Freiheit – Ist frei sein schon Freiheit?  

erstellt am
21. 05. 04

Wien (klangbogen) - Nach dem Motto "Lust Macht Begierde" im vergangenen Jahr steht heuer das Thema Freiheit im Zentrum des Festivalprogramms. Der Musiktheater-Schwerpunkt der letzten Festival-Saisonen wird mit drei Opern-Neuproduktionen, zwei konzertanten Opern-Aufführungen und Schumanns Faust-Szenen weitergeführt. Orchesterkonzerte und Kammermusik setzen weitere Höhepunkte. Internationale Stars wie Plácido Domingo, Kurt Streit, Michael Heltau, Julian Rachlin, Rudolf Buchbinder, Valery Gergiev und die Wiener Philharmoniker garantieren musikalische Erlebnisse auf höchstem Niveau.

Plácido Domingo eröffnet den KlangBogen Wien 2004 in der Titelrolle der für ihn komponierten Oper Goya von Gian Carlo Menotti. Der Komponist hat seine Partitur in den letzten Monaten eigens für diese Neuproduktion bearbeitet. In der Oper selbst geht es um den gewissermaßen dualen Charakter des Malers Francisco de Goya, dessen Leben und Schaffen auch eine Parabel für das Streben nach Freiheit in der Kunst und in der Gesellschaft sind. Denn: Trotz wachsender Schwierigkeiten mit seinen adeligen Gönnern, die sich durch Goyas neue Werke immer stärker kritisiert fühlten, und einer drohenden Verurteilung durch die spanische Inquisition ließ sich Goya nicht von seinem künstlerischen Weg abbringen und revolutionierte die Malerei mit Meisterwerken wie Die nackte Maja oder Die Erschießung des Prinzen Pío. Andererseits fiel es ihm im persönlichen Leben weitaus schwerer, sich völlig von den gesellschaftlichen Zwängen zu befreien und sich von seinen höfischen Auftraggebern zu distanzieren.

Für die Regie zeichnet der 30-jährige Künstlerische Leiter der Königlichen Oper Kopenhagen Kasper Bech Holten verantwortlich, der im Rahmen von KlangBogen Wien 2000 einen großartigen Erfolg mit seiner Inszenierung von Jakob Lenz verbuchen konnte. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Emmanuel Villaume, der ständiger Gastdirigent an der von Plácido Domingo geleiteten Washington Opera ist.

Bei der zweiten Opernproduktion im Theater an der Wien, Bedrich Smetanas Dalibor, hat das Freiheitsstreben einen eindeutig politischen Charakter. Das aus der Volkssage stammende Sujet des Helden Dalibor, der sich gegen die Königsmacht auflehnt und die Freiheit und Rechte des Individuums bis zum Tod verteidigt, bot sich ideal für Smetanas Vorhaben an, das Modell einer ernsten, tragischen Volksoper zu schaffen.

Mit Torsten Fischer kehrt für Dalibor ein Regisseur zum KlangBogen zurück, der bereits auf zwei große Erfolge im Rahmen des Festivals zurückblicken kann: Nach dem von Publikum und Kritik gefeierten Faust von Louis Spohr 1999 war auch Massenets Don Quichotte 2002 sehr erfolgreich. Kirill Petrenko, Generalmusikdirektor an der Komischen Oper Berlin, steht zum ersten Mal im Theater an der Wien am Pult. Als einer der herausragendsten Vertreter der jungen Dirigentengeneration wird er dort auch in den nächsten Jahren häufig zu Gast sein.

John Caskens 2001 in London uraufgeführte Oper God's Liar wirft die Frage nach der Freiheit in der Religion bzw. Befreiung durch die Religion auf. In einer auf mehreren Ebenen parallel ablaufenden Handlung, die ständig zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert wechselt und dabei in einen immer schwerer trennbaren Dialog zwischen Illusion und Realität führt, werden die Protagonisten hin und hergerissen zwischen der Hoffnung auf eine Befreiung vom eigenen Luststreben durch die Religion und der Unterdrückung desselben mit Hilfe der mönchischen Askese.

