Diskussion um WTO und Mercosur beim EU-Agrarrat  

erstellt am
26. 05. 04

Pröll kritisch zu Angeboten der Kommission - Gegenangebot des Mercosur enttäuschend
Brüssel (aiz.info) - Das Angebot der EU-Kommission für einen Verzicht auf Exporterstattungen an die WTO-Mitgliedsländer und das Angebot an den südamerikanischen Handelsblock Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) für eine weitgehende Öffnung der EU-Agrarmärkte sorgte gestern beim Ratstreffen der EU-Agrarminister für Diskussion: Während Agrarkommissar Franz Fischler sein Angebot an die Mercosur-Länder verteidigte, haben sich Frankreich, Italien, Österreich, Belgien und Luxemburg gegen das Mercosur-Angebot ausgesprochen mit dem Argument, Europa müsse beim Marktzugang zweimal bezahlen, einmal in den Mercosur-Verhandlungen und ein zweites Mal in der Doha-Runde der WTO.

Am Mercosur-Angebot sieht Landwirtschaftsminister Josef Pröll insbesondere die EU-Importquoten für 100.000 t hochwertiges Rindfleisch und 1 Mio. t Bioethanol kritisch. Er könne das "zum jetzigen Zeitpunkt nicht verstehen". Der von der EU mit ihren Agrarreformen angestrebte Angebotsrückgang und der dadurch erhoffte Preisanstieg für Rindfleisch in der EU werde durch das Mercosur-Angebot wieder in Frage gestellt. Bei Bioethanol sei eine neue Industrie zu schützen, die in Europa gerade erst aufgebaut werde, so Pröll.

Die Öffnung der EU-Agrarmärkte für die südamerikanischen Mercosur-Länder werde der europäischen Landwirtschaft keinen Schaden zufügen. Im Gegenteil: Die Liberalisierung habe einen Vorteil, wenn Lebensmittel aus der EU verstärkt in Südamerika verkauft werden können, verteidigte Fischler sein Angebot. Beim Mais sehe er überhaupt keine Probleme, verwahrte sich der Kommissar gegen die Warnung vor einem möglichen Preisdruck durch ein Einfuhrkontingent über insgesamt 700.000 t Mais und Sorghum. In Spanien und Portugal gebe es bisher schon Jahr für Jahr einen großen Importbedarf, der zunehmend aus Argentinien und Brasilien gedeckt werde. Die südamerikanischen Länder hätten zudem den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu den USA noch GVO-freien Mais anbieten könnten. Auch auf die Quote über 100.000 t Qualitätsrindfleisch will Fischler nichts kommen lassen. Mit dem Gros des europäischen Marktes habe dies nicht viel zu tun, da es sich nur um ganz bestimmte Teilstücke handle.

Alexander Müller, Staatssekretär im deutschen Landwirtschaftsministerium, fragte nach, ob die 1 Mio. t Bioethanol nicht den Aufbau einer eigenen Produktion von alternativen Kraftstoffen in der EU gefährde. Müller will von der Kommission klären lassen, ob Bedarfsschätzungen über jährlich 8 Mio. t Bioethanol im Jahr 2010 realistisch sind. Sonst zeigte sich aber Deutschland auf Linie mit dem Vorgehen der Kommission. Frankreich soll eine deutliche Reduzierung der Ethanol-Quote gefordert haben.

Fischler wies im Übrigen darauf hin, dass auch die europäische Agrar- und Lebensmittelindustrie Vorteile von einem Freihandelsabkommen mit den Südamerikanern habe. Alle sensiblen Produkte, für die die EU den Markt öffne, sollten die Südamerikaner im Gegenzug zollfrei hereinlassen. Exportmöglichkeiten sieht Fischler vor allem für Wein, Malz und verarbeitete Lebensmittel aus der EU.

