Europäisches Konzept für ökosoziale Marktwirtschaft notwendig  

erstellt am
11. 05. 04

Nationalbank-Präsidentin a.D. Maria Schaumayer referierte für VCU
St. Pölten (diözese) - Zu den Themen Währungspolitik, Weltwirtschaft und künftigen politischen Herausforderungen sprach die ehemalige Präsidentin der Österreichischen Nationalbank Dkfm. Dr. Maria Schaumayer bei einem Unternehmerabend im Sommerrefektorium des Stiftes Göttweig. Sehr deutlich forderte die Referentin einen eigenständigen Weg Europas in der Wirtschaftspolitik sowie ein Nachdenken über gesellschaftspolitische Grundsätze.

Im Rückblick auf die Jahre der zweiten Republik betonte Schaumayer die wichtige Rolle der Hartwährungspolitik bis zur Einführung des Euro: „Wir sind gut damit gefahren, auf der Stabilitätslinie zu bleiben.“ Auch jetzt müsse zum Wohle der Einkommensschwächeren die Stabilitätspolitik die große europäische politische Linie sein und bleiben.

„Unterschied zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus“
Die Ostöffnung der Europäischen Union wäre eine „Herausforderung, sich wieder einmal klar zu werden, dass zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus ein Unterschied“ bestünde, sagte die Referentin: „Marktwirtschaft ist ohne Grundwerte und ohne Demokratie nicht möglich. Kapitalismus arrangiert sich mit jeder Ideologie“, so Schaumayer: „Das haben wir im Osten gesehen. Das sehen wir leider auch im Westen.“

„Nicht die USA kopieren“
Es wäre eine der europäischen Aufgaben, sich klar zu werden, dass „Europa nicht die USA kopieren soll, sondern dass Europa die Kraft, das Hirn, aber auch das Herz entwickeln muss, wieder ein eigenes Konzept einer zeitgemäßen ökosozialen Marktwirtschaft zu definieren.“ Sie selbst habe sich immer gegen den shareholder-value und das Bilanzsystem der USA gewehrt. „Das ist Betrug am Unternehmen, an den Mitarbeitern und am Aktionär, weil ich die Quartalsbilanzen ja eh´ nur frisiere, um so gute Analysten-Reports zu bekommen“, so die ehemalige Nationalbank-Präsidentin wörtlich.

Die (Wirtschafts-)Politik sei gefordert, wieder mehr „Fragen in die Tiefe“ zu stellen. Es wäre etwa „verheerend“ für eine Marktwirtschaft, wenn es finanzielle Anreize für Entlassungen gäbe, wo man sich, wenn man die Gewinnsituation anschaut, eigentlich frage: „ Ja, ist das wirklich notwendig?“ – Man müsse diese Fragen stellen, denn „wenn wir sie nicht stellen, dann verlieren wir unser eigenes Wertefundament und werden die Märkte dennoch nicht gewinnen“.

„Auseinandersetzung mit Islam große Aufgabe“
In gesellschaftspolitischer Hinsicht konstatierte Schaumayer die Notwendigkeit, sich in Zukunft mit dem Islam auseinander zu setzen. Mit dem „Islamismus“ geschehe dies ohnehin, da dieser als Gefahr und Bedrohung gesehen werde. Aber es gehe auch um den Islam als monotheistische Religion: Kardinal Königs Verdienst wäre es gewesen, eine Gesprächsbasis unter den drei monotheistischen Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam zu schaffen. Nun müsse man diese vertiefen.

Schaumayer: „Ich glaube, da kommt eine große Aufgabe auf uns zu. Denn wir können nicht völlig darüber hinweg sehen oder hören, dass ein guter Teil des Islam dem Westen vorwirft, korrumpiert, ohne Werte zu sein, zu leben, und dass die Ablehnung westlicher Zivilisation - nicht Kultur - den Grund hat, dass man nicht angesteckt werden will. Ich meine, das muss uns irgendwo zu denken geben - in der Gesellschaftspolitik - in der Auseinandersetzung auf den großen Linien.“

„Friede muss erworben werden“
Vor allem an die jüngeren Menschen appellierte Schaumayer, nicht zu vergessen, dass der Friede nicht vom Himmel falle. „Friede muss erworben, erwirkt werden durch Gesinnung - durch Bereitschaft zu guter Nachbarschaft - und wo die Unterschiede zwischen den angrenzenden Zäunen zu groß sind, muss sie (die Gesinnung, Anm.) wohl auch teilen können. Wenn es an dieser Gesinnung fehlt, sehe ich den Frieden nicht gesichert.“
     
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