Enquete »Österreich - Wirtschaftsstandort im Zentrum Europas«
Wien (bmwa) - "Die 1989 eingeleitete Ostöffnung, der EU-Beitritt Österreichs im Jahr
1995 und jetzt die EU-Erweiterung waren und sind entscheidende Meilensteine für die österreichische Wirtschaftsentwicklung",
erklärte Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Martin Bartenstein am Feitag (28. 05.)
in der Wiener Hofburg anlässlich der vom Ministerium organisierten Enquete "Österreich - Wirtschaftsstandort
im Zentrum Europas". Sowohl Wirtschafts- als auch Arbeitsmarktdaten seien von den Umwälzungen der vergangenen
15 Jahre in hohem Ausmaß und zum Vorteil des Landes beeinflusst worden.
Wie der Minister ausführte, habe Österreich im Vergleich zu den anderen EU-Mitgliedstaaten vom wirtschaftlichen
Umstrukturierungs- und Aufholprozess der Länder Mittel- und Osteuropas seit 1989 überdurchschnittlich
profitiert. Das Ergebnis davon seien sechs Prozent BIP-Wachstum - etwa 14 Milliarden Euro - und fast 60.000 neue
Arbeitsplätze. Aber auch weiterhin werde Österreich im Vergleich zu den anderen "alten" EU-Staaten
mit einem bis zum Jahr 2010 errechneten Wirtschaftswachstum von 0,7% und in derselben Zeit erwarteten 30.000 zusätzlichen
Arbeitsplätzen am stärksten von der Erweiterung profitieren, betonte Bartenstein unter Verweis auf wirtschaftswissenschaftliche
Studien.
Österreich - so der Minister weiter - habe sich als "kleines aber feines Mitgliedsland" in der EU
etabliert und gehöre nicht zu den egoistischen Mitgliedsländern, sondern trete nur dort entschieden auf,
wo es um elementare Interessen - zum Beispiel bei der Lebensmittelsicherheit und bei der Nutzung der Atomenergie
geht. Es gelte als schönes und freundliches Land, das aber auch wegen seiner Leistungsfähigkeit geschätzt
werde und zu den wirtschaftlich erfolgreichsten und im Wettbewerb stärksten zähle. Österreich sei
daher auch für viele international tätige Firmen zu einem beliebten Standort für die Bearbeitung
der mittel- und osteuropäischen Länder geworden.
Die Entwicklung der Direktinvestitionen österreichischer Firmen im Ausland - in den letzten Jahren mit einem
deutlichen Schwerpunkt in den neuen Mitgliedsländern - zeigt für Bartenstein ebenso die enge Verflechtung
mit den Nachbarländern und die Bedeutung der Osterweiterung für die österreichische Wirtschaft.
Derzeit gebe es etwa 15.500 Beteiligungen österreichischer Firmen im Ausland, davon rund 12.500 in der Region
Mittel- und Osteuropa.
EU steht auch vor Herausforderungen
Nach der Euphorie über die Erweiterung und der Freude über das bisher Erreichte gelte es aber,
hart weiter zu arbeiten und sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen, setzte Bartenstein im zweiten Teil
seines Referates fort: Die gesamte EU der 25 müsse mit einem Wachstumsproblem kämpfen, das auch ein Arbeitsmarktproblem
bedeute. 18 Millionen Arbeitslose in der Europäischen Union seien viel zu viele. Wenn eine Studie der OECD
für die Länder Asiens und Amerikas - auch Lateinamerikas - eine intakte Wirtschaft mit ansprechenden
Wachstumsraten ausweise, nicht jedoch für die EU, dann müsse etwas geschehen und der Rhetorik vom Ziel
des wettbewerbsstärksten Wirtschaftsraums auch entsprechende Taten für dessen Erreichung hinzugefügt
werden, mahnte der Minister. Es müsse daher mehr angebotsseitige Wirtschaftspolitik betrieben werden, nicht
nur in Brüssel, sondern auch in allen Mitgliedsländern. Österreich sei da mit der Steuerreform,
der Budgetdisziplin, der Pensionsreform und bei der Beschäftigung älterer Menschen bereits gut unterwegs,
und die vor kurzem auch mit Zustimmung der Wirtschaft vereinbarte Reform der Forschungs-, Technologie- und Entwicklungsförderung
sei da als weiterer großer Schritt zu sehen. Lob gab es in diesem Zusammenhang für die Arbeitnehmervertreter,
dass diese die erreichten Produktivitätszuwächse nicht in vollem Ausmaß in Lohnzuwächse umwandeln
wollten und statt dessen eine Reduzierung der Lohnstückkosten akzeptiert haben.
Auf europäischer Ebene erhofft Bartenstein eine weitere Flexibilisierung der Arbeitsmärkte und eine Fortsetzung
der Liberalisierung und Deregulierung, konkret auf dem Gebiet der CO2-Zertifikate, des Chemie-Einsatzes und des
Europäischen Patentes. Bartenstein: "Die Rahmenbedingungen müssen es erlauben. im globalen Wettbewerb
erst zu erwirtschaften, was für Sozialstandards und Umweltanliegen aufgewendet werden soll."
