Nach der Erweiterung: Kommission verlieht der Europäischen Nachbarschaftspolitik neue Impulse  

erstellt am
14. 05. 04

Brüssel (eu-int) - Heute schlug die Europäische Kommission konkrete Schritte vor, um zu gewährleisten, dass nach der historischen Erweiterung am 1. Mai keine neuen Trennlinien zwischen der EU und ihren Nachbarn entstehen. Nachdem sie bereits im vergangenen Jahr die Leitlinien der Europäischen Nachbarschaftspolitik definiert hatte, verabschiedete die Kommission nun ein "Strategiepapier", in dem aufgezeigt wird, wie die Vorteile der Erweiterung, nämlich Frieden, Stabilität und Wohlstand, auch den Nachbarn der erweiterten Union zugute kommen können. Sie verabschiedete auch eine Reihe von Berichten, in denen die Lage in einigen der betroffenen Ländern bewertet wird. Nun liegt es an dem Rat, Schlussfolgerungen über das weitere Vorgehen zu formulieren.

"Durch diese Erweiterung sind wir unseren Nachbarn in Osteuropa und dem Mittelmeerraum viel näher gerückt," sagte dazu Günter Verheugen, der für die Erweiterung und die Europäische Nachbarschaftspolitik zuständige Kommissar. "Heute schlagen wir vor, durch eine ganze Palette neuer Formen der Kooperation und Unterstützung unsere Beziehungen zu diesen Partnerländern zu stärken. Nach unserem Willen sollen sie an den Vorteilen der erweiterten EU teilhaben, damit auch bei ihnen Entwicklung und Wohlstand gefördert werden. Ein Ring verantwortungsvoll regierter Staaten um die EU herum bietet neue Perspektiven für Demokratie und Wirtschaftswachstum und ist daher im Interesse ganz Europas."

Hintergrund
Im März 2003 legte die Kommission die Mitteilung "Größeres Europa Nachbarschaft: ein neuer Rahmen für die Beziehungen der EU zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn" vor, in der sie die Grundzüge der Europäischen Nachbarschaftspolitik erläuterte. Im Oktober 2003 begrüßte der Europäische Rat diese Mitteilung und forderte die Kommission und den Rat auf, diese Initiative weiterzuentwickeln.

Seitdem hat die Kommission Sondierungsgespräche mit den Partnerländern in Osteuropa und dem Mittelmeerraum(1) geführt, deren Assoziationsabkommen bzw. Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU bereits in Kraft getreten sind. Bei diesen Gesprächen bestätigte die Partnerländer ihr Interesse an der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) und äußerten ihre Meinung zu den Prioritäten, die bei der Ausarbeitung der vorgesehenen ENP-Aktionspläne berücksichtigt werden sollten. Berichte über die derzeitige Lage in diesen Ländern und ihre Zusammenarbeit mit der EU sind der neuen Mitteilung angehängt.

Dieser Prozess soll schrittweise auch auf die Länder ausgeweitet werden, die inzwischen ihre Assoziationsabkommen ratifiziert haben. Dies gilt in erster Linie für Ägypten und Libanon.

Grundsätze und Geltungsbereich
Ziel der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) ist es, die Vorteile der Erweiterung, nämlich Stabilität, Sicherheit und Wohlstand, mit den Nachbarländern der EU zu teilen, jedoch in einer anderen Form als durch die EU-Mitgliedschaft. Damit soll das Entstehen neuer Trennlinien zwischen der erweiterten Union und ihren Nachbarn verhindert und diesen Ländern die Möglichkeit geboten werden, durch eine enge politische, sicherheitspolitische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit an verschiedenen Aktivitäten der EU teilzunehmen. Die ENP soll auch zur Verwirklichung eines zentralen Ziels der im Dezember 2002 von der EU beschlossenen Europäischen Sicherheitsstrategie, nämlich der Förderung der Sicherheit in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU, beitragen.

Die ENP richtet sich an die Nachbarländer der EU und insbesondere an diejenigen, die infolge der Erweiterung an die EU näher herangerückt sind. Dies gilt in Europa für Russland, Ukraine, Belarus und Moldau. Die EU und Russland haben beschlossen, ihre strategische Partnerschaft durch die Einrichtung von "vier gemeinsamen Räumen" auszubauen, die beim EU-Russland-Gipfel im Mai 2003 in St. Petersburg festgelegt wurden. Im Mittelmeerraum richtet sich die ENP an alle nicht der EU angehörenden Teilnehmer an der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft(2) (auch "Barcelona-Prozess" genannt) mit Ausnahme der Türkei, die ihre Beziehungen zur EU im Rahmen einer Vorbeitrittspolitik pflegt. Die Kommission schlägt vor, dass der geographische Geltungsbereich der ENP auch auf Armenien, Aserbaidschan und Georgien ausgedehnt wird. Im Rahmen der im Dezember 2003 vom Europäischen Rat verabschiedeten Europäischen Sicherheitspolitik gilt der südliche Kaukasus ausdrücklich als eine Region, an der die EU ein "stärkeres und aktiveres Interesse" zeigen sollte.

Ein maßgeschneidertes Konzept.
In der heute verabschiedeten Mitteilung schlägt die Kommission eine Methode vor, um die Ziele der Europäischen Nachbarschaftspolitik zu verwirklichen. Danach sollen gemeinsam mit den Partnerländern Prioritäten festgelegt und in gemeinsam ausgearbeitete Aktionspläne aufgenommen werden mit dem Ziel, die Länder soweit wie möglich der Europäischen Union anzunähern.

