Brüssel (eu-int) - Die Europäische Kommission hat einen Bericht
über die Anwendung der EU-weit harmonisierten Mindestsätze der Verbrauchsteuer auf Alkohol und alkoholische
Getränke vorgelegt, um eine breit angelegte Diskussion dieses Themas anzuregen. In dem Bericht wird erörtert,
wie sich das System in seiner derzeitigen Form auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes, den durch
unterschiedliche Verbrauchsteuersätze hervorgerufenen Wettbewerb zwischen den einzelnen Arten von alkoholischen
Getränken und den realen Wert der 1992 festgelegten Mindestsätze sowie auf die allgemeinen Ziele des
EG-Vertrags auswirkt. Die Kommission gelangt in dem Bericht zu dem Schluss, dass es einer stärkeren Annäherung
der Verbrauchsteuersätze in den einzelnen Mitgliedstaaten bedarf, um das Ausmaß an Wettbewerbsverzerrungen
und Steuerbetrug zu verringern. Angesichts der weit auseinander gehenden Auffassungen der Mitgliedstaaten über
die geeignete Höhe der Mindestsätze und in Anbetracht der Tatsache, dass jegliche Änderung der Rechtsvorschriften
der Einstimmigkeit bedarf, unterbreitet die Kommission zum jetzigen Zeitpunkt keinen Richtlinienvorschlag. Stattdessen
möchte die Kommission im Rat, im Europäischen Parlament und im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss
eine breit angelegte Diskussion anregen und aufgrund der Ergebnisse dieser Diskussion entscheiden, ob sie Vorschläge
für sämtliche oder einige der in dem Bericht angesprochenen Punkte unterbreitet.
Das für Steuern zuständige Mitglied der Kommission, Frits Bolkestein, erklärte hierzu: “Die sehr
großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich des Niveaus der Verbrauchsteuern auf Alkohol
verfälschen eindeutig den Markt und leisten sowohl dem Steuerbetrug als auch dem Schmuggel Vorschub. Ohne
die Zustimmung aller Mitgliedstaaten können aber keine Änderungen am System vorgenommen werden. Daher
muss dieses Thema nun ausführlich erörtert werden, um festzustellen, inwiefern eine Einigung über
Verbesserungen gegenüber der derzeitigen Lage möglich ist."
Nach den Gemeinschaftsvorschriften über die Anwendung von Verbrauchsteuer- Mindestsätzen auf alkoholische
Getränke muss die Europäische Kommission diese Sätze regelmäßig überprüfen
und einen entsprechenden Bericht sowie gegebenenfalls einen Vorschlag unterbreiten, der dem reibungslosen Funktionieren
des Binnenmarktes, dem Wettbewerb zwischen den einzelnen Kategorien alkoholischer Getränke, dem realen Wert
der Steuersätze und den allgemeinen Zielen des EG-Vertrags Rechnung trägt.
Funktionieren des Binnenmarkts
Die nach wie vor großen Unterschiede zwischen den von den Mitgliedstaaten angewandten Verbrauchsteuersätzen
für alkoholische Getränke verursachen einer Reihe von Mitgliedstaaten Probleme, durch die das ordnungsgemäße
Funktionieren des Binnenmarktes behindert wird. Die unterschiedliche Höhe der Verbrauchsteuer- und MwSt-Sätze
in den einzelnen Mitgliedstaaten und die oft sehr hohe steuerliche Belastung von Erzeugnissen im Vergleich zu ihrem
eigentlichen Warenwert vermitteln einen erheblichen Anreiz nicht nur für den legalen Einkauf der betreffenden
Waren in einem anderen Land, sondern auch für betrügerische Aktivitäten und Schmuggel. Davon sind
vor allem die Märkte in Mitgliedstaaten mit hohen Steuersätzen betroffen. Die Folge sind häufig
steuerlich bedingte Wettbewerbsverzerrungen und Handelsverlagerungen zum Nachteil des legalen Handels sowie Einschränkungen
für die Freizügigkeit für die Bürger.
Die Kommission ist der Meinung, dass diese Probleme durch eine weitere Annäherung der Verbrauchsteuersätze
in den Mitgliedstaaten gelöst werden können. Die meisten Mitgliedstaaten teilen diese Auffassung, aber
es herrscht Uneinigkeit darüber, wie hoch die Mindestsätze liegen sollten.
Wettbewerb zwischen den einzelnen Kategorien alkoholischer Getränke
Gesicherte Aussagen zum Ausmaß des durch unterschiedliche Steuersätze hervorgerufenen Wettbewerbs zwischen
den einzelnen Kategorien alkoholischer Getränke sind nach Auffassung der Kommission kaum möglich. Die
Entscheidung der Verbraucher für eine bestimmte Produktkategorie wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst,
so spielen auch Gewohnheiten, Gelegenheit, Kultur oder Klima eine große Rolle. Daher ist die Nachfrage nach
einer bestimmten Getränkeart relativ unabhängig von Preisänderungen bei diesen Getränken oder
anderen konkurrierenden Arten von alkoholischen Getränken. Allerdings wirkt sich das Verbrauchsteuerniveau
von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich stark auf das Verbraucherverhalten aus, wobei der Einfluss
in Mitgliedstaaten mit hohen Verbrauchsteuern, die einen erheblichen Anteil am Preis der Erzeugnisse ausmachen,
offenbar größer ist.