Rothensteiner: EU-Erweiterung bestätigt erbrachte Leistungen
Dr. Walter Rothensteiner, der Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG, betonte aus
der Sicht der Wirtschaft und da speziell des Bankensektors, dass Österreich die EU-Erweiterung bereits wirtschaftlich
gelebt habe, ehe sie politisch formell beschlossen wurde. Die Restrukturierung der Wirtschaft habe schon längst
eingesetzt und die "Rostlauben des militärisch-industriellen Komplexes in neue Anlagen westlicher Investoren
verwandelt". Die EU-Erweiterung sei nun die Bestätigung der Leistungen der Menschen in den neuen Mitgliedstaaten.
Die nun erfolgte Aufnahme mit gleichen Rechten und Pflichten vermittle die Hoffnung, dass es in Zukunft (noch)
besser werde. vor allem in Ostösterreich seien die Einkäufe von Besuchern aus den Nachbarländern
im Osten von 1999 bis 2002 um ein viertel gestiegen, wobei sich die Nachfrage auf das höherwertige Segment
konzentriere. Vom Zuwachs im Tourismus nach der Ostöffnung profitiere das ganze Land mit 300.000 Nächtigungen
mehr pro Jahr, wobei die Pro-Kopf-Ausgaben keine Unterschiede zu jenen der Österreicher zeigen. Die Zusätze
im Warenverkehr führten dazu, dass es nach sehr langer Zeit wieder einen Handelsbilanzüberschuss gegeben
hat.
Vor allem sei die Erweiterung aber auch als Friedensprojekt zu sehen, als Basis für eine noch längere
Friedensperiode und für eine wirtschaftlich positive Entwicklung. Die Integration solle nicht nur "Eingliederung
der Neuen, sondern auch ein "Zusammenwachsen aller EU-Länder" bedeuten, der Beitritt ist eine "Wiedervereinigung"
Mitteleuropas, schloss Rothensteiner
Stenzel: EU braucht gemeinsame Lösungsansätze für gemeinsame Probleme
Ursula Stenzel, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzende des Europaausschusses mit der
Tschechischen Republik, sprach sich für ein Gleichgewicht der "Säule der Bürger" - des
Europäischen Parlaments - und der "Säule der Regierungen" - des Europäischen Rats - aus,
und für eine ausgleichende und vermittelnde Rolle der europäischen Kommission. Entschieden wandte sie
sich gegen Trennungen wie in ein "Kern-" und ein "Rest-Europa", in "groß" und
"klein" etc. Wichtig sei es, in Koalitionen der Interessen und/oder regionalen Partnerschaften gemeinsame
Lösungsansätze für gemeinsame Probleme zu erarbeiten. Eine EU-"Verfassung" müsse
die Kompentenzen zwischen den Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament
abgrenzen. Energisch trat sie für eine Ausweitung der qualitativen Entscheidungsfindung ein, als letzte Barriere
für elementare Interessen müsse es aber auch in Zukunft ein Veto-Recht geben. Konkret forderte sie, dass
EU-Gelder nur für Projekte zur Verfügung gestellt werden dürfen, die dem Sicherheitsbedürfnis
der Menschen entsprechen.
Als wichtigste Aufgabe des Europäischen Parlaments sah Stenzel in ihrem Statement die Festsetzung passender
Rahmenbedingungen, dass die Wirtschaft zum Wachstumsmotor werden könne. Dazu gehöre die Vollendung des
Binnenmarktes und der Ausgleich unterschiedlicher Interessen.
Schwarzenberg: Gemeinsame Interessen gemeinsam Vertreten, unterschiedlichen Interessen mit Verständnis
begegnen
Karl Johannes von Schwarzenberg, Kanzler der Kanzlei von Präsident Vaclav Havel 1990-1992, lieferte
einen Beitrag aus der Sicht der Tschechischen Republik. Die wirtschaftliche Entwicklung seit der Ostöffnung
habe nicht nur eine Umstellung von der Plan- zur Marktwirtschaft und die weitgehende Privatisierung bedeutet, sondern
auch die endgültige Abkehr von der auf Kohle basierenden Industrie des 19. Jahrhunderts. Schwarzenberg bat
um Verständnis, dass die neuen Mitgliedstaaten nicht sofort alle Maßnahmen übernehmen können,
die für eine hoch entwickelte Wirtschaft gelten. Tschechien sei mit den Nachbarländern einerseits durch
gemeinsame Interessen verbunden und müsse zum Beispiel bei der Bewältigung des Verkehrs gemeinsame Strategien
für die Zukunft entwerfen, andererseits gebe es aber auch gegensätzliche Interessen, zum Beispiel in
Energiefragen. Hier sein man auf gegenseitiges Verständnis angewiesen. Konkret wies Schwarzenberg angesichts
der in Frankreich oder Finnland bestehenden Anlagen das Verlangen nach Verzicht auf Kernkraftwerke als unzumutbar
zurück, zumal es in Tschechien kaum nutzbare Wasserkraft gebe. |