20. Mai – 1. August 2004 MUMOK Factory
Wien (mumok) - Um sie ranken sich oft Mythengeschichten – KünstlerInnen, die sich nach kurzen,
bedeutenden Werkperioden aus dem System Kunst verabschiedet haben. Die Gründe sind vielfältig: von der
bewussten oder unbewusst motivierten Entscheidung einzelner KünstlerInnen, die künstlerische Arbeit aufzugeben
bis zu ökonomischen, sozialen, privaten oder anderen Zwängen. Dabei geht es neben Kriterien für
die eigene Produktion auch um solche von Selbstverständnis, Kompetenz, Positionierung und Erfolg.
Explizit belegen Manifeste oder Tagebücher den Ausstieg aus der Kunst, etwa bei Lee Lozano oder Charlotte
Posenenske. Die in New York in den sechziger Jahren erfolgreiche konzeptuelle Malerin Lee Lozano, der derzeit eine
Einzelausstellung im renommierten P.S.1 MoMa gewidmet ist, vollzog den konsequenten Ausstieg aus der Kunst in ihren
so genannten „language pieces“ (tagebuchartige Eintragungen mit an sich selbst gerichteten Handlungsanweisungen).
Charlotte Posenenske, die derzeit ebenfalls eine Wiederentdeckung erfährt – geplant ist eine Retrospektive
anlässlich ihres 20. Todestages in Deutschland und Österreich – gab die Kunst zugunsten der Soziologie
auf, in der sie eine Lösung gesellschaftlicher Probleme suchte, die sie in der Kunst vermisste: „Es fällt
mir schwer, mich damit abzufinden, dass Kunst nichts zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme
beitragen kann“, lautete der letzte Satz in ihrem Statement vom Mai 1968, in dem sie ihren Entschluss begründete.
Darüber hinaus sind interessante, von Fluxus und Happening beeinflusste Werke von Verena Pfisterer zu sehen,
die den Kunstbegriff der sechziger Jahre als zu einengend empfand, um sich damit an den gesellschaftlichen Umbrüchen
beteiligen zu können.
Konrad Lueg, der mit Gerhard Richter und Sigmar Polke seine ersten Ausstellungen bestritt, wollte seine Künstlerkarriere
für kurze Zeit zugunsten der Errichtung eines Modells einer neuartigen Galerie für Düsseldorf unterbrechen.
Doch es kam zu einer Unterbrechung auf Lebenszeit und zur Gründung der renommierten Konrad Fischer Galerie.
Die Prager Performer Petr ©tembera, Karel Miler und Jan Mlèoch wechselten nach sehr erfolgreicher internationaler
Karriere, erschöpft und uninteressiert am aufstrebenden Kunstmarkt, auf die andere Seite und sind als Museumskuratoren
tätig. Der kroatische Konzeptkünstler Goran Trbuljak betrieb seine Arbeit so konsequent, dass sein Ausstieg
als logische Konsequenz erschien und startete eine zweite Karriere als Filmer.
Weiters präsentiert kurze Karrieren Arbeiten der Laibacher Gruppe OHO, die sehr früh mit Land Art-Konzepten,
Performances und konzeptueller Kunst Aufmerksamkeit erfuhr und die Landkommune Sempas gründete, sowie der
deutschen Künstlerin Hilka Nordhausen, die nach einer Phase konzeptueller Zeichnung in Hamburg die „Buch Handlung
Welt“ eröffnete.
Der Amerikaner Stephen Kaltenbach hinterfragte in seinen Werken der späten sechziger Jahre den Status des
traditionellen Kunstwerks und erläuterte auch theoretische Fragen der Konzeptkunst. Ebenfalls zu sehen sind
Exponate von Christine Kozlov, die als Pionierin der Konzeptkunst gilt und in New York mit Joseph Kosuth „The Museum
of Normal Art“ gründete.
Generell werden die Freiräume, die für die Kunst und das KünstlerInnen-dasein notwendig sind, durch
dichter werdende Funktionsprofile, die einerseits vom Markt abhängig sind und andererseits von den hegemonialen
Institutionen hergestellt werden, bestimmt. kurze Karrieren greift diese Problematik auf und befragt – hier im
Kontext eines Museums – auch Konsequenz und Funktion von KünstlerInnenrolle und –status.
Kuratorinnen: Susanne Neuburger und Hedwig Saxenhuber
Die Ausstellung wird von einem Katalog dokumentiert, der im Juni 2004 erscheint und Textbeiträge von Susanne
Neuburger und Hedwig Saxenhuber enthält. |