Wien (pk) - Eltern von Kindern unter sieben Jahren erhalten künftig grundsätzlich einen Anspruch
auf Teilzeitarbeit. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Regierung wurde am Dienstag (18. 05.)
vom Familienausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ gebilligt. Voraussetzung
für den Anspruch auf Teilzeitarbeit ist allerdings, dass der Betrieb mehr als 20 Beschäftigte hat und
das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung seit mindestens drei Jahren
besteht. Nach Ablauf der vereinbarten Teilzeitarbeit besteht das Recht auf Rückkehr auf einen Vollzeitarbeitsplatz.
In Kraft treten soll das Gesetz gemäß einem von den Koalitionsparteien heute eingebrachten Abänderungsantrag
am 1. Juli 2004, ansonsten wurden gegenüber der Regierungsvorlage lediglich einige Klarstellungen vorgenommen
und Redaktionsversehen beseitigt.
Während Abgeordnete der ÖVP und der FPÖ im Familienausschuss den Gesetzentwurf als wichtige Maßnahme
zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie begrüßten, werteten ihn SPÖ und Grüne als
zu wenig weit reichend und beklagten insbesondere, dass das Recht auf Teilzeitarbeit in kleinen Betrieben nicht
gelte. Die SPÖ stimmte dem Gesetzentwurf dennoch zu, um, wie Familiensprecherin Andrea Kuntzl meinte,
"den wenigen, die von den neuen Regelungen profitieren, den Fortschritt in ihrer Lebenssituation nicht zu
verwehren". Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hielt der Kritik der Opposition entgegen, dass aufgrund
der Zahlen, die seinem Ressort vorliegen, rund zwei Drittel der ArbeitnehmerInnen das Recht auf Teilzeitarbeit
in Anspruch nehmen werden können. Die 20-Mitarbeiter-Grenze bezeichnete er als "einen klassischen Kompromiss,
der der betrieblichen Praxis einigermaßen entspricht".
Laut Gesetzentwurf besteht grundsätzlich nur dann ein Recht auf Teilzeitbeschäftigung, wenn man mit dem
Kind im gemeinsamen Haushalt lebt bzw. zumindest die Obsorgepflicht hat. Weiters darf sich der andere Elternteil
zur selben Zeit nicht in Karenz befinden. Durchaus möglich ist hingegen eine gleichzeitige Inanspruchnahme
der Teilzeitarbeit durch beide Elternteile. Sollte das Kind erst nach dem siebenten Geburtstag in die Schule eintreten,
verlängert sich der Anspruch auf Teilzeit bis zu diesem Zeitpunkt. Die Mindestdauer der Teilzeitbeschäftigung
beträgt drei Monate, gemeldet werden muss die Inanspruchnahme drei Monate vor dem gewünschten Antritt.
Bis längstens vier Wochen nach dem vierten Geburtstag des Kindes gilt ein besonderer Kündigungs- und
Entlassungsschutz für die betroffenen Eltern, danach ein so genannter "Motivkündigungsschutz".
Diese Schutzbestimmungen entfallen allerdings, geht die oder der Beschäftigte eine weitere Erwerbstätigkeit
während der Teilzeitarbeit ein.
Die Modalitäten der Teilzeitarbeit (Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Arbeitszeit) sind mit dem Arbeitgeber
/ der Arbeitgeberin zu vereinbaren, zwingende gesetzliche Vorgaben bestehen im Hinblick auf möglichst große
Flexibilität nicht. Sowohl der/die Beschäftigte als auch der Arbeitgeber / die Arbeitgeberin können
einmal eine Änderung der Modalitäten (Ausmaß, Lage der Arbeitszeit, Verlängerung, Beendigung)
verlangen.
Für den Fall, dass ein Betrieb die gewünschte Form der Teilzeitarbeit nicht akzeptiert und es innerbetrieblich
zu keiner Lösung kommt, hat der Betrieb die Möglichkeit, Klage beim Arbeits- und Sozialgericht einzubringen.
Das Gericht hat dann - unter Abwägung der beiderseitigen Interessen - endgültig über die Modalitäten
der Teilzeitarbeit zu entscheiden. Gleiches gilt auch für die Änderung der Lage der Arbeitszeit.
In Betrieben mit weniger als 21 MitarbeiterInnen und/oder bei kürzerer Beschäftigungsdauer als drei Jahren
kann zwischen ArbeitnehmerIn und ArbeitgeberIn eine Teilzeitbeschäftigung längstens bis zum vierten Geburtstag
des Kindes vereinbart werden - der Arbeitgeber / die Arbeitgeberin kann eine solche aber auch aus sachlichen Gründen
ablehnen. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin die Möglichkeit, eine Klage beim Arbeits-
und Sozialgericht einzubringen. Als Anreiz für kleine Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten werden
Beihilfen zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie eingeführt.