Die österreichische Erstaufführung der Oper findet im Semper-Depot statt, das weiterhin als "Kultort" für zeitgenössische Oper fungiert. Die Regie bei dieser Koproduktion mit der Neuen Oper Wien liegt in den Händen von Stephan Bruckmeier, der zum ersten Mal für den KlangBogen inszeniert; Walter Kobéra dirigiert.
Auch Goethes Faust war sein Leben lang auf der Suche nach Freiheit und kam letztendlich zu dem Schluss: "Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss." Robert Schumann war der erste Komponist, der sich auch der Vertonung des zweiten Teils des Faust-Dramas widmete. Die Uraufführung eines Teils des monumentalen Werkes fand zum 100. Geburtstag des Dichters im Jahre 1849 statt, heute sind die Faust-Szenen im Konzertsaal eher selten zu hören. Sylvain Cambreling dirigiert das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg mit Dietrich Henschel, Christiane Oelze und Frode Olsen in den Hauptrollen.

Mit Blickrichtung "Mozart-Theater an der Wien" bietet der KlangBogen Wien 2004 erneut einen Mozart-Zyklus, diesmal mit zwei Solistenkonzerten und zwei konzertanten Opernaufführungen.

Die beiden Konzerte mit Instrumentalwerken von Mozart werden von den international hochgeschätzten Musikerpersönlichkeiten Rudolf Buchbinder und Julian Rachlin bestritten. Julian Rachlin tritt am 29. Juli als Solist in Mozarts Violinkonzerten KV 216 und KV 218 auf, danach kann man den außergewöhnlichen Geiger in der Sinfonia concertante auch als Bratschisten erleben.

Am 18. August spielt Rudolf Buchbinder die letzten drei Klavierkonzerte von Mozart. Beide Solisten werden vom Wiener KammerOrchester begleitet, das sie selbst von ihrem Instrument aus leiten werden.

Rudolf Buchbinder gestaltet im KlangBogen Wien 2004 noch einen weiteren Abend: Am 24. Juli wird er mit Konzertmeister Rainer Küchl und weiteren Mitgliedern der Wiener Philharmoniker Robert Schumanns Klavierquintett in Es-Dur und das in A-Dur von Antonín Dvorák zu Gehör bringen. Das Publikum darf sich auf einen Kammermusikabend ganz im Sinne der Wiener Klangtradition freuen.

Die konzertanten Aufführungen der beiden Opernraritäten von Mozart: Il Sogno di Scipione und Il Re Pastore liegen in den Händen von Martin Haselböck und seiner Wiener Akademie. Kurt Streit, der nicht nur als Idomeneo beim KlangBogen Wien 2003 einen großen Erfolg verbuchen konnte, sondern auch in Zukunft ein wichtiger Interpret am Theater an der Wien sein wird, singt die beiden Hauptpartien Scipione und Alessandro.

Das Theater an der Wien war aber auch einmal das Zentrum der Wiener Operette und Uraufführungsort der wichtigsten Werke von Strauß, Lehár und Kalman.
Nach dem überragenden Erfolg seines Operettenabends im Jahr 2003 (ein zweiter Termin musste eingeschoben werden) konzipiert Michael Heltau speziell für den KlangBogen Wien 2004 unter dem Titel "Operette sich wer kann" eine "Zweite, erweiterte Auflage" seines Programms mit Liedern und Chansons von Lehár, Kalman, Benatzky und Stolz.

Das aus Mitgliedern der Wiener Philharmoniker bestehende Ensemble Wiener Virtuosen stellt musikalische Highlights aus Johann Strauß' Fledermaus, Nacht in Venedig und Ritter Pásmán Mozart-Arien aus Le Nozze di Figaro und Don Giovanni gegenüber. Solistin ist Shooting-Star Elina Garanca, die derzeit als Dorabella an der Wiener Staatsoper zu hören ist und diese Partie 2004 auch bei den Salzburger Festspielen singen wird.

Abgerundet wird das Festivalprogramm durch zwei Kammermusikzyklen im Schubert-Geburtshaus und im Palais Lobkowitz. Im Schubert Geburtshaus werden Werke von Schuberts Zeitgenossen - ohne den Hausherrn selbst - zur Aufführung kommen. Die Streichquartett-Serie im Palais Lobkowitz ist den Jubilaren Antonín Dvorák (100. Todestag), Bedrich Smetana (180. Geburtstag) und Leoš Janácek (150. Geburtstag) gewidmet und stellt gleichzeitig eine Ergänzung zu den Aufführungen von Smetanas Oper Dalibor und dem Klavierquintett von Dvorák dar.

Das traditionelle Sonderkonzert mit den Wiener Philharmonikern - diesmal unter der Leitung von Valery Gergiev - betont mit Auszügen aus Wagner-Opern ebenfalls den Musiktheater-Schwerpunkt des Festivals und schlägt mit Schostakowitsch' Revolutions-Symphonie einen Bogen zum Freiheits-Gedanken des gesamten Festivals.
     
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