Die Aktionspläne beruhen auf einem Bekenntnis zu gemeinsamen Werten, d.h. Achtung der Menschenrechte, einschließlich der Minderheitenrechte, verantwortungsvoller Staatsführung, Förderung gutnachbarlicher Beziehungen und den Gründsätzen der Marktwirtschaft und der nachhaltigen Entwicklung, sowie zu bestimmten zentralen außenpolitischen Zielen. Das Tempo, mit dem die EU ihre Beziehungen zu jedem Partnerland ausbaut, wird davon abhängen, inwiefern diese Werte tatsächlich geteilt werden. In den Aktionsplänen werden zahlreiche prioritäre Maßnahmen festgelegt werden, um das Engagement für diese Werte zu stärken.

Die Aktionspläne werden auch eine Reihe anderer Schlüsselbereiche umfassen. Dazu gehören u.a.:

  • der politische Dialog zu wichtigen Fragen wie der Bekämpfung des Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie den Bemühungen um Beilegung regionaler Konflikte;
  • wirtschaftliche und soziale Entwicklung: Hier soll den Nachbarländern die Aussicht auf Teilhabe am EU-Binnenmarkt auf der Grundlage einer Angleichung des Rechts- und Regelungsrahmens, auf Teilnahme an einer Reihe von EU-Programmen (in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Forschung und Innovation) und auf eine bessere physische Vernetzung mit der EU (z.B. in den Bereichen Energie, Verkehr, Umwelt und Informationsgesellschaft) geboten werden;


Handel: Die ENP sieht eine stärkere Marktöffnung gemäß den Grundsätzen der WTO und durch Konvergenz mit den Normen der EU vor;

Justiz und Inneres: enge Zusammenarbeit in den Bereichen Grenzverwaltung und Migration sowie bei der Bekämpfung des Terrorismus, des Menschen-, Drogen- und Waffenhandels, der organisierten Kriminalität, der Geldwäsche und der Finanz- und Wirtschaftskriminalität.

Bei den Aktionsplänen gilt der Grundsatz der Differenzierung, d.h. sie werden gezielt auf die bestehenden Beziehungen zum jeweiligen Partnerland, auf dessen Bedürfnisse und Kapazitäten sowie auf die gemeinsamen Interessen zugeschnitten. Sie werden von der Kommission vorgelegt und vom jeweiligen Kooperations- bzw. Assoziationsrat genehmigt werden.

In den Aktionsplänen wird festgelegt, wie es in den nächsten drei bis fünf Jahren weitergehen soll. Der nächste Schritt könnte die Aushandlung Europäischer Nachbarschaftsabkommen sein, um die bilateralen Abkommen der jetzigen Generation zu ersetzen, wenn die Prioritäten der Aktionspläne erfüllt sind.

Ein neues Finanzierungsinstrument zur Unterstützung der ENP
Die Prioritäten der Aktionspläne dienen als Richtschnur für die finanzielle Unterstützung der Partnerländer durch die EU. Die Unterstützung im Rahmen der bestehenden Programme vor allem TACIS und MEDA soll ab 2007 durch ein neues Finanzierungsinstrument, das Europäische Nachbarschaftsinstrument, ergänzt werden, bei dem der Schwerpunkt auf der Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit an der Außengrenze der erweiterten EU liegen wird.

Über den Zeitraum 2004-2006 sollen zur Finanzierung der ENP insgesamt 255 Mio. € aus den Mitteln der Programme der EU-Außenhilfe bereitgestellt werden. Hinzu kommen rund 700 Mio. € aus dem Interreg-Programm zugunsten der entsprechenden Grenzgebiete innerhalb der EU. Die Kommission wird vorschlagen, dass im Rahmen der nächsten finanziellen Vorausschau die jährliche Mittelzuweisung für das Europäische Nachbarschaftsinstrument gegenüber den Mittelzuweisungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Jahren 2004-2006 erheblich aufgestockt wird.

Engere regionale Zusammenarbeit
Die Europäische Nachbarschaftspolitik legt großen Wert auf die Förderung der regionalen und subregionalen Zusammenarbeit. Durch Ausbau der verschiedenen Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit können die EU und ihre Partner gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die EU-Erweiterung auch den Grenzregionen zugute kommt. Ferner wird die ENP insbesondere durch Förderung von Infrastrukturzusammenschlüssen und Vernetzung (vor allem im Energiebereich) die Teilnehmer im Süden ermutigen, die Vorteile der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft vollständig auszuschöpfen und neue Formen der Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn zu entwickeln.

Nächste Schritte
Die Kommission wird die Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament weiterleiten. Auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des Rats wird die Kommission mit der Umsetzung der ENP nach den Vorgaben des Strategiepapiers beginnen. Sie wird in den kommenden Monaten in Abstimmung mit der Präsidentschaft und dem Hohen Vertreter die Sondierungsgespräche mit den betreffenden Ländern abschließen und die Entwürfe der Aktionspläne vorlegen.

Für weitere Informationen über die Europäische Nachbarschaftspolitik siehe:
http://europa.eu.int/comm/world/enp/index_en.htm

(1) Israel, Jordanien, Moldau, Marokko, Palästinensische Behörde, Tunesien und Ukraine

(2) Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien, Tunesien sowie die Palästinensische Behörde.

     
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