Für Eltern, deren Kind vor dem 1. Juli 2004, dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes, geboren wurde, gelten
die Bestimmungen nur dann, wenn sich ein Elternteil zu diesem Zeitpunkt entweder in Karenz oder in Teilzeitbeschäftigung
nach dem Mutterschutzgesetz, dem Väter-Karenzgesetz bzw. dem Landarbeitsgesetz befindet.
Eingeleitet wurde die Diskussion im Ausschuss von SPÖ-Familiensprecherin Andrea Kuntzl, die,
ebenso wie zahlreiche ihrer FraktionskollegInnen, wenig Verständnis dafür zeigte, dass ein Anspruch auf
Teilzeitarbeit nur in Betrieben mit über 20 Beschäftigten bestehen wird. Sie gab zu bedenken, dass die
überwiegenden Mehrzahl von ArbeitnehmerInnen in kleinen Betrieben beschäftigt sei und wertete in diesem
Sinn den Gesetzentwurf der Koalition als "überaus dürftig". Darüber hinaus fehlen ihr,
wie sie sagte, begleitende Rahmenbedingungen. Um das Recht auf Teilzeitarbeit lebbar zu machen, müsste ihrer
Ansicht nach die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld ersatzlos gestrichen werden, zudem sei es notwendig,
entsprechende Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen.
Die SPÖ werde dem Gesetz "schweren Herzens" dennoch zustimmen, erklärte Kuntzl, um denjenigen,
die profitieren werden, den Fortschritt in ihrer Lebenssituation nicht zu verwehren. Schließlich sei das
Recht auf Teilzeitarbeit grundsätzlich "eine sehr wichtige Sache", da lange Berufsunterbrechungen
dazu führten, dass Frauen später Schwierigkeiten mit dem Wiedereinstieg ins Berufsleben hätten.
Zurückgewiesen wurde die Kritik Kuntzls von Seiten der ÖVP. Ausschussvorsitzende Ridi Steibl sagte,
sie sei froh und stolz über das Gesetz, da es einen wichtigen Schritt in Richtung Vereinbarkeit von Beruf
und Familie darstelle. Steibl machte geltend, dass 74 % aller Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern
arbeiteten. Ihre Fraktionskollegin Christine Marek hielt fest, die 20-Mitarbeiter-Grenze werde deshalb eingeführt,
um die Akzeptanz des Gesetzes und die Realisierung sicherzustellen und keine Nachteile für Frauen bei der
Einstellung zu bewirken. Sie geht davon aus, dass in Hinkunft verstärkt qualifizierte Teilzeitjobs in Unternehmen
angeboten werden.
Dem gegenüber meinte Abgeordnete Sabine Mandak (G), "das Glas ist zu wenig voll",
um dem Gesetzentwurf die Zustimmung geben zu können. Immerhin werde es für die MitarbeiterInnen von 92
% der Betriebe keine Auswirkungen haben. Mandak kritisierte nicht nur die Koppelung des Anspruchs auf Teilzeitarbeit
an die Betriebsgröße, sondern auch die notwendige dreijährige Betriebszugehörigkeit. Ein von
ihr eingebrachter Abänderungsantrag auf Streichung der beiden Einschränkungen wurde jedoch von der Koalition
abgelehnt.
Mandak mahnte darüber hinaus Begleitmaßnahmen zum Gesetz ein, damit Väter verstärkt das Recht
auf Teilzeitarbeit in Anspruch nehmen werden. Sollten solche Begleitmaßnahmen nicht folgen, könnte es
passieren, dass das Gesetz Frauen "auf den Kopf fällt", warnte sie. Ihr Fraktionskollege Karl
Öllinger bezeichnete die für das Recht auf Teilzeitarbeit maßgebliche Betriebsgröße
als "rein willkürlich" und bemängelte, dass es nur bis zum vierten Lebensjahr des Kindes einen
ausreichenden Kündigungsschutz gebe.
Namens der FPÖ zeigte sich Abgeordnete Barbara Rosenkranz darüber erfreut, dass mit dem
Gesetz ein wichtiger Schritt in Richtung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie getan und die Arbeitswelt familienfreundlicher
gestaltet werde. Zur Kritik an der 20-Mitarbeiter-Grenze merkte sie an, es müsse eine Balance eingehalten
werden zwischen dem, was sich Familien wünschten, und dem, was die Wirtschaft akzeptiere, sonst könnte
das Gesetz ein Bumerang für die Frauenbeschäftigung werden. FPÖ-Sozialsprecher Sigisbert Dolinschek
sagte, er verhehle nicht, dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn es keine Mitarbeitergrenze gebe, trotzdem
bringe das Gesetz eine wesentliche Verbesserung für viele Betroffene. Dolinschek glaubt im Übrigen, dass
das Recht auf Teilzeitarbeit in Form von Betriebsvereinbarungen auch in vielen kleinen Betrieben umgesetzt werden
wird.
Neben Abgeordneter Kuntzl äußerten sich von Seiten der SPÖ auch die Abgeordneten
Gabriele Binder, Heidrun Silhavy, Melitta Trunk und Kai Jan Krainer kritisch zum vorliegenden Gesetzentwurf.