Realer Wert der Verbrauchsteuer-Mindestsätze
Um zu verhindern, dass die Mindestsätze allmählich bedeutungslos werden, wäre nach Ansicht
der Kommission zum Ausgleich der Inflation zwischen dem 1.Januar 1993 und dem 31. Dezember 2002 eine Anhebung der
Verbrauchsteuer-Mindestsätze von etwa 24% erforderlich.
Allgemeine Ziele des EG-Vertrags
Bei jeglicher Überlegung hinsichtlich der Besteuerung von Alkohol sind gesundheits- und agrarpolitische Erwägungen
von besonderer Bedeutung. Zu berücksichtigen sind ferner die Erweiterung der Gemeinschaft und die Auswirkungen
der vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Beitrittsländer sowie die Wirtschafts- und Währungsunion
und die Steuerpolitik allgemein.
Die Kommission stellt fest, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten bei der Festsetzung ihrer Steuersätze gesundheitspolitischen
Erwägungen keine Rechnung trägt.
Was die Agrarpolitik anbelangt, so sehen die Wein erzeugenden Länder und die Erzeuger selbst den derzeitigen
Nullsatz für Wein häufig als notwendige Begleitmaßnahme zur Förderung der Ziele der gemeinsamen
Marktorganisation für Wein an. Allerdings machen einige der anderen Mitgliedstaaten jegliche Anhebung der
Verbrauchsteuer-Mindestsätze von der Einführung eines über Null liegenden Mindestsatzes für
Wein abhängig. Die Besteuerung von Wein ist daher weiterhin ein sehr kontrovers diskutiertes und politisch
heikles Thema.
Die Erweiterung der Gemeinschaft wirft keine besonderen Probleme auf, da alle neuen Mitgliedstaaten bereits Verbrauchsteuern
auf alkoholische Getränke in Höhe der derzeitigen Mindestsätze oder darüber anwenden.
Struktur der Verbrauchsteuer auf Alkohol und alkoholische Getränke
In dem Bericht wird die Frage aufgeworfen, ob die Möglichkeit, nicht schäumende und schäumende
alkoholische Getränke unterschiedlich zu besteuern, ausgeschlossen werden sollte. Viele Erzeuger, z.B. von
Schaumwein, bemängeln, dass die Behandlung ihrer Erzeugnisse als “Luxusartikel“ und eine entsprechend höhere
Besteuerung nicht gerechtfertigt ist.
Der Bericht befasst sich ebenfalls mit den verschiedenen Kategorien alkoholischer Getränke, insbesondere mit
Mischungen aus gegorenen Getränken und Branntwein und deren zolltariflicher Einreihung, die kürzlich
bei den Wirtschaftsbeteiligten und den Mitgliedstaaten zu Unsicherheiten führte.
Die Diskussion
In Anbetracht der Komplexität und der politisch sensiblen Aspekte des Themas ist dem Bericht kein
Vorschlag für eine Richtlinie beigefügt. Stattdessen möchte die Kommission im Rat, im Europäischen
Parlament und im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss eine breit angelegte Diskussion anregen und
aufgrund der Ergebnisse dieser Diskussion entscheiden, ob sie Vorschläge für sämtliche oder einige
der in dem Bericht angesprochenen Punkte unterbreitet.
Hintergrund
Die derzeitigen Mindestsätze der Verbrauchsteuer auf alkoholische Getränke gelten seit 1993 (Richtlinie
92/84/EWG des Rates). Es steht den Mitgliedstaaten frei, höhere Verbrauchsteuersätze festzulegen, wenn
ihnen dies angebracht erscheint. Diese Regelung hat dazu geführt, dass innerhalb der Gemeinschaft sehr unterschiedliche
Steuersätze angewandt werden, die die jeweiligen politischen Erwägungen der Mitgliedstaaten widerspiegeln.
Die Richtlinie 92/83/EWG des Rates zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische
Getränke definiert die Waren, die der gemeinschaftsrechtlich geregelten Verbrauchsteuer unterliegen, und gewährleistet
damit, dass jedes einschlägige Erzeugnis in allen Mitgliedstaaten die gleiche steuerliche Behandlung erfährt.
Diese "Strukturrichtlinie" legt auch fest, wie die Verbrauchsteuer zu berechnen ist und anhand welcher
Kriterien auf bestimmte Erzeugnisse Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen angewandt werden können. |