NR Mag. Walter Tancsits am Donnerstag (13. 05.) zu den jüngsten Aussagen des SPÖ- Parteivorsitzenden Alfred Gusenbauer.

"Besonders gespannt" ist Tancsits auf den von BSA-Präsident Caspar Einem angekündigten Bericht über die Rolle des BSA bei der gesellschaftlichen Integration von ehemaligen Nationalsozialisten. "Dieser Bericht wird, sollte er vollständig sein, für einiges Aufsehen in der Öffentlichkeit sorgen", sagte Tancsits. Denn es sei zu erwarten, dass er Informationen enthalte, die der Bevölkerung bisher weitgehend unbekannt waren. Vor allem weil seitens der SPÖ lange Zeit kein Interesse bestanden habe, diese, ihre eigene Parteigeschichte aufzuarbeiten. "Da war es schon einfacher, die Schuld und das Vergehen bei allen anderen zu suchen", so Tancsits, der in diesem Zusammenhang auch an die Proteste rund um die Regierungsbildung im Jahr 2000 erinnerte. "Damals haben auch Vertreter aus dem SPÖ-Umfeld in das Widerstandsgeheul eingestimmt, obwohl es um nichts anderes ging, als einen ganz normalen demokratischen Vorgang. Nämlich die Bildung einer Regierungskoalition zwischen zwei Parteien, die gemeinsam über eine Mehrheit im Nationalrat verfügen", so Tancsits.

"Jedenfalls nehmen wir die Aussagen seitens der SPÖ zur Kenntnis und werden sie, sollten sich die Vertreter dieser Partei wieder einmal als Richter über andere Menschen aufschwingen wollen, in Erinnerung rufen", so Tancsits abschließend.
     

 Wir versuchen prinzipiell, an dieser Stelle Aussendungen
aller der vier im Parlament vertretenen Parteien aufzunehmen

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