Binder und Silhavy beklagten, dass durch das Abstellen auf die Betriebsgröße ungleiches Recht für
Eltern geschaffen werde, Abgeordnete Trunk sprach von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Silhavy wollte überdies
von Wirtschaftsminister Bartenstein wissen, ob es Überlegungen gebe, die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld
zumindest dann aufzuheben, wenn Eltern Elternteilzeit beanspruchten.
Abgeordneter Krainer gab zu bedenken, dass Wirtschaftsminister Bartenstein immer mehr Flexibilität
von ArbeitnehmerInnen verlange, der Minister umgekehrt aber von Unternehmen keine höhere Flexibilität
einfordere, um die Bedürfnisse von ArbeitnehmerInnen zu berücksichtigen. Darüber hinaus glaubt er,
dass die vorgesehene Drei-Jahres-Frist zu unnötigen Härtefällen führen wird.
Dem gegenüber machte Abgeordnete Edeltraud Lentsch (V) geltend, dass die neuen Regelungen vielen
Vätern und Müttern erlauben werden, im Beruf zu bleiben. Ihre Fraktionskolleginnen Anna Höllerer
und Astrid Stadler begrüßten die vorgesehenen Beihilfen für Kleinbetriebe und wiesen darauf hin,
dass gerade Kleinbetriebe oftmals besonders familienfreundlich seien. Allerdings spürten, so Höllerer,
gerade Familienbetriebe den Ausfall jedes Arbeitnehmers.
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sprach von einem großen Schritt in Richtung familien-
und frauenfreundlicher Arbeitswelt und einer engagierten Maßnahme im europäischen Vergleich. Die 20-Mitarbeiter-Grenze
beurteilte er als "einen klassischen Kompromiss, der der betrieblichen Praxis einigermaßen entspricht".
Es sei nur ab einer kritischen Größe von Betrieben möglich, Teilzeitansprüche von Eltern umzusetzen,
"ohne dass der Laden steht".
Nach den dem Wirtschaftsressort vorliegenden Zahlen werden, wie Bartenstein ausführte, zwei Drittel der ArbeitnehmerInnen
vom Recht auf Teilzeit Gebrauch machen können, wobei der Minister glaubt, dass die Drei-Jahres-Grenze in der
Praxis kaum eine Rolle spielen wird, da auch Zeiten der Karenz darunter fallen. Mit der Beschreitung des Klagsweges
durch Unternehmen rechnet Bartenstein in "ganz, ganz seltenen Fällen".
Sowohl der vier Jahre geltende besondere Kündigungsschutz als auch die Regelung, dass man keinen Anspruch
auf Teilzeitarbeit hat, wenn der Partner in Karenz ist, wurden Bartenstein zufolge aus dem geltenden Recht übernommen.
An die Aufhebung der Zuverdienstgrenze im Kinderbetreuungsgeldgesetz bei Inanspruchnahme von Elternteilzeit ist
seiner Auskunft nach derzeit nicht gedacht, ebenso wenig an die ersatzlose Streichung der Zuverdienstgrenze. Der
Minister gab zu bedenken, dass letzter Punkt die Kosten des Kindergeldes um rund 20 % erhöhen würde,
das sei aus dem Familienlastenausgleichsfonds nicht finanzierbar. Generell wies er auf das Ansteigen der Frauenerwerbsquote
in den letzten Jahren hin.
Staatssekretärin Ursula Haubner konstatierte, der vorliegende Gesetzentwurf sei ein weiterer
Baustein in einem ganzen Maßnahmenpaket familienpolitischer Leistungen. Aus ihrer Sicht wird mehr umgesetzt,
als im Regierungsprogramm steht. Unter anderem verwies Haubner darauf, dass beide Elternteile gleichzeitig Elternteilzeit
in Anspruch nehmen könnten, dass es möglich sei, das Ausmaß und die Lage der Arbeitszeit individuell
zu vereinbaren und dass das Recht auf Rückkehr auf einen Vollzeitarbeitsplatz bestehe. Darüber hinaus
machte sie auf die vorgesehenen Anreize für kleinere Betriebe aufmerksam und meinte, damit werde der Trend
der letzten Jahre unterstützt, wonach sich immer mehr Betriebe freiwillig zu familienfreundlichen Maßnahmen
verpflichten würden.
Was den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen betrifft, erklärte Haubner, ihr Ressort befasse sich derzeit
gemeinsam mit den Ländern intensiv mit der Frage, wo genau welche Form von Kinderbetreuungseinrichtungen fehle
und wie es mit der Nachmittagsbetreuung von Sechs- bis Vierzehnjährigen aussehe.
Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage zur Elternteilzeitkarenz unter Berücksichtigung des V-F-Abänderungsantrages
mit VP-SP-FP-Mehrheit angenommen, der Abänderungsantrag der Grünen erhielt lediglich die Zustimmung der
Opposition und blieb damit in der Minderheit. |