– architektonischer Spiegel der buddhistischen Weltanschauung
Graz (fwf / TU) - Bei der Verbreitung des Buddhismus von Indien nach Tibet hat die Architektur eine
wesentliche Rolle gespielt. Buddhistische Tempel und Klosteranlagen im westlichen Himalaya spiegeln die buddhistische
Weltanschauung wider. Das ergab die von WissenschafterInnen des Instituts für Architekturtheorie und Baukunst
an der Technischen Universität Graz durchgeführte Analyse der zum Teil unvollständig erhaltenen
Bauten. Das vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekt dient deshalb auch der Rekonstruktion und Erhaltung
dieser religiösen Gebäude.
Visualisierung des buddhistischen Tempels bCu-gcig-zhal in Wanla, Tibet. Umgeben von unwirtlichen
Landschaftszügen erhebt sich ein mehrgeschoßiger Tempel.
Foto: TU Graz |
Der westliche Himalaya ist eine Hochgebirgsregion im Westen des zentraltibetischen Hochlandes. Heute umfasst die
Region Teile von Pakistan, Indien, Nepal und Tibet. Die Landschaft ist von rauen Gebirgsketten im Norden und Süden
geprägt. Trotz dieser unwirtlichen Lage war diese Gegend seit jeher eine bedeutende Handelsroute zwischen
Indien und dem zentralasiatischen Raum. Das führte im westlichen Himalaya zu regem kulturellen Austausch zwischen
den Handelsvölkern.
Import indischer Ideen
Im zehnten Jahrhundert endete hier eine Phase politischer Unruhen. Die darauf folgende Entstehung des westtibetischen
Königreiches bildete den Ausgangspunkt für ein nachhaltiges Erstarken des Buddhismus in Tibet. Besonders
im elften Jahrhundert, unter dem tibetischen König Ye-shes-'od, wurden Gelehrte in indische Zentren des Buddhismus
entsendet. Bei ihrer Rückkehr nach Tibet brachten sie wichtige Schriften des so genannten Mahayana-Buddhismus
mit. Die Schriftstücke wurden in tibetische Sprache übersetzt und damit die Grundlage für die stärkere
Verbreitung des Buddhismus in Tibet geschaffen. Um die buddhistische Lehre auch auf architektonischem Weg zu repräsentieren
und zu kommunizieren, kamen auch Maler und Bildhauer aus Indien mit nach Tibet, die mit der Realisierung buddhistischer
Bauten beauftragt wurden.
Beachtlich sind die noch vorhandenen Zeugnisse aus dieser Zeit, vor allem, wenn man sich die örtlichen Gegebenheiten
vor Augen hält. "Im Wesentlichen konnten nur die lokalen Ressourcen, Lehm und Stein, genutzt werden.
Holz wurde wegen seiner geringen Verfügbarkeit nur für Balkenlagen und zur Unterstützung von Säulen
verwendet", erklärt Prof. Holger Neuwirth vom Institut für Architekturtheorie und Baukunst.
Evolution & Involution
Trotz dieser Ressourcenknappheit sollte die Architektur der Kloster- und Tempelanlagen den Prinzipien des buddhistischen
Weltbildes folgen. Die Wandbilder sind häufig in der farbenfrohen Symbolik buddhistischer Mandalas gestaltet.
"Die unter dem Namen Mandala bekannten komplizierten symbolischen Darstellungen repräsentieren die kosmische
Evolution, die auch Involution genannte Selbstfindung des Individuums und zugleich die psychischen Kräfte.
Sie stellen die Grundlage der indo-tibetanischen, buddhistischen und von Indien beeinflussten Erkenntnislehren
dar", beschreibt Prof. Neuwirth. Die geometrische Form des Kreises und des Quadrates bilden den Rahmen für
diese komplexen symbolischen Malereien, die Erzählungen aus der buddhistischen Lehre darstellen.
Das Prinzip des Mandala wurde auch zum Ideal für die Geometrie des Tempels und der umgebenden Anlage - der
Tempel als Zentrum, Achse und Nabel der Welt. Manche Gebäude wurden mehrgeschossig gebaut. So symbolisieren
sie die Vorstellung einer von unten nach oben bis zur Einheit mit dem Absoluten wandernden Seele. Auf diese Weise
folgte eine Anlage auf jeder Ebene den buddhistischen Grundgedanken und vermittelte diese nach außen. So
unterstützte die Architektur durch Manifestation im Alltag die Verbreitung der buddhistischen Lehre.
Von diesen frühen buddhistischen Bauten im westlichen Himalaya sind heute nur mehr wenige in einem baulich
intakten Zustand, der eine liturgische Nutzung erlaubt. Die meisten religiösen Gebäude wurden zudem im
Laufe der Jahrhunderte soweit zerstört oder durch Um- und Anbauten verändert, dass ihr ursprüngliches
Erscheinungsbild nur mehr schwer nachzuvollziehen ist. Mit Fördergeldern des FWF kann an der Analyse, Rekonstruktion
und Erhaltungsmaßnahmen dieser Kulturschätze gearbeitet werden. Die Ergebnisse der Analysen werden mittels
computergestützter Simulation und Visualisierungsmodellen sichtbar gemacht - siehe Video. |