Gegenangebot des Mercosur offensichtlich enttäuschend
Noch sei das Gegenangebot der Mercosur-Länder aber nicht zufrieden stellend, musste Fischler jedoch zugeben. Man habe es dennoch für sinnvoll gehalten, endlich ein verbessertes Verhandlungsangebot auszutauschen, um in die entscheidende Phase der Verhandlungen eintreten zu können. Offensichtlich hat der Mercosur gerade für die Öffnung seiner Märkte für Industriewaren, Dienstleistungen und im öffentlichen Auftragswesen im Tausch für die weitgehenden Agrarangebote der EU nur enttäuschende Gegenangebote unterbreitet. Es heißt, der Umfang für Zollbefreiungen auf EU-Lieferungen in diesen Bereichen sei deutlich unter den von Fischler und Handelskommissar Pascal Lamy erhofften 90% geblieben und die eigentlichen Zollbefreiungen sollten erst gegen Ende der zehnjährigen Übergangsfristen wirklich spürbar werden.

Einen Abschluss streben die EU und die Mercosur-Länder im Oktober 2004 an. Aber schon diese Woche werden beim EU-Lateinamerika-Gipfel im mexikanischen Guadalajara weitere Gespräche geführt und im Juni in Buenos Aires fortgesetzt werden.

Kritik der Minister auch an WTO-Angebot Fischlers und Lamys
Frankreichs Minister Hervé Gaymard profilierte sich neuerlich als heftigster Kritiker der Kommission auch im Zusammenhang mit dem Brief Fischlers und Lamys an alle WTO-Mitgliedsstaaten, in dem sie für den Fall paralleler Zugeständnisse ein Ende der EU-Exporterstattungen anbieten. "Die Kommission hat ihr WTO-Mandat mit dem jüngsten Angebot eindeutig überschritten", so Lamy. Frankreich werde bei einer allfälligen Abstimmung darüber im Allgemeinen Rat der Außenminister seine Bedenken klar äußern. Gaymard ließ auch neuerlich kein gutes Haar an der von der Kommission eingeschlagenen Taktik: "Wir haben bislang kein gleichwertiges Gegenangebot von den USA erhalten, außer dass sie eventuell über mehr Transparenz bei den Subventionen und die Staatsgarantien diskutieren wollen." Auch will Frankreich nicht dem Termindruck der Kommission folgen, bis zum Juli zumindest die Themen für die Verhandlungen der Doha-Runde abzustecken: "Es darf keine Tyrannei des Kalenders geben. Ein ausgeglichenes Abkommen wäre gut, aber wir haben keine Eile."

Pröll: WTO-Angebot der EU sehr riskant
"Sehr riskant" bezeichnete Pröll gestern vor Journalisten in Brüssel laut APA auch die Taktik der EU-Kommission, in der Welthandelsorganisation WTO eine Abschaffung der Exportförderungen vorzuschlagen: "Ich hätte zum jetzigen Zeitpunkt genauer hinterfragt, ob der Brief sinnvoll ist, man sollte nicht so tun, als ob Europa ständig auf andere zugehen sollte", sagte Pröll. Europa habe schon genug getan. Damit die Verhandlungsposition der EU-Kommission akzeptabel wird, müssten drei Bedingungen erfüllt sein: Die Zusagen, die im Zuge der Agrarreform bis 2013 an die Bauern gemacht wurden, müssen eingehalten werden; alle Exportförderungen der anderen WTO-Staaten müssen gleich behandelt werden und auch Nicht-Handelssorgen Europas (etwa Umwelt- oder Tierschutzstandards) müssen berücksichtigt werden.

In der Diskussion der EU-Agrarminister hätten sich insbesondere Frankreich, Italien, Griechenland und Belgien im Sinne Österreichs geäußert. Großbritannien und Schweden hätten hingegen den Brief der EU-Kommission positiv aufgenommen, sagte Pröll. Auch Deutschland begrüße diese Initiative, so Staatssekretär Müller.
     
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