Gusenbauer:
SPÖ will eine gefestigte und soziale EU
Die EU ist nicht reif für einen Beitritt der Türkei - EWR plus/minus als Option
für Türkei
Wien (sk) - Bei der Diskussion über einen EU-Beitritt der Türkei sieht SPÖ-Vorsitzender
Alfred Gusenbauer folgenden Kernpunkt: Soll die EU eine gefestigte Union sein mit einem starken sozialen Aspekt
oder eine reine Freihandelszone? Die SPÖ tritt, wie Gusenbauer am Dienstag (11. 05.)
in einer Pressekonferenz betonte, nachdrücklich für die erstere Antwort ein - und damit gegen einen Beitritt
der Türkei. Es sei legitim und notwendig, dass gerade vor den Wahlen zum Europäischen Parlament diese
Frage thematisiert werde. Gusenbauer hat daher kein Verständnis dafür, dass Kanzler Schüssel gestern
diese Diskussion als eine "Themenverfehlung" abqualifizieren wollte.
In diesem Zusammenhang merkte Gusenbauer auch an, dass außer Schüssel niemand davon gesprochen habe,
dass die EU-Wahlen ein "Volksabstimmung über den Beitritt der Türkei" würden. Gusenbauer
beharrt aber darauf, dass in dieser Diskussion eine "Kernpunkt für die Zukunft Europas" angesprochen
ist. Einen EU-Beitritt der Türkei aus religiösen oder ethnischen Gründen abzulehnen, sei für
ihn vollkommen falsch, so Gusenbauer, weil es dabei um die Frage gehe, welches Modell einer Europäischen Union
angestrebt werde.
"Die Kernfrage ist, welches Europa wollen wir. Will man ein Europa, wo man sagt, es reicht, wenn das eine
Freihandelszone ist, wo man auf die soziale, ökonomische und politische Integration verzichtet, oder will
man ein soziales, gefestigtes Europa, das auch hoch integriert ist und stark zusammenarbeitet. Hier ist die Position
der Sozialdemokratie glasklar. Wir sind immer für ein gefestigtes, starkes, soziales, hoch integriertes Europa
gestanden."
Gusenbauer gibt zu bedenken, dass es bei der europäischen Integration zahlreiche "Baustellen" gebe;
so sei die Finanzierung ungelöst und die jüngste Erweiterungsrunde sei schlecht vorbereitet worden. Die
Frage sei, ob die EU reif für die Türkei sei und ob die Türkei reif für die EU sei, so Gusenbauer.
Seine Antwort: Eine Union, die sich mit 25 Mitgliedern nicht gefestigt hat, sei eben nicht reif dafür.
Insgesamt kritisierte Gusenbauer die Politik der EU gegenüber der Türkei als ein "Musterbeispiel
für eine verfehlte und verlogene Europapolitik". Seit Jahrzehnten würden der Türkei aus Taktik
oder Opportunität Versprechungen gemacht. Dazu Gusenbauer: "Die EU muss sich darauf besinnen, was sie
will und was sie kann." In dem Zusammenhang erteilte Gusenbauer auch der Vorstellung eine Absage, dass alle
europäischen Staaten der EU beitreten können.
Nach Gusenbauers Vorstellung werde es einen in der EU hochintegrierten Teil Europas geben - und nur jene Staaten,
die das hohe Niveau der Zusammenarbeit leisten können, können Mitglied der Union sein. Mit den anderen
europäischen Staaten solle es eine Zusammenarbeit etwa im Rahmen des EWR geben, dabei könne weiter nach
EWR plus/minus differenziert werden. |
Lopatka: Schluss mit unnötiger Angstmacherei, Herr Gusenbauer!
Gusenbauer möge mit Gerhard Schröder und Heinz Fischer reden
Wien (övp-pk) - "Es scheint, als hätte Gusenbauer mit der Türkei ein geeignetes
Thema gefunden, um seine Politik des Angstmachens und des Polemisierens auch im Rahmen der EU-Wahl ungeniert fortzusetzen",
so ÖVP-Generalsekretär Abg.z.NR Dr. Reinhold Lopatka am Dienstag (11. 05.)
zu Gusenbauers Kritik an Bundeskanzler Schüssel. "Die Haltung Gusenbauers in der Türkei- Frage ist
ein weiterer Beweis für den Zick-Zack-Kurs der SPÖ."
Noch vor einem Jahr sprach sich Hannes Swoboda für einen Beitritt der Türkei aus. "Ein EU-Beitritt
der Türkei würde diese aus den Klauen der USA bringen und wäre auch für Europa von Vorteil",
sagte der Delegationsleiter der SPÖ in einer Aussendung. "Nun folgt Swoboda dem Zick-Zack-Kurs Gusenbauers
und spricht sich im Rahmen eines SPÖ-Wahlkampfmanövers auch gegen den Beitritt der Türkei aus",
so Lopatka. Auch wenn die Aussagen Gusenbauers darauf schließen lassen, dass es für die SPÖ mangels
anderer Themen am 13. Juni nun um den EU-Beitritt der Türkei geht, sieht die Realität anders aus. "Wir
wollen den Bürgern Angst nehmen und Mut machen. Die Frage eines Türkei-Beitritts stellt sich nicht, Europa
hat die aktuelle Erweiterung zu verkraften. Die Türkei ist in keinster Weise in der Nähe eines EU-Beitritts.
Gusenbauer möge mit Genossen Schröder, dem massivsten Befürworter eines Türkei-Beitritts, reden.
In Österreich hat sich zuletzt nur sein bisheriger Vize-Parteichef Heinz Fischer für einen Türkei-Beitritt
ausgesprochen. Auch mit ihm sollte Gusenbauer ins Gespräch kommen", so der ÖVP-Generalsekretär.
Ebenso wies Lopatka die Kritik an der EU-Erweiterung zurück. "Primär sei die EU-Erweiterung das
größte Friedensprojekt Europas dieser Zeit und ein Beitrag für mehr Sicherheit, Stabilität,
Gerechtigkeit und Demokratie." Es gäbe daher keinen Grund, der Bevölkerung diesbezüglich Angst
zu machen. "In den Beitrittsverträgen sind jene Übergangsbestimmungen festgehalten (Dienstleistungsverkehr,
Arbeitnehmerfreizügigkeit, Warenverkehr, Euro, Schengen-Grenzkontrollen, Förderungen), die dafür
Sorge tragen sollen, dass die bestehenden Unterschiede nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen."
"Am 13. Juni geht es darum, wer die Interessen Österreichs in den nächsten Jahren erfolgreich und
kompetent im Europäischen Parlament vertritt", so Lopatka abschließend. |